So regiert Schwarz-Rot im Saar-Sport
Nirgendwo sonst sind sich Politik und Sport so nah wie im Saarland. Ist das ein Fluch oder ein Segen?
SAARBRÜCKEN Es ist jedes Mal eine illustre Runde, wenn sich die Präsidenten der 16 deutschen Landessportverbände treffen. Darunter sind zum Beispiel ein Schiffs-Unternehmer, ein ehemaliger Bezirksamtsleiter, ein Ex-Bildungssenator, ein Sparkassen-Vorstand, ein SED-Altkader – und Klaus Meiser. Der CDU-Mann und Präsident des saarländischen Landtages ist der ranghöchste Politiker in der Runde der Sportverbands-Oberhäupter.
Das ist kein Zufall. Nirgendwo sonst in Deutschland sind sich Politik und Sport so nahe wie im Saarland. Nicht nur der Landessportverband (LSVS) selbst, auch mehrere der großen Mitgliedsverbände haben einen aktiven oder ehemaligen Politiker an ihre Spitze gewählt. Der stellvertretende SPD-Landeschef Eugen Roth ist beispielsweise Präsident des Handballverbandes Saar, der ehemalige St. Wendeler Landrat Franz Josef Schumann (CDU) leitet den Saarländischen Fußballverband, der Ex-CDU-Abgeordnete Gerd Bauer die Deutsche Lebensrettungs-Gesellschaft und der CDU-Abgeordnete Bernd Wegner den Saarländischen Ringerbund. Der Saarländische Turnerbund wurde bis 2013 rund 20 Jahre lang vom früheren Staatskanzlei-Chef Kurt Bohr (SPD) geführt.
Institutionalisiert ist die Verwobenheit von Politik und Sport bei der Lottogesellschaft Saartoto, die dem Land (57 Prozent) und dem LSVS (43 Prozent) gehört. Wenn nach einem strengen CDU/SPD-Proporz die zwei Geschäftsführerposten ausgekungelt werden, verschwimmen die Sphären von Politik und Sport. Besonders gute Chancen haben hohe Sportfunktionäre und verdiente Politiker; einige Saartoto-Chefs wie Gerd Meyer (Meisers Vorgänger als LSVS-Präsident) und Kurt Bohr erfüllten sogar beides.
Grünen-Landeschef Markus Tressel fordert eine stärkere Abgrenzung zwischen Politik und Sport. CDU und SPD setzten in der LSVS-Spitze seit Jahren informell die große Koalition auch im Sport fort. „Es wäre aus meiner Sicht sinnvoll, die wichtige Verbandsarbeit im Sport ein Stück weit zu entpolitisieren, auch um Interessenkonflikte zu vermeiden“, so Tressel.
Die knapp 2100 Sportvereine im Saarland haben eine bedeutende gesellschaftliche Stellung. Sie haben rund 370 000 Mitglieder mit geschätzt 130 000 Ehrenamtlichen – in keinem anderen Bundesland ist der Organisationsgrad der Sportvereine so hoch (37 Prozent). „Das ist auch ein Wählerreservoir und eine interessante Zielgruppe“, sagt der Linken-Politiker Jochen Flackus. Er sieht das Engagement an den Spitzen der Verbände auch als „ein Stück Machtsicherung“der großen Parteien. Wenn ein Sportverband mit einem Politiker an der Spitze einem Verein helfe, werde dies auch politisch instrumentalisiert, sagt Flackus. Die Vereinsmitglieder fühlten sich „eschtamiert“, wenn dieser Funktionär etwa dafür sorge, dass die Ministerpräsidentin zu einem Turnier komme. Flackus’ Linke sind im schwarz-rot dominierten Saar-Sport kaum vertreten, wenn man von zwei führenden Linken im Vorstand des Basketballverbandes Saar absieht.
Keine Partei hat das Sport-Feld in der Vergangenheit so intensiv beackert wie die CDU. Die LSVS-Präsidenten kommen seit vielen Jahren aus der Partei, die seit 1999 auch den Sportminister des Landes stellt. Vor Landtagswahlen sorgt die CDU stets dafür, dass prominente Sportler für die Partei werben; einige von ihnen arbeiten inzwischen in der Landesverwaltung, etwa Bianca Kappler (Protokollchefin der CDU-geführten Staatskanzlei). Im Landesfachausschuss Sport der CDU saßen zeitweise Weltklasse-Sportler aus dem Saarland: neben Kappler die Sprintern Shanta Gosh (zeitweise auch Mitglied im CDU-Landesvorstand und Landtagskandidatin) und der Speerwerfer Boris Henry. Und auch der langjährige Präsident des Saarländischen Leichtathletikverbandes, der frühere „Mister Sportschau“der ARD, Werner Zimmer, engagierte sich in der CDU. Seit diesem Jahr sitzt für die Partei ein ehemaliger Profi-Sportler im Landtag: der Langstrecken- und Hindernisläufer Raphael Schäfer. In der SPD gibt es keine vergleichbaren Strukturen. Die Sportler sind für die CDU ungefähr das, was für die Genossen Künstler und Kulturtreibende sind.
