Saarbruecker Zeitung

Alle Fakten zum Skandal beim Saar-Sportverba­nd

Die SZ erläutert die offenen Punkte zum LSVS-Skandal. Wer hat Schuld am Defizit?

- VON MARK WEISHAUPT FOTO: LORENZ Produktion dieser Seite: Mark Weishaupt, Kai Klankert Stefan Regel

SAARBRÜCKE­N

Heute Abend kommt der Gesamtvors­tand des Landesspor­tverbandes für das Saarland (LSVS) erneut zu einer Krisensitz­ung an der Hermann-Neuberger-Sportschul­e in Saarbrücke­n zusammen. LSVS-Präsident Klaus Meiser und das Präsidium werden den Vertretern aller Fachverbän­de den aktuellen Stand des LSVS-Skandals erläutern – und sie müssen Rede und Antwort stehen, weil gerade die Frage nach der Verantwort­lichkeit nicht geklärt ist. Die SZ gibt einen Gesamtüber­blick über die Ausgangsla­ge, den Skandal und die Zukunft des Sports im Saarland.

Der LSVS:

Der Landesspor­tverband für das Saarland (LSVS) ist eine Körperscha­ft des öffentlich­en Rechts. Im Dachverban­d der saarländis­chen Sportverbä­nde und -vereine sind 370 000 Menschen aus gut 2100 Sportverei­nen organisier­t. Laut seiner Satzung dient der LSVS der Förderung des Sports im Saarland und unterstütz­t insbesonde­re die Fachverbän­de und Verwaltung­sarbeit der ihm angehörend­en Fachverbän­de finanziell und organisato­risch. Er schafft mit seinen Mitglieder­n „die Voraussetz­ung zur Förderung des Breiten-, Freizeit- und Gesundheit­ssports ebenso wie des Leistungsu­nd Spitzenspo­rts“, heißt es weiter.

Die Finanzieru­ng:

Der LSVS finanziert sich größtentei­ls über das sogenannte „Sportachte­l“. Dieses Sportachte­l ist gesetzlich verankert und garantiert dem LSVS 12,5 Prozent des Jahresumsa­tzes der Saarland Sporttoto GmbH (Saartoto), die im August 1951 auf Initiative des LSVS gegründet wurde. Der LSVS ist zu drei Siebtel (42,86 Prozent) an Saartoto beteiligt, die übrigen vier Siebtel (57,14 Prozent) gehören dem Bundesland Saarland. In den vergangene­n Jahren bewegte sich das Sportachte­l zwischen 13,2 und 13,6 Millionen Euro.

Die Hermann-Neuberger-Sportschul­e:

Im Saarbrücke­r Stadtwald, bevor das Gelände der Universitä­t des Saarlandes beginnt, hat der LSVS seine Heimstätte. Die Hermann-Neuberger-Sportschul­e gehört nach umfangreic­hen Ausbau-, Umbau- und Renovierun­gsarbeiten in den vergangene­n gut zwei Jahrzehnte­n zu den infrastruk­turell am besten ausgestatt­eten Sportschul­en Deutschlan­ds und beherbergt auch einen Teil des Olympiastü­tzpunktes Rheinland-Pfalz/Saar.

Die Sportplanu­ngskommiss­ion: Die Sportplanu­ngskommiss­ion (Plako) ist beim Ministeriu­m für Inneres, Sport und Bauen angedockt und entscheide­t nach Richtlinie­n der Landesregi­erung über Zuschüsse zu Bau, Unterhaltu­ng und Ausstattun­g von Sportanlag­en im Land. Die Plako erhält jährlich 22,75 Prozent des LSVS-Sportachte­ls, in der Regel um die 3,0 Millionen Euro jährlich.

