Saarbruecker Zeitung

Dobrindt, der konservati­ve Revolution­är

Der CSU-Landesgrup­penchef übernimmt in der Partei die Rolle des „harten Hundes“. Auch vor den Sondierung­en mit der SPD.

- VON CHRISTOPH TROST UND ANDREAS HOENIG

(dpa) Natürlich wusste Alexander Dobrindt, dass der Aufschrei kommen würde. Mit seinem Plädoyer für eine „konservati­ve Revolution der Bürger“, mit seinem Feldzug gegen „selbst ernannte Volkserzie­her“und gegen eine „linke Meinungsvo­rherrschaf­t“hat der neue Vorsitzend­e der CSU-Landesgrup­pe im Bundestag bundesweit auf sich aufmerksam gemacht – und ganz bewusst den Protest seiner Gegner provoziert.

Denn wenn ein gewiefter Stratege wie Dobrindt genau zur Winterklau­sur der CSU-Landesgrup­pe einen solchen Debattenbe­itrag platziert, weiß er, was er tut. Sein Ziel: Er will die CSU zur einzig verblieben­en Verfechter­in bürgerlich-konservati­ver Politik stilisiere­n – und sich selbst zum Anführer der „bürgerlich­en Wende“machen.

Doch was genau Dobrindt damit meint, bleibt vage. Das wurde auch in einem Interview im ZDF-„Heute Journal“deutlich, als Dobrindt auf kritische Fragen von Moderatori­n Marietta Slomka keine wirklich überzeugen­den Antworten fand – zum Beispiel, was genau er unter einer „Revolution“verstehe, und ob sich diese gegen Kanzlerin Angela Merkel richte, die ja seit mehr als zwölf Jahren mit der CSU regiere. Das Interview löste in den sozialen Netzwerken einigen Wirbel aus.

Es sei wichtig, eine Debatte zu führen, sagte Dobrindt am Samstag zum Abschluss der CSU-Winterklau­sur im Kloster Seeon. Und wählte erneut eine seiner Lieblingsf­ormulierun­gen: „Deutschlan­d ist ein bürgerlich­es Land.“Bei so manchem Stammtisch nicht nur in Bayern dürfte Dobrindts Angriff auf die linke 68er-Generation gut ankommen.

Der 47-Jährige hat eine politische Schlüssels­tellung inne: Er führt als Nachfolger der stets leise-diplomatis­chen Gerda Hasselfeld­t nicht nur die CSU-Landesgrup­pe im Bundestag an, sondern ist einer der führenden Köpfe seiner Partei in den Sondierung­en in Berlin – erst für Jamaika, jetzt für die GroKo. Neben Parteichef Horst Seehofer gehört er auch zur engsten Sechserrun­de der Unions- und SPD-Spitzen. Und vor allem: Er ist der „harte Hund“in den Sondierung­sgespräche­n, er schreckt auch vor markigen Worten und Provokatio­nen nicht zurück. Oft wurde spekuliert, es gebe eine Absprache: Seehofer solle eher diplomatis­ch agieren, Dobrindt die knallharte CSU-Linie vertreten. Auch vor den Sondierung­en mit der SPD ist es so: Dobrindt tritt immer ein wenig schärfer, ein bisschen weniger kompromiss­bereit auf als Seehofer.

Die diesjährig­e Winterklau­sur in Seeon war Dobrindts erste als Landesgrup­penchef – und doch drängt sich die Frage auf: War es möglicherw­eise schon seine letzte? Was, wenn Dobrindt doch in ein mögliches neues schwarz-rotes Kabinett wechseln muss, will, wird? Vor allem aber gilt Dobrindt als Kandidat für Seehofers Nachfolge als Parteichef, wenn der irgendwann auch diesen Posten abgibt. Bayerische­r Ministerpr­äsident soll in wenigen Wochen Markus Söder werden, als Parteivors­itzender aber hat sich Seehofer auf dem Parteitag im Dezember nochmals für zwei Jahre wählen lassen.

Aber ob er wirklich bis zur nächsten regulären Vorstandsw­ahl bleibt? Längst kursieren in der CSU Szenarien, wonach Seehofer schon in wenigen Monaten ganz abtreten könnte: Wenn eine neue schwarz-rote Koalition steht – oder es zur Neuwahl kommt. Dann schlüge wohl Dobrindts Stunde. Söder will und muss sich auf Bayern konzentrie­ren. Der Niederbaye­r Manfred Weber hat als EVP-Fraktionsc­hef im Europaparl­ament alle Hände voll zu tun. Und es zählt Seehofers Argument, dass der nächste Parteivors­itzende in Berlin sitzen müsse. Dobrindt als Parteiund Landesgrup­penchef – durchaus vorstellba­r.

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FOTO: GEBERT/DPA Alexander Dobrindt ist der Mann für die markigen Sprüche in der CSU.

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