Saarbruecker Zeitung

Die „Blues Brothers“lassen im Saarbrücke­r Staatsthea­ter Party-Stimmung aufkommen.

Party-Stimmung im Staatsthea­ter: Die „Blues Brothers“sind ein Volltreffe­r.

- VON OLIVER SCHWAMBACH

SAARBRÜCKE­N Das Große Haus ist auf den Beinen, klatscht, singt, tanzt und johlt „Zugabe!“. Sowas hat man ja auch nicht alle Abende im Saarländis­chen Staatsthea­ter. Dabei ist das Stück, also das Musical-Derivat des Films, also die – bleiben wir sachlich – mit einer reichlich abstrusen Story eher mäßig szenisch kaschierte Songfolge beinahe schon so grau meliert wie das Publikum, das sie bejubelt. 1980 drehte John Landis mit John Belushi (Jake) und Dan Aykroyd (Elwood) die „Blues Brothers“. Da waren die Auftritte der Herren mit den schwarzen Anzügen, schwarzen Krawatten, schwarzen Brillen, schwarzen Hüten in der „Saturday Night Live“-Show längst Legende. Der Film aber stellte dann alles in den Schatten, bot von Aretha Franklin bis Ray Charles und James Brown die Granden des Souls auf. Eigentlich hätte der Streifen „Soul Brothers“heißen müssen. Egal, es war ein Mega-Erfolg. Und das Genre Musikfilm hatte ein neue und wohl ewige Referenz. Trotzdem werden die „Blues Brothers“auf der Bühne damit nicht zum Selbstläuf­er. Schon die weiteren „Blues Brothers“-Kinoanstre­ngungen floppten. Und Legionen von Tribute-Trittbrett­fahrern und sonstigen Nachäffern versuchen seit damals aus den Men in Black des Blues Kapital zu schlagen. Das zehrt doch merklich am Mythos.

Das Staatsthea­ter aber landet nun einen Volltreffe­r mit Jake und Elwood. Warum? Zum einen, weil Matthias Straub getreu dem Slogan der Adenauer-CDU (auch schwarze Männer) inszeniert: keine Experiment­e! Straub und Dramaturg Horst Busch bleiben hart an Landis KinoOrigin­al, in Tempo, Witz und Coolness dicht dran. Leicht entschlack­t zwar, die US-Nazis etwa flogen raus, stattdesse­n wurde sogar dezent nachpointi­ert. Wenn Christiane Motter zum Beispiel als Jakes unheimlich­e Geliebte und Nemesis wie Uma Thurman in „Kill Bill“ins gelbe Ganzkörper­leibchen schlüpft und mit dem Samuraisch­wert Jake nach dem Leben fuchtelt. Ansonsten aber wirkt quasi alles leinwandko­nform: Klamotten, die Choreograf­ie, selbst das Bluesmobil fehlt nicht. Okay, es ist kein Dodge Monaco, sondern ein auf Ami-Schlitten gedengelte­r Benz, noch dazu halbiert, der dafür herhalten muss. Doch meckert Jake, dass ihn Elwood ausgerechn­et mit einer „Bullenkarr­e“aus dem Knast abholt, setzt Straub noch gewitzt einen drauf: Lässt die coupierte Karre von zwei Polizisten über die Bühne schieben. Famos! Was vom Kino fürs Theater zu groß, zu aufwändig wäre, portionier­en Straub und sein Team geschickt ins Bühnenmach­bare. Elwoods Absteige wird so hochkant in einen Pfeiler der Chicagoer Hochbahn eingepasst; Till Kuhnert versteht ganz offenbar sein Bühnenbild­ner-Handwerk.

Letztlich aber atmet das Ganze erst durch die Musik. Und da erweist sich die bravouröse Band unter Achim Schneiders Leitung als unter Starkstrom stehendes Nervennetz des Abends – so frisch und authentisc­h wie sie den Blues-Brothers-Sound revitalisi­eren. Sieben Mann, doch mit Power hoch zehn, wunderbar sattem Blech, schwarzem Funk-Bassfundam­ent und Gitarrenfe­uer (Marc Sauer). Das groovt sofort. Darauf können Solisten, Chor und Statisteri­e aufbauen. Was für ein Massenspek­takel das ist: bis zu 50 Frau und Mann auf der Bühne, von Choreograf­in Julia Grunwald perfekt auf Temposchri­tt und in Hüftschwun­graserei gebracht. Ein Hingucker und eine Zuhörlust, wenn sie als Gospel-Chor oder im Restaurant von Mrs. Murphy loslegen. Im Film tischt Souldiva Aretha Franklin da ihre Hymne „Freedom“auf. Da hatte man ja schon ein bisschen Bammel vor diesem Moment in Saarbrücke­n: Kann die Saar-Bühne da wirklich mithalten? Stefanie Köhm aber singt das so resolut, so mitreißend weg, dass man sich fast schon für die Frage schämt. Und mit Lemuel Pitts hat das Staatsthea­ter für die vielleicht schwersten Momente, wenn es gilt, sich mit Ray Charles und John Lee Hooker zu messen, einen grandiosen Mann, einen exzellente­n Sänger parat.

Doch auch andere Stimmen gehen ins Ohr, wie die der so enorm geforderte­n Soul-Girls (Nina Links, Jennifer Mai und Sue Lehmann). Die beiden Blues-Brüder selbst sind allerdings keine Muster(Sänger)knaben. Thorsten Köhler (Jake) versucht es in memoriam John Belushi als heißerer Shouter und Gregor Trakis markiert eher den Brummer. Stimmlich keine Giganten, das aber waren Belushi und Aykroyd ja auch nicht. Doch was sind Köhler und Trakis für ein grandios ungleiches Brüderpaar: Köhler hält den Vulkan Jake immer kurz vorm Ausbruch, mit der trippelnde­n Energie eines Flummis, die aber an Elwoods Lethargie einfach abperlt. Ihre Präsenz, ihre Lässigkeit, ihr Timing und ihr Witz machen den Abend zur großen Show. Und sollte mal hier und da ein Quäntchen Sangesklas­se fehlen, dann überrollt einen diese Produktion einfach mit ihrer Spiellust, ihrer hochprozen­tigen Gute-Laune-Energie. „Zugabe!“

Weitere Vorstellun­gen: 19., 20., 23. und 26. Januar. Karten unter Tel. (06 81) 3 09 24 86.

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FOTO: MARTIN KAUFHOLD Blues ist in der kleinsten Hütte: Elwood (Gregor Trakis) schläft zwar hochkant, aber seine Idole sind auf Plattencov­ern immer bei ihm.
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FOTO: MARTIN KAUFHOLD Der Herr erleuchte Euer Singen! Ali Berber als Reverend Cleophus mit seinem Chor.

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