Stuttgarter Konfetti-Verbot lässt Saar-Narren eher kalt
Urteil des Bundesverfassungsgerichts könnte weitreichende Folgen haben.
STUTTGART/SAARBRÜCKEN (kes) Sie können alles, außer Hochdeutsch – und offenbar außer Fastnacht. Alarm bei den Schwaben: Die Landesregierung verbietet dem Stuttgarter Umzug am Fasnetsdienstag (Faasenddienstag), Konfetti zu werfen. Zumindest auf knapp 100 Metern am Schlossplatz gilt das Verbot. Begründung: Das historische Pflaster dort ist nur (zu) teuer zu reinigen. Also schnipselfrei und Spaß dabei.
Kein Einzelfall. Auch in Düsseldorf herrscht Konfetti-Bann, wegen Rutschgefahr. Muss also auch das Saarland handeln? „Ach Gott“, entfährt es dem Chef der Saar-Karnevalisten, Hans-Werner Strauß. Als früherer Leiter eines Bauhofs wisse er zwar auch, dass Konfetti der Stadtreinigung keine Gaudi macht. Aber mit dem generellen Hang zum Verbieten „muss auch mal Schluss sein“. Konfetti sei bei Saar-Umzügen zudem gar nicht so in Mode. Anders Guddsje, die ja als Wurfgeschosse noch viel riskanter sind. Aber keine Angst. Für die Vereine gebe es Richtlinien zum besonnenen Werfen. Alleh hopp dann.
KARLSRUHE (afp) Das Bundesverfassungsgericht prüft morgen, ob die bundesweit 650 000 beamteten Lehrer ebenso für höhere Einkommen und bessere Arbeitsbedingungen streiken dürfen wie ihre 200 000 angestellten Kollegen. Laut Grundgesetz gilt für Beamte ein generelles Streikverbot. In den Ausgangsfällen wurden deshalb vier beamtete Lehrer aus Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein disziplinarisch verfolgt, weil sie sich an Streiks der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft beteiligt hatten.
Für Innenminister Thomas de Maizière (CDU) ist das Streikverbot „für die Handlungsfähigkeit des Staates von großer Bedeutung, wenn man auch in Zukunft will, dass der öffentliche Dienst zuverlässig in jeder Situation da ist“. Das Verbot ist laut Artikel 33 des Grundgesetzes zwar ein Kernbestandteil der sogenannten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums. Doch ob dieser eherne Grundsatz weiterhin Bestand haben kann, wird von immer mehr Juristen bezweifelt. Sie verweisen unter anderem auf zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) von 2008 und 2009 zum Streikrecht türkischer Beamter.
Darin bezeichneten die Straßburger Richter die Koalitionsfreiheit und damit auch das Streikrecht mit Verweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention als ein Menschenrecht, das den Beschäftigten nicht einfach mit Verweis auf einen Beamtenstatus abgesprochen werden könne. Einzige Ausnahme seien Beamte, die wie Polizisten, Justiz- und Finanzbeschäftigte oder Soldaten hoheitlich tätig sind. Das Bundesverwaltungsgericht entschied dann 2014, dass das Streikverbot zwar grundgesetzkonform sei, außerhalb der hoheitlichen
Thomas de Maizière (CDU) Staatsverwaltung aber gegen die Menschenrechtskonvention verstoße. Die Leipziger Richter forderten den Gesetzgeber auf, den Widerspruch von Menschenrechtskonvention und Grundgesetz aufzulösen. Dies geschah bislang noch nicht.
Ob die Verfassungshüter die Rechtsauffassung des EGMR teilen, ist völlig offen. Einerseits gelten entsprechende Urteile hierzulande nur wie einfaches Recht und wären damit den Vorgaben des Grundgesetzes untergeordnet. Andererseits handelt es sich bei der Menschenrechtskonvention um einen von der Bundesrepublik ratifizierten Vertrag. Das in ihrem Artikel 11 geschützte Streikrecht hat damit einen völkerrechtlich verbindlichen Charakter. Um Widersprüche zwischen völkerrechtlichen Vorgaben und innerstaatlichem Recht möglichst zu vermeiden, forderte Karlsruhe in einem Leiturteil vom Oktober 2004, innerstaatliches Recht „völkerrechtskonform“auszulegen. Auch diesen Punkt wird das Verfassungsgericht morgen eigens prüfen.
Sollten die Verfassungshüter Lehrern nicht nur kleinere Zugeständnisse zur Koalitionsfreiheit machen und die Auffassung des EGMR zum Streikrecht teilen, hätte dies für das Berufsbeamtentum weitreichende Folgen: Nicht nur beamtete Lehrer, sondern bundesweit alle Beamte, die nicht hoheitlich tätig sind, könnten damit künftig streiken. Darauf, dass diese neue Freiheit dann aber Konsequenzen an anderer Stelle haben könnte, wies bereits das Bundesverwaltungsgericht hin. „Die Zuerkennung eines Streikrechts“könnte etwa Änderungen günstiger Regelungen im Besoldungsrecht nach sich ziehen, heißt es in der Entscheidung.
Solch eine Konsequenz ist nachvollziehbar, denn bislang bringt der Beamtenstatus den Dienstherren viele Vorteile: Sie können wegen der Treuepflicht und dem Streikverbot für ihre Beschäftigten über deren Bezahlung und Arbeitszeiten allein entscheiden. Fällt dies weg, dürften die Ministerien künftig mit spitzem Stift rechnen, innerhalb welcher Finanzgrenzen sich der Beamtenstatus für sie noch lohnt.
„Das Streikverbot ist für die Handlungsfähigkeit
des Staates von großer Bedeutung.“
Bundesinnenminister