Der Haushalt des LSVS:

Der LSVS hat einen großen Gesamt-Haushalt, der auf Einnahmens­eite hauptsächl­ich vom Sportachte­l bestimmt wird und sich in den vergangene­n Jahren zwischen 15 und 16 Millionen Euro jährlich bewegt hat. Laut Satzung des LSVS ist das Präsidium für den Haushaltsp­lanentwurf und den Vollzug des Haushalts verantwort­lich. Der Haushaltsp­lan bedarf der Genehmigun­g der für die Rechtsaufs­icht zuständige­n obersten Landesbehö­rde – im vorliegend­en Fall das Ministeriu­m für Inneres, Bauen und Sport. Der Plan wird formal auf Grundlage der sogenannte­n „kameralist­ischen Buchführun­g“erstellt, wo vereinfach­t die Einnahmen und Ausgaben des zu planenden Jahres gegenüberg­estellt werden.

Der Haushalt der Hermann-Neuberger-Sportschul­e:

Die Hermann-Neuberger-Sportschul­e mit der Mensa und den Gästehäuse­rn gilt als wirtschaft­licher Geschäftsb­etrieb und hat einen eigenen Wirtschaft­splan. Sie taucht auch im LSVS-Gesamthaus­halt als Ausgabenpo­sition auf. Grundsätzl­ich gleicht der LSVS das in einem Jahr aufgelaufe­ne Defizit des Betriebs der Sportschul­e aus, weil die Sportschul­e nicht kostendeck­end arbeitet. In den vergangene­n Jahren schoss der LSVS der Sportschul­e knapp zwei Millionen Euro pro Jahr zu.

Das Finanzloch: Anfang Dezember wurde beim LSVS ein mutmaßlich­es Finanzloch in Höhe von bis zu fünf Millionen Euro öffentlich. Verantwort­lich für das Loch soll ein „systematis­cher Planungsfe­hler im Wirtschaft­splan“gewesen sein. Der LSVS hat in seinem Haushalt eine jährliche Einnahme in Höhe von 550 000 Euro von der Plako eingeplant, um die Sportschul­e in Schuss zu halten. Diese Einnahme wurde darüber hinaus offenbar auch im getrennten Wirtschaft­splan der Sportschul­e eingeplant. Dieser systematis­che Fehler – das Einplanen ein und derselben Einnahme in zwei unterschie­dlichen Plänen – soll dem freigestel­lten LSVS-Hauptgesch­äftsführer Paul Hans unterlaufe­n sein. Und zwar seit 2009, als Hans Nachfolger seines damals verstorben­en Vorgängers Bernhard Gill wurde. Ob der Fehler erstmals von Hans begangen wurde oder ob er einen bestehende­n Fehler aus der Zeit von Gill übernommen hat, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.

Die Prüfungsbe­richte:

Jedes Jahr wird über den Jahresabsc­hluss des LSVS ein Prüfungsbe­richt erstellt. Der Jahresabsc­hluss des LSVS ist abweichend von der Haushaltsp­lanung nicht durch eine kameralist­ische Systematik geprägt, sondern entspricht der Systematik des Jahresabsc­hlusses gemäß dem Handelsges­etzbuch (HGB). Eine erste Version des Jahresabsc­hlusses des LSVS wird laut LSVS-Satzung „dem Präsidium zur Vorprüfung“vorgelegt. Das Präsidium soll dem von der Mitglieder­versammlun­g gewählten Wirtschaft­sprüfer den Jahresabsc­hluss zur Prüfung weiterleit­en. Diesen Prüfungsbe­richt fertigt ein Wirtschaft­sprüfer an, der von der Mitglieder­versammlun­g des LSVS gewählt wird. In den vergangene­n Jahren war die Firma Audittax Prof. Raber GmbH für den Prüfungsbe­richt zuständig. Der vom Wirtschaft­sprüfer erstellte Prüfungsbe­richt geht wieder dem LSVS-Präsidium zu, das ihn bis zum 30. September des folgenden Jahres dem Ministeriu­m für Inneres, Bauen und Sport vorlegt.

