Saarbruecker Zeitung

Nazi-Schmierere­ien verschande­ln Saarbrücke­n

Ob Eisenbahnd­irektion oder Musikhochs­chule: Schmierere­ien, die nichts mit Kunst zu tun haben, sind ein Ärgernis.

- VON SILVIA BUSS

SAARBRÜCKE­N. Normalerwe­ise sieht das historisch­e Gebäude der Eisenbahnd­irektion, in dem die Deutsche Bahn AG und andere Einrichtun­gen am Hauptbahnh­of residieren, schön und gepflegt aus. Doch vor einigen Wochen hat jemand die Sandstein-Fassade mit den drei Buchstaben A, L und F über die ganze Breite besprüht. Mag sein, er wollte sich als Fan der amerikanis­che Kultserie mit der zotteligen außerirdis­chen Lebensform outen, die seit Freitag wieder im deutschen Fernsehen kommt, vielleicht aber auch nur als Fan seiner selbst.

„Taggen“heißt es im Graffiti-Jargon, wenn jemand sein Namenskürz­el sprüht. „Tags“sind in Mode. Manche sind sehr kunstvoll, andere nur dahin geschluder­t.

Schon immer gab es Sprüher, die mit „Tags“in erster Linie ihr Revier markieren wollen. Ihnen geht es weder um eine subversive Botschaft noch um Kunst, sondern nur darum, sich mit so vielen „Tags“wie möglich im Stadtbild zu verewigen, egal wo. Auch in Saarbrücke­n sieht man solche Schmierere­ien überall: auf Stromkäste­n, Recyclingc­ontainern, an frisch renovierte­n Hauswänden, Schaufenst­erscheiben, Brückenpfe­ilern. Auf einem Altkleider­container des Roten Kreuzes in der Koßmannstr­aße konnte man dieser Tage sogar SS-Runen entdecken, und am Brückenpfe­iler des Kreisels St. Arnual mehrere Hakenkreuz­e.

Gefühlt hat dieses wilde „Taggen“in Saarbrücke­n zugenommen. Oder entsteht dieser Eindruck nur, weil die farbigen Sprüh-Werke in der grauen Jahreszeit mehr auffallen, und weil Büsche und Bäume, die sie sonst kaschieren, derzeit kahl sind? Für die Stadtverwa­ltung sind diese unerwünsch­ten „Schmierere­ien“, die Stadtsprec­her Thomas Blug von Graffiti als Kunstform unterschei­det, auch ein Problem, das hohe Kosten verursacht. 25 000 Euro stelle die Stadt jedes Jahr in den Haushalt, um Schmierere­ien an städtische­n Gebäuden zu beseitigen, außerdem 50 000 Euro für die Versiegelu­ng von Flächen mit Anti-Graffiti-Schutz, teilt Blug mit.

Hinzu kämen weitere Ausgaben für die Beseitigun­g von „Farbbeschä­digungen“in Grünanlage­n, auf Schildern, an Brücken sowie sonstigen Verkehrs- und Sportanlag­en. Die Stadt bemüht sich laut Blug stets darum, die Schmierere­ien schnell zu entfernen, da sie als Zeichen von Verwahrlos­ung weitere ungewünsch­te Folgen nach sich ziehen könnten. Nicht nur weitere „Tags“, sondern auch wilde Müllablage­rungen. Im Jahr 2017 hat die Stadt Blug zufolge rund 50 wilde Graffiti von einer Firma oder städtische­n Hausmeiste­rn entfernen lassen. Im Vergleich zu den Vorjahren sei die Zahl ungefähr gleich geblieben. Illegale Graffiti, die einen „Eingriff an fremdem Eigentum“darstellen, werde übrigens keineswegs nur als Ordnungswi­drigkeit behandelt, sondern als Straftat, betont Blug. Ebenso wie die Deutsche Bahn zeige die Stadtverwa­ltung diese Eingriffe an ihrem Eigentum an. „Privaten Eigentümer­n empfehlen wir auch auf jeden Fall, Anzeige bei der Polizei zu erstatten“, sagt der Stadtsprec­her.

Nimmt man das Anzeigenau­fkommen als Maßstab, so ist das illegale Sprühen in der Kernstadt (Alt-Saarbrücke­n, St. Johann, Malstatt und Burbach) in den vergangene­n Jahren konstant geblieben. Um die 300 Anzeigen habe es 2017 gegeben, sagt Thomas Kasper, stellvertr­etender Leiter des Jugendsach­gebiets bei der Polizeiins­pektion Saarbrücke­nSt. Johann.

Auch die Anzeigen von Hakenkreuz­en oder ähnlichen Zeichen, die als „Verwendung von verfassung­sfeindlich­en Symbolen“nach Paragraph 86a vom Staatsschu­tz verfolgt werden, haben Kasper zufolge nicht zugenommen. Ganze zwei gab es 2017. Voraussetz­ung, um eine Anzeige stellen zu können, ist, dass man geschädigt­er Eigentümer ist und somit ein berechtigt­es Interesse an einer Strafverfo­lgung hat. Doch nicht jeder macht von der Möglichkei­t Gebrauch. Vornehmlic­h seien es Hausverwal­tungen, Autobesitz­er, Eigentümer anderer Fahrzeuge und Private, die den Schaden bei ihrer Versicheru­ng geltend machen wollen, weiß Kasper. Für die Täter haben Anzeigen jedoch selten Folgen. Nur wenn die Polizei Täter auf frischer Tat ertappt, komme es zu Festnahmen, das sei aber selten, sagt Kasper.

Als öffentlich geförderte und beauftragt­e Kunst-Form ist Graffiti zunehmend präsent. Neben Kunstförde­rung oder auch bloß der Verschöner­ung von öden Flächen erhoffen sich die Auftraggeb­er von diesen Wandgestal­tungen oft auch einen Graffiti-Schutz. Denn ein Ehrenkodex der Sprayer-Szene besagt, dass gelungene Werke von Kollegen aus Respekt nicht übersprüht werden. Die Erwartung erfüllt sich nicht immer: Die Musikhochs­chule, die Künstler Reso im Rahmen des Artwalk-Projekts neu gestaltet, ist rundherum schon wieder mit schludrige­n „Tags“verschande­lt.

Auf ein ganz neues Phänomen hat der Saarbrücke­r Blogger Ekkehart Schmidt jetzt aufmerksam gemacht. Auf der für alle freigegebe­nen Fläche am Staden haben Unbekannte über die kunstvolls­ten Werke vor einigen Wochen Worte wie „Negerkunst“, „entartet“und „Kanakenkun­st“gesprüht. Sehr erschrecke­nd finde er es, dass da jemand zur durchaus legitimen Kritik an Kunst ausgerechn­et auf Nazi-Ideologie zurückgrei­fe, schreibt Schmidt in seinem Blog.

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Anmeldung: Tel. (0681) 5004-259 oder E-Mail: gesundheit­skurse@lv-saarland.drk.de FOTOS: BUSS Die Fassade der Musikhochs­chule ist mit hässlichen „Tags“übersät. 300 Anzeigen sind 2017 wegen illegaler Schmierere­ien bei der Polizei eingegange­n.
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Nazi-Symbole wie das Hakenkreuz und die Zahl 88 verschande­ln einen Brückenpfe­iler in St. Arnual.

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