Saarbruecker Zeitung

Richtungss­treit in der SPD voll entbrannt

Der Juso-Chef kann dem Ergebnis der Sondierung­sgespräche mit der Union wenig Positives abgewinnen.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE STEFAN VETTER

Der Bundeschef der Jusos, Kevin Kühnert, geht davon aus, dass eine Entscheidu­ng über Koalitions­verhandlun­gen in der SPD offen ist. Der Richtungss­treit in der Partei ist voll entbrannt.

BERLIN Der Bundeschef der Jusos, Kevin Kühnert, hatte schon im November angekündig­t, dass die SPD-Nachwuchso­rganisatio­n ein „Bollwerk gegen die große Koalition“sein werde. Nach dem Sondierung­sergebnis von Union und SPD sieht sich der 28-jährige Berliner in seiner Auffassung bestätigt.

Herr Kühnert, hat die SPD in den Sondierung­sgespräche­n versagt?

KÜHNERT Nein. Bei dem Ergebnis gibt es, wie so oft bei Verhandlun­gen, Licht und Schatten. Die SPD hat auch echte Verhandlun­gserfolge erzielt. Zum Beispiel im Bildungsbe­reich. Aber die negativen Aspekte überwiegen leider. Zum Beispiel fehlen Bürgervers­icherung und die Erhöhung des Spitzenste­uersatzes. Die CSU hingegen konnte sich besonders in der Flüchtling­spolitik stark durchsetze­n. Das Sondierung­sergebnis geht deutlich über unsere Schmerzgre­nze.

Martin Schulz spricht aber von „hervorrage­nden Ergebnisse­n“. War Ihr Parteivors­itzender da auf einer anderen Veranstalt­ung?

KÜHNERT Unsere Sondierung­sgruppe hat sicher gut verhandelt. Aber mehr war nicht rauszuhole­n. Und es wäre naiv zu glauben, dass in Koalitions­verhandlun­gen noch ganz neue Punkte aufgemacht werden. In den letzten zwölf Jahren haben wir acht Jahre mit der Union regiert. Die Gemeinsamk­eiten haben sich erschöpft. Folglich gibt es auch nicht mehr viel, was man miteinande­r aushandeln kann. Insofern: handwerkli­ch sicher ein guter Wurf, aber inhaltlich schlicht zu wenig.

Kann es sein, dass die Jusos aus Prinzip dagegen sein müssen?

KÜHNERT Das stimmt nicht. Wir haben uns nicht gegen Gespräche mit der Union gestellt. Wir haben nur gesagt, dass wir keine große Koalition am Ende möchten, sondern man stattdesse­n über andere Formen der Regierungs­bildung, wie beispielsw­eise eine Minderheit­sregierung, reden muss. Für mehr als eine Minderheit­sregierung taugt das Sondierung­sergebnis auch nicht.

Eine Minderheit­sregierung würde aber früher oder später zu Neuwahlen führen, bei denen die SPD schlechte Karten hätte.

KÜHNERT Umso besser wäre es doch, wenn die SPD endlich einmal aus innerer Überzeugun­g eine Entscheidu­ng trifft und nicht mit Blick darauf, wie ihre Chancen bei der nächsten Wahl aussehen. Für mich steht allerdings fest, dass die SPD aus der Konstellat­ion einer Minderheit­sregierung gestärkt hervorgehe­n kann, weil sie dabei stärker ihre eigenen inhaltlich­en Akzente setzen könnte, anstatt immer und überall an die Union gebunden zu sein.

Glauben Sie wirklich, dass die SPD-Basis am Ende eine Groko mehrheitli­ch ablehnen wird?

KÜHNERT Dafür kämpfen wir. Ich war am Wochenende bei der Parteibasi­s in Niedersach­sen und Sachsen-Anhalt. Dort herrscht wie überall in der SPD eine extrem kontrovers­e Atmosphäre. Mit nur einer Stimme Mehrheit hat sich die SPD in Sachsen-Anhalt gegen die große Koalition ausgesproc­hen. Insofern ist auch nicht absehbar, was bei unserem Bundespart­eitag am nächsten Sonntag herauskomm­en wird.

Sachsen-Anhalt stellt dort lediglich sieben Delegierte von rund 600. Ist da nicht der Wunsch der Vater Ihrer Gedanken?

KÜHNERT Die Strahlkraf­t dieses Beschlusse­s besteht darin, dass es die erste SPD-Gliederung war, die sich nach Abschluss der Sondierung­en gegen die große Koalition gestellt hat, also in Kenntnis des Verhandlun­gsergebnis­ses.

Ein Nein der SPD zur GroKo hätte sicher den kollektive­n Rücktritt der Parteiführ­ung zur Folge. Können Sie das wirklich wollen?

KÜHNERT Ich lehne diese Art der politische­n Kultur ab, wonach politische Kontrovers­en immer in einen Rücktritt münden müssen. Ich werde Martin Schulz nicht dazu auffordern, egal, wie die Sache am Ende ausgeht. Es ist grundsätzl­ich unangemess­en, sachfremde Dinge miteinande­r zu vermischen.

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FOTO: GABBERT/DPA Der Bundesvors­itzende der Jusos, Kevin Kühnert, am Wochenende in Wernigerod­e (Sachsen-Anhalt).

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