Spannungsgeladene Orgel-Klänge in Saarbrücker Kirche
Der Organist Kay Johannsen begeistert seine Zuhörer in St. Michael mit eigenen Kompositionen und Improvisationen über Weihnachtslieder.
Rücken auf der Chorempore. Das Visuelle macht heute sozusagen einen Schritt zurück und überlässt der Akustik den Vortritt. Und lässt die Zuschauer – pardon – Zuhörer sich ganz auf die Musik konzentrieren.
Die ist bei Johannsen am besten, wenn er seine eigenen Stärken ausspielt: Das Stück, mit dem der Organist und Stiftskantor in Stuttgart den Konzertabend eröffnet, hat dieser selbst komponiert: „Sunshine“. Und ähnlich den ersten Sonnenstrahlen des Tages klingen dann auch die Töne, die Johannsen der historischen Späth-Orgel entlockt: Sehr zart, fast schon zerbrechlich klingen diese. Sphärisch trifft es auch. Und wie die Wärme der aufsteigenden Sonne, gewinnt auch die Komposition immer mehr an Kraft hinzu. Mitunter durch die vermehrt eingesetzten Tiefen, die bis zum finalen Crescendo von „Sunshine“warm und volltönend den Kirchenraum erfüllen.
Nach diesem spannenden Einstand tut man sich schwer mit den darauffolgenden Interpretationen von Johann Sebastian Bach. Zu traditionell, zu barock klingen die vier Stücke, darunter das passend zur Zeit ausgewählte „Das alte Jahr vergangen ist“, was auch die etwas reserviert wirkenden Reaktionen des Publikums widerspiegelt.
Mit der „Symphonie gothique op.70“des französischen Komponisten Charles-Marie Widor folgt ein Stück Musik mit einer gänzlich anderen Klangästhetik - Musik, die das Gegensätzliche verbindet. Die Spannung wird an so mancher Stelle immer weiter erhöht, an anderer Stelle klingt das Stück wieder träumerisch und sanft, und im letzten Satz wird alles miteinander verbunden.
Wieder großartig ist der letzte Teil des Abends: Als freie Improvisationen angekündigt, entpuppen diese sich – passend zum Ende des liturgischen Weihnachtsfestkreises – als Improvisationen bekannter Weihnachtslieder. Darunter „Hört der Engel helle Lieder“, „Herbei, o ihr Gläubigen“und „Es ist ein Ros‘ entsprungen“. Nach dem experimentellen „Sunshine“, Bach und Widor zeigt Johannsen hier erneut seine stilistische Vielfalt, zerlegt die Lieder, fügt sie zu bisher ungehörten Variationen wieder zusammen. Nachdem die letzten lauten Sekunden von „O du fröhliche“verklungen sind, bekommt Johannsen dann auch seinen verdienten Applaus: laut – und da Publikum und er sich nun umgewandt haben – auch von Angesicht zu Angesicht.