Eine besondere Rolle in diesem Geflecht spielt seit zwei Jahrzehnten Klaus Meiser, der frühere Vize-Präsident des 1. FC Saarbrücken, Ex-Sportminister und heutige LSVS-Präsident. Der 63-Jährige ist ein begnadeter Strippenzieher, in Sport wie Politik. Die Liebe zum Sport wurde ihm allerdings schon
Linken-Politiker Jochen
Flackus sieht das Engagement an den Spitzen der Verbände auch als ein Stück Machtsicherung der
großen Parteien.
zwei Mal zum Verhängnis. 1998, als er sich als Bürgermeister der Gemeinde Quierschied von einem Abfallentsorger Tickets für die Fußball-WM in Frankreich schenken ließ. Und 2000, als er über eine Sponsoring-Affäre beim 1. FC Saarbrücken stolperte und als Innenminister zurücktreten musste – wie auch der damalige Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt (SPD). Der 1. FCS war zumindest früher ein schönes Beispiel für die Nähe von Politik und Sport: In der Vereinsführung tummelten sich zeitweise Spitzenpolitiker von CDU (Meiser), SPD (Klimmt) und FDP (Hartmut Ostermann und Horst Hinschberger).
Der Job als LSVS-Präsident ist ein Ehrenamt. Meiser steckt pro Woche nach eigenen Worten rund 20 Stunden in dieses Engagement. Als Landtagspräsident (Monatsgehalt: 11 264 Euro plus 1844 Euro steuerfreie Aufwandsentschädigung plus 25 Euro Tagegeld) ist das wohl gut zu machen, jedenfalls deutlich besser als für einen Fraktionschef oder Minister. Zumal Meiser tatkräftige Unterstützung hat; wo exakt die Grenze zwischen Politik und Sport verläuft, ist dabei nicht immer ganz klar. Seine Büroleiterin im Landtag, eine CDU-Ortsvorsitzende, arbeitete bis Dezember 2017 nebenher auch beim LSVS. Und Landtagsdirektor Christof Zeyer unterstützte Meiser auch bei der Aufklärung der LSVS-Finanzaffäre, indem er etwa an einer Personalversammlung und einer Vorstandssitzung des LSVS teilnahm – ehrenamtlich und in seiner Freizeit, wie der CDU-Mann auf Nachfrage betont. Er sei sehr sportaffin und Jugendleiter beim FC St. Wendel. Nach Kritik musste Meiser im Landtag klarstellen: „Es ist natürlich nicht seine Aufgabe als Landtagsdirektor, sich um den LSVS zu kümmern.“
Meiser hat sogar noch Zeit für weitere Ämter: Er sitzt in sieben Aufsichts-, Verwaltungs- und Beiräten. Sein Mandat im Aufsichtsrat der RAG bringt ihm laut Veröffentlichungen des Landtags jährlich zwischen 30 000 und 50 000 Euro ein, für die Arbeit im Verwaltungsrat der SaarLB bezieht er jährlich 7000 bis 15 000 Euro. Meiser hat in der eigenen Partei viele Freunde, vor allem als Bürgermeister und Innenminister war er populär. Aber in letzter Zeit melden sich auch Kritiker, die bezweifeln, dass die Ämterhäufung noch seriös ist. Seine Einkünfte als Aufsichtsrat müssten „einem normalen Bürger die Zornesröte ins Gesicht treiben“, sagt der Saarbrücker CDU-Kommunalpolitiker Michael Voltmer, Mitglied in der Regionalverbandsversammlung. „Als wenn das Gehalt eines Landtagspräsidenten nicht reichen würde.“Auch Handball-Präsident Eugen Roth ist Multifunktionär. Er ist nicht nur Abgeordneter des Landtags, Vorsitzender des Parlamentsausschusses für Grubensicherheit, Vize-Chef der SPD-Fraktion und der Landes-SPD, sondern steht auch an der Spitze des DGB im Saarland (laut Veröffentlichungsregeln des Landtags monatlich 3500 bis 7000 Euro) und ist Aufsichtsratsmitglied der Dillinger Hütte (15 000 bis 30 000 Euro jährlich).
In der aktuellen LSVS-Affäre geht es auch darum, ob Präsidiumsmitglieder wie Meiser und Roth sich intensiv genug mit den Finanzen des Sportverbandes beschäftigt haben, ob sie dies aufgrund der Vielzahl ihrer Ämter überhaupt konnten. Ob es dem Verband mit mehr Politikferne besser ginge? Für Meisers ehemaligen FCS-Kollegen Reinhard Klimmt ist die Antwort klar: „Wenn die Politik sich aus der Gesellschaft zurückzieht, woher soll sie dann überhaupt noch ihre Impulse bekommen? Was meinen Sie, wie händeringend und verzweifelt die Vereine und Verbände nach Leuten suchen, die bereit sind, sie zu repräsentieren?“Man finde diese Leute in der Regel in den Bereichen, wo Menschen bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, sagt Klimmt. Mit anderen Worten: in der Politik.