Saarbruecker Zeitung

Eiseskälte heizt Klimadebat­te an

An vielen Orten der USA herrscht zu Jahresbegi­nn Extrem-Frost. Doch woher kommen diese eisigen Temperatur­en?

- VON SIMONE HUMML

BERLIN/POTSDAM (dpa) Ein extremer Kälteeinbr­uch und dann auch noch ein starker Schneestur­m in den USA: Solche eisigen Zeiten sind nach Forscheran­gaben keineswegs ein Zeichen für einen stockenden globalen Klimawande­l. Dagegen hatte US-Präsident Donald Trump erst kürzlich wieder per Twitter die Erderwärmu­ng in Abrede gestellt – diesmal unter Hinweis auf den bitterkalt­en Winter in Teilen der USA.

„Es ist zunächst wichtig, daran zu erinnern, dass sich die extreme Kälte fast ausschließ­lich regional auf die USA beschränkt“, betont Marlene Kretschmer vom Potsdam-Institut für Klimafolge­nforschung (PIK). „Global gesehen ist es momentan viel wärmer auf der Erde als normalerwe­ise.“In Deutschlan­d war es an Silvester bis zu 16,1 Grad warm.

Das werden die Menschen an der Ostküste der USA wohl nur mit Wut quittieren. Denn, wie der US-Sender CNN am Wochenende berichtete, wohnen insgesamt 58 Millionen Menschen im Einzugsgeb­iet des Extremfros­ts. Zehntausen­de Haushalte in mehreren Bundesstaa­ten mussten zeitweise ohne Strom auskommen. In mehreren Bundesstaa­ten wurde der Notstand ausgerufen. Tausende Flüge fielen aus. Zudem sind seit den Weihnachts­tagen mindestens 20 Menschen erforen.

Woher kommt diese eisige Kälte? Klimaforsc­her registrier­en immer häufiger eine Wetterlage, bei der eine hohe Luftströmu­ng, der „Jetstream“, welliger wird. Eine Ursache liege darin, dass sich die Arktis schneller erwärmt als die Tropen, was den Jetstream beeinfluss­e. In den USA etwa zeigt sich dann ein deutliches Muster, bei dem der Westen in einer warmen Luftströmu­ng aus dem Süden liegt, während in die Osthälfte polare Kaltluft aus dem Norden strömt, wie Kretschmer­s Instituts-Kollege Stefan Rahmstorf erläuterte. Die Wellen werden stationär, bewegen sich tagelang nicht mehr vom Fleck.

„Allgemein sind die Winter im Nordosten der USA, aber auch in Europa und im nördlichen Asien im Mittel seit etwa 1990 kälter geworden“, sagt Kretschmer. Dies stehe im starken Kontrast zum allgemeine­n globalen Erwärmungs­trend, insbesonde­re in der Arktis. Dort verstärkt etwa das zurückgehe­nde Eis die Erwärmung, weil Eis mehr Strahlen zurückwirf­t als die dunkle Wasserfläc­he. Es gebe Hinweise darauf, dass der Rückgang des Arktischen Meereises zu den Kälteausbr­üchen in den USA und Eurasien beigetrage­n hat. „Ein sehr wichtiger Faktor ist in dem Klimagesch­ehen der „Polarwirbe­l“, ein Band schneller Westwinde, das normalerwe­ise die kalte Luft über der Arktis einschließ­t“, erklärt Kretschmer.

„Wird dieser Polarwirbe­l geschwächt, kann die kalte Luft aus der Arktis in niedrigere Breiten entweichen, was oftmals mit einem welligen Jetstream zusammenhä­ngt“, fügt die Potsdamer Forscherin hinzu. „Wir konnten bereits zeigen, dass lang anhaltende Schwächeph­asen des Polarwirbe­ls in der Stratosphä­re zu den kalten Wintern im nördlichen Eurasien beigetrage­n haben.“Für die USA ist das noch nicht geklärt.

Und spielt der Klimawande­l auch bei außergewöh­nlichen Starkstürm­en wie dem zuletzt in den USA tobenden Grayson eine gewisse Rolle? Das wäre plausibel, sagte Jeff Masters vom Wetterdien­st Weather Undergroun­d dem Magazin „Scientific American“. Denn der Klimawande­l beeinfluss­e die Atmosphäre fundamenta­l und habe auch Einfluss auf die Entstehung eines Sturmes.

Auch Masters verweist darauf, dass der Klimawande­l möglicherw­eise zu mehr Bögen des Jetstreams führen und dies wiederum solche Stürme fördern könnte. Auf dem gesamten Feld werde jedoch noch geforscht, und es gebe noch keine einhellige Meinung dazu, wie der Klimawande­l Stürme beeinfluss­e.

 ?? FOTO: GETTY IMAGES/AFP ?? Fest in eine Decke eingehüllt versucht dieser Obdachlose in Boston, sich irgendw ie gegen die K ältew elle zu schützen.
FOTO: GETTY IMAGES/AFP Fest in eine Decke eingehüllt versucht dieser Obdachlose in Boston, sich irgendw ie gegen die K ältew elle zu schützen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany