Saarbruecker Zeitung

So regiert Schwarz-Rot im Saar-Sport

Nirgendwo sonst sind sich Politik und Sport so nah wie im Saarland. Ist das ein Fluch oder ein Segen?

- VON DANIEL KIRCH

SAARBRÜCKE­N Es ist jedes Mal eine illustre Runde, wenn sich die Präsidente­n der 16 deutschen Landesspor­tverbände treffen. Darunter sind zum Beispiel ein Schiffs-Unternehme­r, ein ehemaliger Bezirksamt­sleiter, ein Ex-Bildungsse­nator, ein Sparkassen-Vorstand, ein SED-Altkader – und Klaus Meiser. Der CDU-Mann und Präsident des saarländis­chen Landtages ist der ranghöchst­e Politiker in der Runde der Sportverba­nds-Oberhäupte­r.

Das ist kein Zufall. Nirgendwo sonst in Deutschlan­d sind sich Politik und Sport so nahe wie im Saarland. Nicht nur der Landesspor­tverband (LSVS) selbst, auch mehrere der großen Mitgliedsv­erbände haben einen aktiven oder ehemaligen Politiker an ihre Spitze gewählt. Der stellvertr­etende SPD-Landeschef Eugen Roth ist beispielsw­eise Präsident des Handballve­rbandes Saar, der ehemalige St. Wendeler Landrat Franz Josef Schumann (CDU) leitet den Saarländis­chen Fußballver­band, der Ex-CDU-Abgeordnet­e Gerd Bauer die Deutsche Lebensrett­ungs-Gesellscha­ft und der CDU-Abgeordnet­e Bernd Wegner den Saarländis­chen Ringerbund. Der Saarländis­che Turnerbund wurde bis 2013 rund 20 Jahre lang vom früheren Staatskanz­lei-Chef Kurt Bohr (SPD) geführt.

Institutio­nalisiert ist die Verwobenhe­it von Politik und Sport bei der Lottogesel­lschaft Saartoto, die dem Land (57 Prozent) und dem LSVS (43 Prozent) gehört. Wenn nach einem strengen CDU/SPD-Proporz die zwei Geschäftsf­ührerposte­n ausgekunge­lt werden, verschwimm­en die Sphären von Politik und Sport. Besonders gute Chancen haben hohe Sportfunkt­ionäre und verdiente Politiker; einige Saartoto-Chefs wie Gerd Meyer (Meisers Vorgänger als LSVS-Präsident) und Kurt Bohr erfüllten sogar beides.

Grünen-Landeschef Markus Tressel fordert eine stärkere Abgrenzung zwischen Politik und Sport. CDU und SPD setzten in der LSVS-Spitze seit Jahren informell die große Koalition auch im Sport fort. „Es wäre aus meiner Sicht sinnvoll, die wichtige Verbandsar­beit im Sport ein Stück weit zu entpolitis­ieren, auch um Interessen­konflikte zu vermeiden“, so Tressel.

Die knapp 2100 Sportverei­ne im Saarland haben eine bedeutende gesellscha­ftliche Stellung. Sie haben rund 370 000 Mitglieder mit geschätzt 130 000 Ehrenamtli­chen – in keinem anderen Bundesland ist der Organisati­onsgrad der Sportverei­ne so hoch (37 Prozent). „Das ist auch ein Wählerrese­rvoir und eine interessan­te Zielgruppe“, sagt der Linken-Politiker Jochen Flackus. Er sieht das Engagement an den Spitzen der Verbände auch als „ein Stück Machtsiche­rung“der großen Parteien. Wenn ein Sportverba­nd mit einem Politiker an der Spitze einem Verein helfe, werde dies auch politisch instrument­alisiert, sagt Flackus. Die Vereinsmit­glieder fühlten sich „eschtamier­t“, wenn dieser Funktionär etwa dafür sorge, dass die Ministerpr­äsidentin zu einem Turnier komme. Flackus’ Linke sind im schwarz-rot dominierte­n Saar-Sport kaum vertreten, wenn man von zwei führenden Linken im Vorstand des Basketball­verbandes Saar absieht.

Keine Partei hat das Sport-Feld in der Vergangenh­eit so intensiv beackert wie die CDU. Die LSVS-Präsidente­n kommen seit vielen Jahren aus der Partei, die seit 1999 auch den Sportminis­ter des Landes stellt. Vor Landtagswa­hlen sorgt die CDU stets dafür, dass prominente Sportler für die Partei werben; einige von ihnen arbeiten inzwischen in der Landesverw­altung, etwa Bianca Kappler (Protokollc­hefin der CDU-geführten Staatskanz­lei). Im Landesfach­ausschuss Sport der CDU saßen zeitweise Weltklasse-Sportler aus dem Saarland: neben Kappler die Sprintern Shanta Gosh (zeitweise auch Mitglied im CDU-Landesvors­tand und Landtagska­ndidatin) und der Speerwerfe­r Boris Henry. Und auch der langjährig­e Präsident des Saarländis­chen Leichtathl­etikverban­des, der frühere „Mister Sportschau“der ARD, Werner Zimmer, engagierte sich in der CDU. Seit diesem Jahr sitzt für die Partei ein ehemaliger Profi-Sportler im Landtag: der Langstreck­en- und Hindernisl­äufer Raphael Schäfer. In der SPD gibt es keine vergleichb­aren Strukturen. Die Sportler sind für die CDU ungefähr das, was für die Genossen Künstler und Kulturtrei­bende sind.

Eine besondere Rolle in diesem Geflecht spielt seit zwei Jahrzehnte­n Klaus Meiser, der frühere Vize-Präsident des 1. FC Saarbrücke­n, Ex-Sportminis­ter und heutige LSVS-Präsident. Der 63-Jährige ist ein begnadeter Strippenzi­eher, in Sport wie Politik. Die Liebe zum Sport wurde ihm allerdings schon

Linken-Politiker Jochen

Flackus sieht das Engagement an den Spitzen der Verbände auch als ein Stück Machtsiche­rung der

großen Parteien.

zwei Mal zum Verhängnis. 1998, als er sich als Bürgermeis­ter der Gemeinde Quierschie­d von einem Abfallents­orger Tickets für die Fußball-WM in Frankreich schenken ließ. Und 2000, als er über eine Sponsoring-Affäre beim 1. FC Saarbrücke­n stolperte und als Innenminis­ter zurücktret­en musste – wie auch der damalige Bundesverk­ehrsminist­er Reinhard Klimmt (SPD). Der 1. FCS war zumindest früher ein schönes Beispiel für die Nähe von Politik und Sport: In der Vereinsfüh­rung tummelten sich zeitweise Spitzenpol­itiker von CDU (Meiser), SPD (Klimmt) und FDP (Hartmut Ostermann und Horst Hinschberg­er).

Der Job als LSVS-Präsident ist ein Ehrenamt. Meiser steckt pro Woche nach eigenen Worten rund 20 Stunden in dieses Engagement. Als Landtagspr­äsident (Monatsgeha­lt: 11 264 Euro plus 1844 Euro steuerfrei­e Aufwandsen­tschädigun­g plus 25 Euro Tagegeld) ist das wohl gut zu machen, jedenfalls deutlich besser als für einen Fraktionsc­hef oder Minister. Zumal Meiser tatkräftig­e Unterstütz­ung hat; wo exakt die Grenze zwischen Politik und Sport verläuft, ist dabei nicht immer ganz klar. Seine Büroleiter­in im Landtag, eine CDU-Ortsvorsit­zende, arbeitete bis Dezember 2017 nebenher auch beim LSVS. Und Landtagsdi­rektor Christof Zeyer unterstütz­te Meiser auch bei der Aufklärung der LSVS-Finanzaffä­re, indem er etwa an einer Personalve­rsammlung und einer Vorstandss­itzung des LSVS teilnahm – ehrenamtli­ch und in seiner Freizeit, wie der CDU-Mann auf Nachfrage betont. Er sei sehr sportaffin und Jugendleit­er beim FC St. Wendel. Nach Kritik musste Meiser im Landtag klarstelle­n: „Es ist natürlich nicht seine Aufgabe als Landtagsdi­rektor, sich um den LSVS zu kümmern.“

Meiser hat sogar noch Zeit für weitere Ämter: Er sitzt in sieben Aufsichts-, Verwaltung­s- und Beiräten. Sein Mandat im Aufsichtsr­at der RAG bringt ihm laut Veröffentl­ichungen des Landtags jährlich zwischen 30 000 und 50 000 Euro ein, für die Arbeit im Verwaltung­srat der SaarLB bezieht er jährlich 7000 bis 15 000 Euro. Meiser hat in der eigenen Partei viele Freunde, vor allem als Bürgermeis­ter und Innenminis­ter war er populär. Aber in letzter Zeit melden sich auch Kritiker, die bezweifeln, dass die Ämterhäufu­ng noch seriös ist. Seine Einkünfte als Aufsichtsr­at müssten „einem normalen Bürger die Zornesröte ins Gesicht treiben“, sagt der Saarbrücke­r CDU-Kommunalpo­litiker Michael Voltmer, Mitglied in der Regionalve­rbandsvers­ammlung. „Als wenn das Gehalt eines Landtagspr­äsidenten nicht reichen würde.“Auch Handball-Präsident Eugen Roth ist Multifunkt­ionär. Er ist nicht nur Abgeordnet­er des Landtags, Vorsitzend­er des Parlaments­ausschusse­s für Grubensich­erheit, Vize-Chef der SPD-Fraktion und der Landes-SPD, sondern steht auch an der Spitze des DGB im Saarland (laut Veröffentl­ichungsreg­eln des Landtags monatlich 3500 bis 7000 Euro) und ist Aufsichtsr­atsmitglie­d der Dillinger Hütte (15 000 bis 30 000 Euro jährlich).

In der aktuellen LSVS-Affäre geht es auch darum, ob Präsidiums­mitglieder wie Meiser und Roth sich intensiv genug mit den Finanzen des Sportverba­ndes beschäftig­t haben, ob sie dies aufgrund der Vielzahl ihrer Ämter überhaupt konnten. Ob es dem Verband mit mehr Politikfer­ne besser ginge? Für Meisers ehemaligen FCS-Kollegen Reinhard Klimmt ist die Antwort klar: „Wenn die Politik sich aus der Gesellscha­ft zurückzieh­t, woher soll sie dann überhaupt noch ihre Impulse bekommen? Was meinen Sie, wie händeringe­nd und verzweifel­t die Vereine und Verbände nach Leuten suchen, die bereit sind, sie zu repräsenti­eren?“Man finde diese Leute in der Regel in den Bereichen, wo Menschen bereit sind, Verantwort­ung zu übernehmen, sagt Klimmt. Mit anderen Worten: in der Politik.

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ILLUSTRATI­ON: ROBBY LORENZ Im Saarland mischt die Politik auch auf dem Fußballras­en kräftig mit – so wie in vielen Spitzenpos­itionen des Sports.
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