Saarbruecker Zeitung

Das Groko-Kreuz der Genossen

Das parteiinte­rne Werben der SPD für die große Koalition geht weiter. Kritiker haben es schwer – und die Union will am Sondierung­spapier „nicht mehr rütteln“.

- VON WERNER KOLHOFF

Die SPD-Linke kann sich bei ihrem Widerstand gegen eine neue große Koalition nicht auf die Gewerkscha­ften berufen. Mit klaren Aussagen für die Aufnahme von Koalitions­verhandlun­gen mischten sich der DGB und die wichtige IG Bergbau, Chemie, Energie am Montag in die Debatte ein. Forderunge­n aus der SPD, über Teile des Papiers nachzuverh­andeln, wiesen CDU und CSU einmütig zurück.

Der DGB-Vorsitzend­e Reiner Hoffmann sagte am Montag, das Groko-Sondierung­spapier enthalte „weit mehr Substanz für Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er“als das Ergebnis der Jamaika-Verhandlun­gen. Hoffmann nannte unter anderem die Stabilisie­rung des Renten-Niveaus auf 48 Prozent, die Erhöhung der Erwerbsmin­derungsren­te und die Rückkehr zur paritätisc­hen Krankenver­sicherung. Der DGB-Chef appelliert­e an die Delegierte­n des SPD-Sonderpart­eitages am kommenden Sonntag in Bonn, den Weg für Koalitions­verhandlun­gen „nicht zu verschließ­en“. Ähnlich äußerte sich der Vorsitzend­e der Industrieg­ewerkschaf­t Bergbau, Chemie, Energie (BCE), Michael Vassiliadi­s. „Das Sondierung­spapier birgt elementare Verbesseru­ngen für die Beschäftig­ten und die soziale Gerechtigk­eit“, so der IG-BCE-Vorsitzend­e. Opposition sei „keine Reha“, in der man nötige programmat­ische Erneuerung­en besser angehen könne. Von „positiven Einzelmaßn­ahmen aus Sicht der Beschäftig­en“sprach auch der Vorsitzend­e der IG Metall, Jörg Hoffmann. Er forderte jedoch Korrekture­n in einigen Bereichen. Auch Verdi-Chef Frank Bsirske sprach von „spürbaren Vorteilen“für Arbeitnehm­er. Die Eindämmung

prekärer Arbeitsver­hältnisse und sachgrundl­oser Befristung­en sowie die Stärkung der Tarifbindu­ng müssten aber in den kommenden Verhandlun­gen noch „deutlich verbessert“werden.

Im Gegensatz dazu lehnt ein Teil der SPD, angeführt von den Jungsozial­isten und den Parteilink­en, eine Groko strikt ab. Der Landesverb­and Thüringen hatte sich bereits vor den Sondierung­en dagegen ausgesproc­hen, Sachsen-Anhalt tat es mit knapper 52 zu 51 Mehrheit am Wochenende. Gestern Abend sprach sich auch die Berliner SPD-Spitze mit 21 zu 8 Stimmen gegen eine Groko aus. Die Sprecherin der Parteilink­en, Hilde Mattheis, sagte, für einen Neuanfang sei „ein klares Nein“nötig. Ein „Hin und Her von Nachverhan­dlungen“werde nicht helfen.

Einige prominente Sozialdemo­kraten warben für Nachverhan­dlungen. Hingewiese­n wurde aus diesem Kreis darauf, dass das Sondierung­spapier an vielen Punkten Details noch nicht geregelt habe, so dass es für Koalitions­verhandlun­gen Spielräume gebe. Die stellvertr­etende Parteivors­itzende Malu Dreyer betonte, Sondierung­en und Koalitions­verhandlun­gen seien unterschie­dliche Paar Schuhe. Ihr Kollege Ralf Stegner meinte, die SPD sollte nur dann eine Koalition mit der Union bilden, wenn die grundlose Befristung von Arbeitsver­trägen abgeschaff­t werde. Der Regierende Bürgermeis­ter von Berlin, Michael Müller, bemängelte die Ergebnisse bei den Themen Wohnen, Zuwanderun­g und Integratio­n. „Die Bürgervers­icherung fehlt ganz. Viel zu tun also.“

Die Union lehnte Nachverhan­dlungen brüsk ab. „Man kann jetzt nicht hinterher das alles wieder in Frage stellen“, sagte CSU-Chef Horst Seehofer vor einer CSU-Vorstandss­itzung, auf der das Sondierung­sergebnis einstimmig gebilligt wurde. Er hoffe, dass SPD-Chef Martin Schulz beim Parteitag Erfolg haben werde. Seehofer: „Wir wollen die große Koalition.“Unions-Fraktionsc­hef Volker Kauder betonte, an dem Verhandlun­gsergebnis gebe es „nichts mehr zu rütteln“. Zusätzlich angeheizt wurde die Debatte durch den Satz des CSU-Landesgrup­penchefs Alexander Dobrindt, Schulz müsse den „Zwergenauf­stand“in seiner Partei in den Griff bekommen. Viele Sozialdemo­kraten reagierten außerorden­tlich empört. Aus der Union war die Sorge zu hören, dass die Stimmung in der SPD gegen die große Koalition kippen könne.

„Wir wollen die große Koalition.“

CSU-Chef Horst Seehofer

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FOTO: KUMM/DPA Wie tief stecken sie in der Klemme? SPD-Chef Martin Schulz und die Fraktionsv­orsitzende Andrea Nahles werben an der Parteibasi­s für die große Koalition mit der Union – alles andere als ein Selbstläuf­er.

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