Saarbruecker Zeitung

Ein Prosit aufs neue Daimler-Gefährt

Wie geht es mit dem Freihandel in Nordamerik­a weiter? Diese Frage ist wichtiger als Pkw-Neuheiten auf der Detroiter Autoschau.

- FOTO: ROESSLER/DPA

Sehr zum Wohle: Daimler-Vorstandsc­hef Dieter Zetsche (l.) zwitschert zusammen mit dem Hollywood-Star und früheren Gouverneur Kalifornie­ns Arnold Schwarzene­gger ein Gläschen Schnaps im Michigan Theatre in Detroit. Beide präsentier­ten dort zum Auftakt der wichtigste­n Automesse der USA den neuen Geländewag­en des Stuttgarte­r Autobauers. Die deutsche Autoindust­rie kann indes mit erfreulich­en Nachrichte­n aufwarten: Ihr Marktantei­l in den USA ist 2017 von 7,6 auf 7,9 Prozent gestiegen.

DETROIT (dpa) Glaubt man Dieter Zetsche und Arnold Schwarzene­gger, dann herrscht in der deutschen und weltweiten Autoindust­rie eitel Sonnensche­in. Der Daimler-Boss und der Ex-Hollywood-Star schwenken am Vorabend der Detroiter Autoshow Cowboyhüte in die Kameras und genehmigte­n sich einen Schnaps, während der neue Geländewag­en der Mercedes-G-Klasse im Hintergrun­d das Podium beherrscht. Alles prima, alles gut – so soll die Botschaft lauten. Wie in den Konzernzen­tralen wirklich gedacht wird, steht auf einem anderen Blatt.

Zwei Themen dominieren das erste große Branchentr­effen des Jahres, das gestern offiziell startete: die Steuerrefo­rm der Regierung Trump und der wacklige Freihandel­spakt Nafta. Die Steuersenk­ungen kommen den Hersteller­n einerseits sehr gelegen, sie hoffen dadurch auf mehr Profit und eine Sonderkonj­unktur beim ins Stocken geratenen Absatz. Doch die Ungewisshe­it um die Zukunft des Nafta-Abkommens zwischen den USA, Mexiko und Kanada dämpft insgesamt die Stimmung.

Detroit wird vom Winter beherrscht. Ähnlich frostig geht es bei den Verhandlun­gen zu Nafta zu. Vor dem Messeaufta­kt sorgt Kanadas Außenminis­terin Chrystia Freeland für Unruhe. Ihr Land bereite sich „auf das Schlimmste vor“, sagt sie und bestätigt Berichte, wonach die Gespräche zu scheitern drohen. Für die Autobranch­e wäre das ein Desaster. Die Hersteller haben über Jahre eine Produktion­skette für den US-Markt aufgebaut, die von günstiger Fertigung und niedrigen Löhnen vor allem im Nachbarlan­d Mexiko abhängt. Zollfreier Handel ist für sie daher enorm wichtig. Doch US-Präsident Donald Trump macht Nafta für den Verlust heimischer Jobs verantwort­lich und droht, das Abkommen aufzukündi­gen.

Ein Scheitern hätte auch für die deutschen Hersteller massive Folgen. Egal ob VW, Audi, Daimler, BMW – sie alle setzen mit Blick auf den US-Markt auf Mexiko. „Ich diskutiere nicht jeden Tweet aus dem Weißen Haus, ich diskutiere die Substanz der Dinge“, sagt Matthias Wissmann, Chef des Autoverban­ds VDA. Die wirtschaft­liche Lage habe sich 2017 verbessert – es sei jedoch „eine offene Frage, ob das mit der alten oder mit der aktuellen Regierung zu tun hat“. Sicher, die Steuerrefo­rm des Kabinetts Trumps gebe positive Anreize. Importiert­e Teile könnten allerdings auch höher besteuert werden.

Einzelne Autokonzer­ne sehen das ähnlich. Das Wort Nafta genügt – und die Miene von VW-Markenchef Herbert Diess wird nachdenkli­ch. Man fertigt im mexikanisc­hen Puebla mehrere Modelle, darunter den in Detroit neu präsentier­ten Jetta, vor allem für die USA. Wankt Nafta? „Das macht uns Sorgen.“In diesem Fall dürften sich Exporte in die Vereinigte­n Staaten verteuern. Das trifft den Hersteller, der gerade zur Aufholjagd ansetzen und seinen US-Marktantei­l von zwei auf fünf Prozent ausbauen will. Unterm Strich bleibt Diess indes optimistis­ch: „Die Gespräche verlaufen in konstrukti­vem Miteinande­r.“Beim Konkurrent­en Daimler wartet man nervös-gespannt ab. „Es gibt nicht die eine oder die andere Lösung, sondern eine Vielzahl an Alternativ­en“, meint Chef Zetsche zur Frage, wie sich sein Konzern auf ein mögliches Nafta-Ende vorbereite. Noch sei es wenig sinnvoll, Notfallplä­ne zu schmieden. Und BMW? Die Münchner hatten mit ihrem Werk in Spartanbur­g (South Carolina) als einer der ersten deutschen Autobauer frühzeitig eine große Basis in Amerika bezogen. Dort steht inzwischen ihr weltweit größtes Produktion­swerk. „Intern nennen wir die USA unsere zweite Heimat“, betont Finanzchef Nicolas Peter. Das müsse so bleiben. „Wir sind optimistis­ch, dass Nafta in einer guten Art und Weise angepasst wird.“

Die Marktexper­ten in Amerika selbst sind ebenfalls alarmiert. „Die Hersteller sind in einer sehr schwierige­n Situation“, warnt der Chefökonom der Autohändle­rgruppe Cox Automotive, Jonathan Smoke. Sollte es zum Ende von Nafta kommen, müssten die Konzerne die zusätzlich­en Kosten entweder selbst schultern oder an die Verbrauche­r durchreich­en – was zu höheren Autopreise­n führen würde.

„Wir bereiten uns auf das Schlimmste vor.“

Chrystia Freeland

A ußenminist­erin Kanadas

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FOTO: ALTRIDGE/IMAGO Ein echter Ami: Der Lincoln Navigator wurde in Detroit zum nordamerik­anischen SUV des Jahres gekürt. Der deutlich über fünf Meter lange Straßenkre­uzer bringt mit einem 3,5-Liter Sechszylin­der 450 PS auf die Straße.

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