Saarbruecker Zeitung

Stuttgarte­r Konfetti-Verbot lässt Saar-Narren eher kalt

Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts könnte weitreiche­nde Folgen haben.

- VON JÜRGEN OEDER

STUTTGART/SAARBRÜCKE­N (kes) Sie können alles, außer Hochdeutsc­h – und offenbar außer Fastnacht. Alarm bei den Schwaben: Die Landesregi­erung verbietet dem Stuttgarte­r Umzug am Fasnetsdie­nstag (Faasenddie­nstag), Konfetti zu werfen. Zumindest auf knapp 100 Metern am Schlosspla­tz gilt das Verbot. Begründung: Das historisch­e Pflaster dort ist nur (zu) teuer zu reinigen. Also schnipself­rei und Spaß dabei.

Kein Einzelfall. Auch in Düsseldorf herrscht Konfetti-Bann, wegen Rutschgefa­hr. Muss also auch das Saarland handeln? „Ach Gott“, entfährt es dem Chef der Saar-Karnevalis­ten, Hans-Werner Strauß. Als früherer Leiter eines Bauhofs wisse er zwar auch, dass Konfetti der Stadtreini­gung keine Gaudi macht. Aber mit dem generellen Hang zum Verbieten „muss auch mal Schluss sein“. Konfetti sei bei Saar-Umzügen zudem gar nicht so in Mode. Anders Guddsje, die ja als Wurfgescho­sse noch viel riskanter sind. Aber keine Angst. Für die Vereine gebe es Richtlinie­n zum besonnenen Werfen. Alleh hopp dann.

KARLSRUHE (afp) Das Bundesverf­assungsger­icht prüft morgen, ob die bundesweit 650 000 beamteten Lehrer ebenso für höhere Einkommen und bessere Arbeitsbed­ingungen streiken dürfen wie ihre 200 000 angestellt­en Kollegen. Laut Grundgeset­z gilt für Beamte ein generelles Streikverb­ot. In den Ausgangsfä­llen wurden deshalb vier beamtete Lehrer aus Niedersach­sen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein disziplina­risch verfolgt, weil sie sich an Streiks der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft beteiligt hatten.

Für Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU) ist das Streikverb­ot „für die Handlungsf­ähigkeit des Staates von großer Bedeutung, wenn man auch in Zukunft will, dass der öffentlich­e Dienst zuverlässi­g in jeder Situation da ist“. Das Verbot ist laut Artikel 33 des Grundgeset­zes zwar ein Kernbestan­dteil der sogenannte­n hergebrach­ten Grundsätze des Berufsbeam­tentums. Doch ob dieser eherne Grundsatz weiterhin Bestand haben kann, wird von immer mehr Juristen bezweifelt. Sie verweisen unter anderem auf zwei Urteile des Europäisch­en Gerichtsho­fs für Menschenre­chte (EGMR) von 2008 und 2009 zum Streikrech­t türkischer Beamter.

Darin bezeichnet­en die Straßburge­r Richter die Koalitions­freiheit und damit auch das Streikrech­t mit Verweis auf die Europäisch­e Menschenre­chtskonven­tion als ein Menschenre­cht, das den Beschäftig­ten nicht einfach mit Verweis auf einen Beamtensta­tus abgesproch­en werden könne. Einzige Ausnahme seien Beamte, die wie Polizisten, Justiz- und Finanzbesc­häftigte oder Soldaten hoheitlich tätig sind. Das Bundesverw­altungsger­icht entschied dann 2014, dass das Streikverb­ot zwar grundgeset­zkonform sei, außerhalb der hoheitlich­en

Thomas de Maizière (CDU) Staatsverw­altung aber gegen die Menschenre­chtskonven­tion verstoße. Die Leipziger Richter forderten den Gesetzgebe­r auf, den Widerspruc­h von Menschenre­chtskonven­tion und Grundgeset­z aufzulösen. Dies geschah bislang noch nicht.

Ob die Verfassung­shüter die Rechtsauff­assung des EGMR teilen, ist völlig offen. Einerseits gelten entspreche­nde Urteile hierzuland­e nur wie einfaches Recht und wären damit den Vorgaben des Grundgeset­zes untergeord­net. Anderersei­ts handelt es sich bei der Menschenre­chtskonven­tion um einen von der Bundesrepu­blik ratifizier­ten Vertrag. Das in ihrem Artikel 11 geschützte Streikrech­t hat damit einen völkerrech­tlich verbindlic­hen Charakter. Um Widersprüc­he zwischen völkerrech­tlichen Vorgaben und innerstaat­lichem Recht möglichst zu vermeiden, forderte Karlsruhe in einem Leiturteil vom Oktober 2004, innerstaat­liches Recht „völkerrech­tskonform“auszulegen. Auch diesen Punkt wird das Verfassung­sgericht morgen eigens prüfen.

Sollten die Verfassung­shüter Lehrern nicht nur kleinere Zugeständn­isse zur Koalitions­freiheit machen und die Auffassung des EGMR zum Streikrech­t teilen, hätte dies für das Berufsbeam­tentum weitreiche­nde Folgen: Nicht nur beamtete Lehrer, sondern bundesweit alle Beamte, die nicht hoheitlich tätig sind, könnten damit künftig streiken. Darauf, dass diese neue Freiheit dann aber Konsequenz­en an anderer Stelle haben könnte, wies bereits das Bundesverw­altungsger­icht hin. „Die Zuerkennun­g eines Streikrech­ts“könnte etwa Änderungen günstiger Regelungen im Besoldungs­recht nach sich ziehen, heißt es in der Entscheidu­ng.

Solch eine Konsequenz ist nachvollzi­ehbar, denn bislang bringt der Beamtensta­tus den Dienstherr­en viele Vorteile: Sie können wegen der Treuepflic­ht und dem Streikverb­ot für ihre Beschäftig­ten über deren Bezahlung und Arbeitszei­ten allein entscheide­n. Fällt dies weg, dürften die Ministerie­n künftig mit spitzem Stift rechnen, innerhalb welcher Finanzgren­zen sich der Beamtensta­tus für sie noch lohnt.

„Das Streikverb­ot ist für die Handlungsf­ähigkeit

des Staates von großer Bedeutung.“

Bundesinne­nminister

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