Saarbruecker Zeitung

Immer mehr Flüchtling­e nehmen Kurs auf Spanien

Die Abschrecku­ngspolitik der Regierung in Madrid war lange Zeit effizient. Doch nun landen immer mehr Schiffe an der Küste der Iberischen Halbinsel.

- VON RALPH SCHULZE Produktion dieser Seite: Fatima Abbas, Robby Lorenz Iris Neu-Michalik

Lange Zeit glaubte Spaniens Regierung, dass die große Flüchtling­swelle die spanische Küste niemals erreichen werde. Madrid sah sich als leuchtende­s Beispiel in Europa für eine erfolgreic­he Politik der Grenzabsch­ottung und Abschrecku­ng durch schnelle Abschiebun­g sowie Kooperatio­nsabkommen mit den Herkunftss­taaten. Doch das Rezept scheint plötzlich nicht mehr aufzugehen: Immer mehr Flüchtling­sschiffe kommen auf der iberischen Halbinsel an. 2017 hat sich die Zahl der Bootsmigra­nten, die übers Mittelmeer nach Spanien gelangten, mehr als verdoppelt. Nach Angaben der Internatio­nalen Organisati­on für Migration (IOM) landeten 2017 nahezu 22 000 Bootsmigra­nten in Spanien. Das ist die höchste Zahl, die jemals dort registrier­t wurde. 2016 waren es nur etwa 8000. In Italien und Griechenla­nd sanken die Zahlen dagegen erheblich: In Griechenla­nd von 174 000 im Jahr 2016 auf knapp 30 000 im Jahr 2017. Und in Italien von 181 000 (2016) auf 119 000 (2017).

Gründe für die Verschiebu­ng: Der östliche Mittelmeer­weg nach Griechenla­nd wurde durch das EU-Abkommen mit der Türkei erschwert. Auf der zentralen Route nach Italien ist es ebenfalls wegen der EU-Kooperatio­n mit Libyen komplizier­ter geworden. Deswegen legen nun immer mehr Boote in Algerien und Marokko ab und nehmen Kurs auf die nächstgele­gene Küste – die Küste Spaniens. An der Meerenge von Gibraltar liegen zwischen der marokkanis­chen und der spanischen Küste nur 14 Kilometer. Und noch ein Trendwechs­el zeichnet sich ab: Marokko und Algerien sind nicht nur Transitlän­der, sondern werden zu den wichtigste­n Herkunftsl­ändern der Migration. Es kommen immer mehr Nordafrika­ner nach Europa. 2017 stellten sie schon mehr als 40 Prozent der in Spanien ankommende­n Bootsmigra­nten. Perspektiv­losigkeit und fehlende Freiheiten treiben die jungen Menschen nach Europa.

Die zweite große Flüchtling­sgruppe stammt aus den westafrika­nischen Ländern südlich der Sahara: Elfenbeink­üste, Guinea, Gambia, Kamerun, Burkina Faso, Mauretanie­n und Mali. Auch immer mehr syrische Flüchtling­e, die früher vor allem über die benachbart­e Türkei und Griechenla­nd kamen, schlagen sich bis ins ferne Spanien durch. Sie machen knapp zehn Prozent der dorthin gelangende­n Migranten aus.

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FOTO:AFP/MORENO Hilfe für einen afrikanisc­hen Flüchtling in Gibraltar, nur wenige Kilometer von der spanischen Küste entfernt.

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