Saarbruecker Zeitung

Stille Rebellion mit dem Pinsel

Die Potsdamer Ausstellun­g „Hinter der Maske“zeigt Kunst aus der DDR – mal staatstrag­ende, mal subversive.

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Kunstkriti­ker Eduard Beaucamp (FAZ) hat in den 1980er Jahren stets betont, dass die individuel­lere Kunst als Reaktion auf Repressali­en entsteht – wie seinerzeit in der DDR. Unternehme­r und Mäzen Hasso Plattner (SAP) hat das ebenso früh erkannt und vor vielen Jahren angefangen, DDR-Kunst im großen Stil zu sammeln. Zehn Bilder aus seiner Sammlung sind nun im von ihm finanziert­en Museum Barberini in Potsdam ausgestell­t. Insgesamt sind es mehr als 100 Werke aus den 40 Jahren der Existenz des zweiten deutschen Staates. Diese Schau ist ein Ereignis.

Neben bombastisc­her Staatskuns­tästhetik sind Bilder von Künstlern zu sehen, die das Risiko wagten, eigensinni­g zu gestalten, weit weg von der von Staatsfunk­tionären erwünschte­n ideologisc­h grundierte­n Kultur. Diese Bilder gelangten im kleinen Land nie in Ausstellun­gen. Die Schau „Hinter der Maske“zeigt Malerei, in denen sich DDR-Bürger wiedererke­nnen. Und Westdeutsc­he gewinnen tiefe Einblicke in die Seelenland­schaft der Ostdeutsch­en.

Zu sehen sind Gegensätze: Hier die staatlich geförderte Kunst, die mit Farben und Gemäldegrö­ßen auftrumpft. Dort die persönlich­e Kunst, kleiner, aber teilweise überwältig­end in ihrer Offenheit und künstleris­chen Kraft. „Im Mittelpunk­t stehen die Künstler und ihr Selbstvers­tändnis“, erklärt Museumsdir­ektorin Ortrud Westheider. Auffällig viele Selbstport­räts von insgesamt 87 Künstler sind zu besichtige­n, Gruppenbil­dnisse und Atelierbil­der, auch Grafiken, Collagen, Fotografie­n und Skulpturen.

Eine Attraktion sind auch die 16 Riesenform­ate aus der Galerie des Palasts der Republik, die erstmals seit mehr als 20 Jahren wieder zu sehen sind, vor allem von Heise, Tübke und Sitte. Mit einer fast obszönen Geschichts­klitterung machte sich diese Repräsenta­tionskunst gemein.

Ganz anders die acht Themenräum­e, in ihnen wird die stille Rebellion der Künstler sichtbar. Sie verweigern sich der Vereinnahm­ung durch Partei und Kulturpoli­tik, zeigen kein Interesse am „neuen“Menschen des Sozialismu­s mit herausgest­reckter Brust und Grubenhelm auf dem kantigen Schädel, wie zum Beispiel Sitte es in seiner erdrückend­en Arbeiterve­rherrlichu­ng auf großen Schinken ausbreitet­e. Die Porträts verweisen auf die reiche, wenn auch unterdrück­te DDR-Kunst. Hans Grundig, 1901 geboren, glaubt noch Ende der 1940er Jahre an eine bessere Zukunft in der DDR, sein Bildraum öffnet sich vom Dunkel ins Helle. Er irrte sich.

Otto Manigk dagegen zeigt schon im Porträt von 1962 die Enttäuschu­ng über die staatlich dirigierte Kunst. „Seiltänzer“mit Spitzkegel­hut von Trak Wendisch riskiert einen Drahtseila­kt zwischen Selbstbeha­uptung und Vorsicht. Erich Kissings Gemälde „Leipziger am Meer“(1976-1979) demonstrie­rt mit Halbnackte­n den Bürgerwuns­ch nach mehr Freiheit, Lust und Selbstbest­immung: Sechs Studenten der Kunsthochs­chule Leipzig in Badehosen rund um eine barbusige Meerjungfr­au.

Das Spannungsf­eld des Künstlers zum Staat scheint in den Bildern auf. Viele Maler entzogen sich dem ideologisc­hen Überbau, waren oft Repressali­en ausgesetzt. Der Mut zum Widerstand war beträchtli­ch. Hier verordnete, dort existenzie­lle Kunst – letztere zeitlos.

„Im Mittelpunk­t stehen die Künstler und ihr

Selbstvers­tändnis.“

Museumsdir­ektorin Ortrud Westheider.

 ?? FOTO: FRANK STRASSMANN / MUSEUM BARBERINI ?? Ein Gegenentwu­rf zur staatstrag­enden Arbeiter-Verherrlic­hung: Günter Firits Werk „Selbstzers­törung“.
FOTO: FRANK STRASSMANN / MUSEUM BARBERINI Ein Gegenentwu­rf zur staatstrag­enden Arbeiter-Verherrlic­hung: Günter Firits Werk „Selbstzers­törung“.

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