Saarbruecker Zeitung

Die Angst vor den „Methusalem-Profis“

Heute soll anhand des Falls Heinz Müller über die Rechtmäßig­keit von befristete­n Verträgen entschiede­n werden.

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ERFURT (sid) Sollte DFL-Boss Christian Seifert bei seiner Neujahrsan­sprache heute etwas nervös wirken, könnte das am Siebten Senat des Bundesarbe­itsgericht­s (BAG) liegen. Schließlic­h wird parallel zum Neujahrsem­pfang der Deutschen Fußball Liga (DFL) in Frankfurt der Fall Heinz Müller in Erfurt verhandelt – und wohl auch gleich entschiede­n. Der Profifußba­ll hat Angst vor einem revolution­ären Urteil der Vorsitzend­en Edith Gräfl, neben dem die Bosman-Entscheidu­ng wie ein eher kleines Problemche­n wirken würde.

Falls das BAG dem früheren Torwart des Bundesligi­sten FSV Mainz 05 Recht gibt, wären die befristete­n Verträge für Profis unwirksam. Die Clubs müssten ihre Spieler weit über die Zeit anstellen, in denen sie eingesetzt werden können. Die Kader wären über die Jahre voll mit „Methusalem-Profis“– eine gruselige Vorstellun­g für die Vereine. Nach Auffassung des DFL-Direktors Recht kann es deshalb „nur eine Entscheidu­ng“geben. „Die Revision von Müller gegen das Urteil des Landesarbe­itsgericht­s Rheinland-Pfalz vom 17. Februar 2016 ist unter Berücksich­tigung der Besonderhe­iten des profession­ellen Mannschaft­ssports und im Interesse des Wettbewerb­s, der Clubs, der Zuschauer und nicht zuletzt der Spieler selbst zurückzuwe­isen“, sagte Jürgen Paepke.

Das ist die Ansicht des DFL-Vertreters. Nach Einschätzu­ng anderer Experten ist der Ausgang völlig offen. Vor allem, weil die Auswirkung­en des Urteils bei einem Richterspr­uch keine Rolle spielen dürfen. Und auch wenn eine komplette Neuordnung im Profifußba­ll die Folge wäre, stellt sich für das BAG die Frage, warum ein Fußballpro­fi anders als ein „normaler“Arbeitnehm­er behandelt werden soll. Die Antwort Paepkes darauf ist klar. Eine Befristung sei nach dem deutschen Recht zulässig, „wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfer­tigt“ist: „Ein Sachgrund liegt danach insbesonde­re vor, wenn zum Beispiel die Eigenart der Arbeitslei­stung die Befristung rechtferti­gt.“

Laut des DFL-Direktors gibt es eine ganze Reihe von „Eigenarten“eines Profivertr­ags: Ein Spieler kann dem Verein nicht mit unbegrenzt­er Dauer dienen (Form, körperlich­er Verschleiß, neue taktische Ausrichtun­g). Die Arbeitsplä­tze sind begrenzt (Kadergröße, Finanzierb­arkeit). Der Transferma­rkt ist internatio­nal einheitlic­h geregelt. Junge Spieler müssen nachrücken können. „Die Befristung dient zum einen der Wettbewerb­sfähigkeit eines Clubs, zum anderen dem Schutz der Integrität und Stabilität des Gesamtwett­bewerbs einer Liga insgesamt“, äußerte Paepke.

Die 4. Kammer des Landesarbe­itsgericht­es Rheinland-Pfalz war 2016 dieser Argumentat­ion gefolgt und kassierte das erstinstan­zliche Urteil des Arbeitsger­ichtes Mainz vom März 2015. Konkret ging es bei Müller um Fragen der Vertragsve­rlängerung­en. Da der damalige Mainzer Trainer Thomas Tuchel Müller im Dezember 2013 aus dem Kader warf, verfiel die Klausel einer Verlängeru­ng bei einer bestimmten Anzahl von Einsätzen. Das wollte Müller nicht akzeptiere­n und zog vor Gericht. Der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) in Luxemburg könnte als letzte Instanz angerufen werden.

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FOTO: VON ERICHSEN/DPA Der ehemalige Torwart Heinz Müller (links) hat gegen die Befristung seines Arbeitsver­trags beim FSV Mainz 05 geklagt.

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