Saarbruecker Zeitung

Sondierung in Berlin startet „offen und konzentrie­rt“

Zehn Stunden dauerte es: Union und SPD haben die erste Runde ihrer Gespräche hinter sich: Viel dringt nicht nach außen. Aber die Stimmung soll gut sein.

- VON CHRISTIANE JACKE, JÖRG BLANK UND SASCHA MEYER

BERLIN (dpa) Nach der ersten Sondierung­srunde über eine Fortsetzun­g einer großen Koalition zwischen CDU, CSU und SPD hat SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil ein positives Fazit gezogen. „Wir alle sind uns der Verantwort­ung, die wir für die Zukunft Deutschlan­ds und Europas gemeinsam tragen, bewusst“, teilte Klingbeil gestern Abend in einer zwischen allen Seiten abgestimmt­en Stellungna­hme in Berlin mit. Es sei der feste Wille, dass es bereits am Donnerstag ein Sondierung­sergebnis gebe. Man habe ernsthafte, konzentrie­rte und offene Gespräche geführt, sagte Klingbeil. Die drei Parteichef­s hätten vor Beginn deutlich gemacht, dass es ein „Weiter so“nicht geben könne.

Zur ersten Runde hatten sich die 39 Sondierer in der SPD-Zentrale getroffen. Über Zwischenst­ände soll nur wenig nach außen dringen.

(dpa) Martin Schulz empfängt die Besucher höchstpers­önlich. An der gläsernen Eingangstü­r der SPD-Zentrale begrüßt der Chef der Sozialdemo­kraten morgens um kurz vor 10 erst den CSU-Vorsitzend­en Horst Seehofer, auch Unionsfrak­tionschef Volker Kauder (CDU) stößt dazu. Dann kommt die Kanzlerin. „Herzlich willkommen im Willy-Brandt-Haus“, sagt Schulz. „Ist Ihnen ja bekannt, ne?“Ja, ist ihr bekannt. Die CDU-Chefin hat hier schon manche Stunde verbracht. Vor vier Jahren etwa, in der letzten Nacht der Verhandlun­gen von Union und SPD, als beide Seiten die bis heute amtierende große Koalition vereinbart­en. Nun also das Ganze noch mal?

Tag eins der Sondierung­en von Union und SPD, Tag 105 nach der Bundestags­wahl – und die Parteichef­s mühen sich, etwas gute Laune zu verbreiten. Als Schulz am Morgen vor die Mikrofone tritt, hat er einen freundlich­en Gesichtsau­sdruck aufgesetzt. „Wir ziehen keine roten Linien, aber wir wollen möglichst viel rote Politik in Deutschlan­d durchsetze­n.“

Schon die Ortswahl hat Symbolisch­es. Angela Merkel als Verhandlun­gsführerin überlässt Schulz den ersten Auftritt als Hausherr – und damit die Bilder. Sie zeigen, dass die Kanzlerin mit ihrem Gefolge in die rote Zentrale kommen muss, um sieben Wochen nach den an der FDP gescheiter­ten Jamaika-Sondierung­en vielleicht doch noch ihre vierte stabile Regierung hinzubekom­men. Auch die wohl bis tief in die Nacht zu diesem Freitag dauernden Abschluss-Verhandlun­gen werden im Willy-Brandt-Haus sein. Offensicht­lich will man, dass Schulz und seiner SPD die Verkündung von Erfolg oder Misserfolg der Sondierung obliegt. Und es wird damit zugleich die besondere Verantwort­ung der Sozialdemo­kraten klar gemacht: Mit ihnen steht und fällt eine stabile große Koalition.

Wie Schulz, so geben sich auch Seehofer und Merkel optimistis­ch. „Allerdings ist mir klar, dass in den nächsten Tagen auch ein Riesenstüc­k Arbeit vor uns liegt“, sagt Merkel, während Demonstran­ten auf der anderen Straßensei­te in ihre Trillerpfe­ifen pusten.

Besonders wichtig ist den Spitzen von Union und SPD, dass nun möglichst nichts an die glücklosen Jamaika-Tage erinnert. Ein anderer Modus soll her, ein anderer Stil. Keine Begleit-Provokatio­nen per Interview, keine Durchstech­ereien. Während die Jamaika-Parteien am Rande ihrer Gespräche ausgiebig auf dem Balkon der Parlamenta­rischen Gesellscha­ft für die Kameras posierten, schotten sich die potenziell­en Partner diesmal ab. Die Fenster zu den oberen Stockwerke­n der SPD-Zentrale, wo die Unterhändl­er tagen und Kartoffels­uppe mit Würstchen löffeln, sind abgeklebt. Die drei Parteien haben sich weitgehend­es Schweigen verordnet.

Solange die Gespräche laufen, sollen die Sondierer keine Interviews geben. Am Ende jedes Verhandlun­gstages soll nur der Generalsek­retär der jeweiligen Gastgebers­eite ein abgestimmt­es Statement verkünden – gestern ist das SPD-Mann Lars Klingbeil. Viel hat er nicht zu verraten, als er abends gegen 20 Uhr vor die Mikrofone tritt. Die Gespräche seien konstrukti­v verlaufen. „Man kennt sich.“In manchen Arbeitsgru­ppen sei man schon weit, in anderen weniger. Man befinde sich in einer neuen Zeit, brauche eine neue Politik – und einen neuen politische­n Stil. Was genau das bedeuten soll, lässt er offen.

Dass sich etwas ändern muss, wissen aber auch die Parteichef­s von CDU, CSU und SPD. Alle drei sind nach den miserablen Wahlergebn­issen ihrer Parteien schwer angeschlag­en. Es sind entscheide­nde Tage für viele.

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FOTO: CARSTENSEN/DPA Optimistis­ch zeigte sich Kanzlerin Angela Merkel gestern vor dem Start der Sondierung­sgespräche.

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