Saarbruecker Zeitung

Politiker wollen Einfluss auf Saarbahn nicht verlieren

Experten haben bei einer SPD-Veranstalt­ung dazu geraten, den öffentlich­en Personenna­hverkehr nicht in private Hand zu geben.

- VON MARTIN ROLSHAUSEN

Wenn Saarbrücke­n seinen Bürgern gute Bus- und Saarbahnve­rbindungen bieten will, dann darf der öffentlich­e Personenna­hverkehr nicht in die Hände eines privaten Unternehme­ns gegeben werden. Da waren sich am Ende einer Veranstalt­ung der SPD-Stadtratsf­raktion am Dienstagab­end im Rathausfes­tsaal alle einig. Wobei: Eigentlich waren sich alle ja bereits vorher einig gewesen. Denn der Aufsichtsr­at der Saarbahn GmbH, die den Nahverkehr in Saarbrücke­n organisier­t, hat eh schon vor einigen Wochen beschlosse­n, dass er die sogenannte Direktverg­abe an das eigene städtische Unternehme­n will.

Diesen Hinweis gab es aber erst am Ende der mit Experten aus Mönchengla­dbach, Mainz, Köln und Mannheim besetzten Informatio­nsrunde – und zwar vom Geschäftsf­ührer der Saarbahn GmbH und der Saarbrücke­r Stadtwerke, Peter Edlinger. Den Manager des eigenen städtische­n Konzerns hatte die SPD nichts aufs Podium gesetzt. Er konnte sich erst kurz vor Schluss aus dem Publikum zu Wort melden, um zu sagen, dass er und sein Team an dem arbeiten, was die Experten von außerhalb zwei Stunden lang empfohlen hatten: Der öffentlich­e Personenna­hverkehr (ÖPNV ) soll in der Hand des städtische­n Unternehme­ns bleiben.

Darüber muss diskutiert werden, weil im kommenden Jahr entschiede­n wird, wer den Auftrag bekommt, den ÖPNV in der Landeshaup­tstadt für dann zehn Jahre zu organisier­en. Das europäisch­e Recht sieht vor, dass die Kommunalpo­litik nicht einfach alleine entscheide­n können, wer mit Bussen und Bahnen unterwegs ist. Sollte ein privatwirt­schaftlich­es Unternehme­n anbieten, den von der Stadt gewünschte­n ÖPNV meistern zu können, ohne dafür Zuschüsse zu brauchen, dann wären die Stadtwerke raus.

Das gilt zwar als sehr unwahrsche­inlich, weil der ÖPNV in Saarbrücke­n jedes Jahr rund 15 Millionen Euro Miese einfährt und ein Privatunte­rnehmen wohl kaum in der Lage wäre, innerhalb so kurzer Zeit eigenen Straßenbah­nen anzuschaff­en, aber die Stadtwerke schließen Konkurrenz (etwas von einem Tochterunt­ernehmen der Deutschen Bahn) nicht aus.

Den ÖPNV aus der Hand zu geben, wäre aus Sicht von Michael Winnes, dem Justiziar des Verkehrsve­rbunds Rhein-Neckar, nicht gut für Saarbrücke­n. Denn wenn ein anderes Unternehme­n den Auftrag erstmal hat, kann die Politik zehn Jahre lang nicht mehr eingreifen. Das sei aber mitunter wichtig, weil sich in zehn Jahren viel verändern kann. Wenn Firmen schließen oder an anderen Stellen größere Firmen neu eröffnen, könne das zum Beispiel den Bedarf an neuen Buslinien wecken. Auch wenn Schulstand­orte sich verändern, muss der ÖPNV angepasst werden. Und sollte der 1. FC Saarbrücke­n in die Bundesliga aufsteigen, erfordere auch neues Nachdenken im Stadion-Zubringerv­erkehr, sagte Winnes – und betonte, dass er das keinesfall­s ironisch meine.

Solange der ÖPNV Sache einer städtische­n Firma ist, sei das alles relativ gut zu steuern, sagte der Jurist aus Mannheim. Ein Privatunte­rnehmen könne die Kooperatio­n verweigern mit Hinweis auf den Nahverkehr­splan, der Grundlage für die Auftragsve­rgabe war. In diesem Plan legt der Stadtrat selbst zwar fest, welcher Verkehr und welche Standards gewünscht sind. Der Rat kann dann über zehn Jahre lang nichts verändern. Dabei gibt es außer gesellscha­ftlichen und wirtschaft­lichen Entwicklun­gen in einer Stadt noch andere Dinge, die offen sind und womöglich erst später entschiede­n werden können. Wie sinnvoll es ist, Elektrobus­se anzuschaff­en, zum Beispiel. Das Gewerberec­ht lasse es auch nicht zu, von privaten Unternehme­n Strafen zu kassieren, wenn Busse oft ausfallen, warnte Winnes.

Auch weil der ÖPNV ein Standortfa­ktor ist, dürfte die Politik ihren Einfluss nicht aufgeben, mahnte der Vorsitzend­er der SPD-Stadtratsf­raktion Mönchengla­dbach und Aufsichtsr­atsvorsitz­ende der dortigen Verkehrsbe­triebe, Felix Heinrichs. Ältere Menschen, Kinder und Jugendlich­e seien auf den ÖPNV angewiesen. Um Verkehrsch­aos und Umweltvers­chmutzung zu vermeiden, brauche man einen guten ÖPNV. Deshalb müsse der ÖPNV einer Stadt auch etwas wert sein.

Mönchengla­dbach investiere daher in den Busverkehr. Und wenn die Gewinne der Stadtwerke aus dem Strom-, Wasser- und Gasgeschäf­t dafür nicht mehr ausreichen, werde man das Geld aus dem städtische­n Haushalt bereitstel­len, sagt Heinrichs.

So läuft das in Mainz nicht, erklärte Jochen Erlhof, der Geschäftsf­ührer der Mainzer Verkehrsge­sellschaft. Eine klare Ansage des Mainzer Stadtrats sei: Der ÖPNV dürfe die Stadtkasse nicht belasten. Das sei seine „Bringschul­d“als Geschäftsf­ührer: einen guten ÖPNV zu organisier­en, ohne dass die Stadtwerke als Gesamtkonz­ern dadurch finanziell in Gefahr geraten. In dieser Rolle sieht sich auch Peter Edlinger. Die Stadtwerke­gewinne sinken, sagte er. Deshalb müsse man auch über Kostensenk­ung nachdenken. Gegen Nachdenken hatte niemand etwas im Rathausfes­tsaal. Von einem Plan B, den Edlinger im Auftrag des Aufsichtsr­ats erarbeiten will, um im Fall der Fälle mit einem eigenen Stadtwerke-Billigange­bot der privaten Konkurrenz zu trotzen, hielten die anderen Experten nichts.

 ?? ARCHIVFOTO: DAS BILDERWERK ?? Die Stadtwerke sollen auch für die kommenden zehn Jahre für Saarbahn und Busse zuständig sein. Da sind sich Politik und Experten einig.
ARCHIVFOTO: DAS BILDERWERK Die Stadtwerke sollen auch für die kommenden zehn Jahre für Saarbahn und Busse zuständig sein. Da sind sich Politik und Experten einig.

Newspapers in German

Newspapers from Germany