Genauer fragen oder gleich röntgen?
Städte und Gemeinden fordern, die Altersfeststellung bei jungen Flüchtlingen bundesweit zu vereinheitlichen.
dieses Jahres habe es 528 junge Flüchtlinge gegeben, bei denen es Zweifel an der Minderjährigkeit gegeben habe. Sie wurden radiologisch untersucht. Ergebnis: 254 wurden als volljährig eingeschätzt. Erst nach der Altersfeststellung werden sie auf andere Bundesländer oder Kommunen im Saarland verteilt. Ähnlich geht auch Hamburg vor.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, hält das Röntgen des Handgelenks ohne medizinische Notwendigkeit für einen „Eingriff in die körperliche Unversehrtheit“. Fachverbände führen an, es sei medizinisch nicht möglich, ein Alter festzustellen. „Experten sind sich einig, dass nur eine grobe Schätzung mit einer Streubreite von mehreren Jahren möglich ist.“Hingegen meint der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Forensische Altersdiagnostik, Andreas Schmeling, zwar könne man nicht das exakte Alter bestimmen, aber der zweifelsfreie Nachweis der Volljährigkeit sei möglich.
Auch wegen der kritischen Haltung in Teilen der Ärzteschaft wenden viele Bundesländer das Röntgen zur Altersfeststellung kaum oder gar nicht an. In Baden-Württemberg etwa meint das Sozialministerium, dass es für eine Röntgenuntersuchung zur Altersbestimmung durch das Jugendamt eine gesetzliche Ermächtigung brauche, die aber fehle. Innenpolitiker verweisen aber darauf, dass es auch noch das Aufenthaltsgesetz des Bundes gibt. Darin steht, dass bei Zweifeln „erforderliche Maßnahmen“zu treffen sind, um das Alter festzustellen. Dazu gehören demnach auch körperliche Eingriffe, wenn keine Nachteile für die Gesundheit zu befürchten sind. Manche Jugendämter halten die aber nicht für nötig. Stuttgart zum Beispiel setzt auf eine genaue Befragung. „Wir glauben, dass wir bei medizinischen Untersuchungen nicht zu anderen Ergebnissen kommen würden.“
Vom Alter hängt viel ab: Unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge brauchen einen Vormund. Sie leben in Familien oder Wohngruppen. Nach
Darstellung des Beigeordneten des Städte- und Gemeindebundes, Lübking, bekommen sie eine pädagogische Betreuung und in der Regel sofort eine Duldung. Damit kommt für sie eine Abschiebung erst einmal nicht infrage. Auch für die Frage der Strafmündigkeit ist das Alter wichtig.
Der Städte- und Gemeindebund fordert daher eine einheitliche, bundesweite Regelung zur Altersfeststellung. „Wir wollen diesen Flickenteppich der Länder nicht.“In der Pflicht ist seiner Meinung nach der Bund, Vorbild ist für ihn das Saarland. „Wir erwarten, dass eine Verteilung von jungen Flüchtlingen auf die Kommunen erst dann stattfindet, wenn ihre Identität geklärt ist – auch das Alter.“