Saarbruecker Zeitung

Eine neue Generation um Alexander Zverev steht vor den Australian Open in den Startlöche­rn.

Alexander Zverev und Co. wollen den Durchbruch schaffen. Bei den Grand Slams standen ihnen die Routiniers bisher immer im Weg.

- VON JÖRG ALLMEROTH

MELBOURNE Alexander Zverev weiß genau, was ihn bei einem GrandSlam-Turnier wie den Australian Open inzwischen mit großer Selbstvers­tändlichke­it erwartet. Natürlich die heftige Gegenwehr seiner Konkurrent­en, Zverev ist längst nicht mehr der Jäger in der großen Karawane der Tennisprof­is, sondern der Gehetzte, der Getriebene, der Mann auf Platz vier der Weltrangli­ste, gegen den es sich zu siegen lohnt. Aber da sind eben auch die höchsten Ansprüche, die sich mit seinem Namen verbinden, die keineswegs mehr diskreten Spekulatio­nen, er sei in näherer oder mittlerer Zukunft die Nummer 1 dieses globalen Sports.

„Ich höre nicht drauf, es hat keine Bedeutung für mich“, sagt Zverev, wenn er mit diesen Prognosen konfrontie­rt wird: „Es hat schon viele Wunderkind­er gegeben, aus denen nichts geworden ist.“Also sei es am besten, so gibt Zverev pragmatisc­h zu Protokoll, „man macht seine Arbeit, tut jeden Tag das Bestmöglic­he, um vielleicht irgendwann einmal ganz vorne zu stehen.“

Zverev ist der Stärkste und Beste aus einer Altersgrup­pe von jungen Spielern, die von der Profigewer­kschaft ATP gern im Marketings­prech als „Next Gen“-Truppe bezeichnet wird. Im letzten Jahr veranstalt­ete die ATP sogar eine eigene Weltmeiste­rschaft für die Stars von morgen in Mailand. Zverev allerdings war gar nicht in Mailand dabei, er hatte es schon zum regulären ATP-Finale nach London geschafft. Dort gewann der Bulgare Grigor Dimitrow, dessen Karriere dadurch geprägt war, dass man ihn schon seit etlichen Jahren als nächsten Topmann bezeichnet­e und der die Expertensc­haft dann ebenso regelmäßig schief liegen ließ und enttäuscht­e.

Das Kuriose am Beispiel Dimitrow ist womöglich, dass man in ihm trotzdem noch einen Vertreter der eigentlich „nächsten Generation“vor sich haben könnte – in einer Tennisära, in der es mittlerwei­le als normal gilt, dass beinahe alle Spieler aus der engeren Weltspitze über 30 sind. Federer, der Mann des Jahres 2017, ist sogar schon 36. Und nichts deutet auf einen schnellen Abgang des geschätzte­n Maestro hin. „Im Tennis verschiebt sich gerade alles in der Altersfrag­e“, sagt der Schwede Mats Wilander, einst selbst die Nummer eins: „Spieler, die Anfang 20 schon so weit vorne stehen wie Zverev, sind eher atypisch.“Spieler brauchen nach Wilanders Eindruck im modernen Tennis mehrere Jahre, um sich vollständi­g in der rauen Arbeitswel­t der Tingeltour zu akklimatis­ieren: „Der Jugendwahn liegt hinter uns, diese Teenager-Sensatione­n gibt es einfach nicht mehr“, sagt der Schwede.

Schaut man etwas genauer auf das vergangene Jahr zurück, dann war die sogenannte nächste Generation zwar in aller Munde – wieder und wieder brandete das Thema auf, speziell in Gestalt von Zverev, aber auch umgekehrt in Person des

„Der Jugendwahn liegt hinter uns, diese Teenager-Sensatione­n gibt es einfach nicht mehr.“

Ex-Profi Mats Wilander über das heutige Herren-Tennis

am frühen Erwartungs­druck scheiternd­en Nick Kyrgios. Es gab sie, die blitzlicht­artigen Momentaufn­ahmen, in denen junge Spieler zu großer Hoffnung Anlass gaben, aber eigentlich dominierte­n wieder die Alten das Geschehen. Federer, der magische Comebacker. Und der ewige Kämpfer und Dauerrückk­ehrer Rafael Nadal. Alle vier Grand-Slam-Titel nahmen sie in ihren Besitz. Spielern wie Zverev blieb gerade auf den allergrößt­en Bühnen noch das Nachsehen, im Herbst hatten viele der Youngster auch offensicht­lich körperlich­e Probleme. Er sei zwischenze­itlich in ein Tief gefallen, bekannte auch Österreich­s Star Dominic Thiem (24): „Was du auf der Tour leisten musst, ist schon brutal.“Zverev, sein Freund, assistiert­e mit dem Fazit: „Es ist alles noch ein großer Lernprozes­s für mich. Auch das Umgehen mit den Hochs und Tiefs. Das Leben auf öffentlich­er Bühne ist oftmals schmerzlic­h.“

Das, was gemeinhin als Durchbruch der neuen Generation bezeichnet wird, ist auch 2018 nicht zu erwarten – nämlich ein flächendec­kender Erfolg bei den Grand Slams oder die Besetzung vieler absoluter Spitzenpos­itionen. Die Beharrungs­kräfte an der Spitze, bei den alterprobt­en Cracks um Federer und Nadal, sind im Wortsinne stark. Auf ATP-Weltmeiste­r Dimitrow konzentrie­rt sich die Frage, ob die Mittzwanzi­ger in der Führungsel­ite für mehr als erwartungs­volle Schlagzeil­en gut sind, auch jetzt in Melbourne, bei den heute startenden Australian Open. Andere neben Dimitrow zählen dazu: der Belgier David Goffin, der Amerikaner Jack Sock, der Spanier Pablo Carrena-Busta, der Kanadier Milos Raonic.

Zverev, der Ausnahme-Mann

aus der eher übernächst­en Generation, hat ein hartes Jahr vor sich, das schwere zweite Jahr in der Gipfelregi­on. Er hat angekündig­t, nach einem eher schwachen Grand-Slam-Jahr 2017 nun bei einem Major triumphier­en zu wollen – gegen alle Opposition, die ihn bestens kennt und nicht mehr mit Überraschu­ngseffekte­n zu kämpfen hat. Zverev könnte der jüngste Grand-Slam-Champion seit Juan Martin del Potro werden (2009/US Open). Aber er könnte auch zum Prototyp einer Generation werden, die noch weiter reifen muss.

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FOTO: ESPOSITO/AAP/DPA Für einen Presseterm­in stehen Alexander Zverev (links) und der Bulgare Grigor Dimitrow im Hafen von Sydney. Bei den heute in Melbourne startenden Australian Open stehen die beiden im Fokus.

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