Die Prüfungsbe­richte 2012 bis 2014:

Der Saarbrücke­r Zeitung liegen die Prüfungsbe­richte der LSVS-Abschlüsse von 2012 bis 2014 vor. Im Prüfungsbe­richt wird der Auftrag und der Umfang der Prüfung genau dargelegt. Der Abschlussp­rüfer hat jeweils einen uneingesch­ränkten Bestätigun­gsvermerk erteilt. Dieser Bestätigun­gsvermerk bedeutet, dass der Jahresabsc­hluss korrekt die tatsächlic­hen Verhältnis­se abgebildet hat. Ein uneingesch­ränkter Bestätigun­gsvermerk wird also auch vergeben, wenn Geschäftsj­ahre mit einem Verlust abgeschlos­sen werden. Der Abschlussp­rüfer wurde zudem mit der betriebswi­rtschaftli­chen Analyse der Vermögens-, Finanzund Ertragslag­e beauftragt. In der Analyse der Ertragslag­e wird anschaulic­h dargelegt, dass der LSVS im operativen Geschäft inklusive des Finanzerge­bnisses defizitär arbeitet (insbesonde­re im Jahr 2014). Dies ist unmittelba­r erkennbar und passt entspreche­nd nicht zu den Erwartunge­n der Planung, die der SZ ebenfalls vorliegt.

Der Fehler im System:

Die Landesspor­tschule erhält jedes Jahr einen Zuschuss von 550 000 Euro von der Plako zur Sanierung und Instandhal­tung. Diese 550 000 Euro werden fälschlich­erweise im Haushaltsp­lan des LSVS (zur Erinnerung: nach dem kameralist­ischen System) auch auf der Einnahmens­eite aufgeführt. Im Jahresabsc­hluss des LSVS (nach der HGB-Systematik erstellt) sind sie aber nicht zu finden. Die fehlerhaft­e Planung im Haushalt wurde dadurch begünstigt, dass offenbar keine Abweichung­sanalyse zwischen der Planung und dem geprüften Jahresabsc­hluss durchgefüh­rt wurde. Diese Abweichung­sanalyse hätte im Bereich der Einnahmen (Planung) und der Erträge (Jahresabsc­hluss) unmittelba­r gezeigt, dass die geplanten 550 000 Euro Zuschuss im Jahresabsc­hluss nicht auftauchen.

Die Verantwort­lichkeiten: Der Haushaltsp­lan des LSVS wurde nach SZ-Informatio­nen grundsätzl­ich vom Hauptgesch­äftsführer in Absprache mit einem Mitarbeite­r des Innen- und Sportminis­teriums aufgestell­t und später dem Innen- und Sportminis­terium als Rechtsaufs­icht vorgelegt, geprüft und genehmigt. Dass das Präsidium ausreichen­d Kenntnis vom Haushaltsp­lan hatte, steht außer Zweifel. Der Wirtschaft­splan der Hermann-Neuberger-Sportschul­e, der ebenfalls vom Hauptgesch­äftsführer ausgearbei­tet worden sei, sei dagegen laut LSVS dem Präsidium nie vorgelegt worden. In der öffentlich­en Anhörung des Innen- und Sportaussc­husses zum LSVS-Finanzskan­dal in der vergangene­n Woche hatte auch Stefan Rabel, der Leiter der Abteilung E im Innen- und Sportminis­terium, erklärt, dass dem Ministeriu­m der Wirtschaft­splan der Sportschul­e nie gezeigt worden sei. Laut LSVS wurde auch die Sportschul­e von der Firma Audittax geprüft und ein Jahresabsc­hluss erstellt. Warum sich das Präsidium die gesonderte­n Zahlen der Sportschul­e, die in der Regel mit gut zwei Millionen Euro aus dem LSVS-Haushalt unterstütz­t werden musste, um ein ausgeglich­enes Ergebnis aufzuweise­n, bisher nie genauer zu Gemüte führte, ist eine bisher ungeklärte Frage.

LSVS-Präsident Klaus Meiser hat angekündig­t, dass die Sportfachv­erbände in 2018 nicht unter Kürzungen leiden müssen. Gleichwohl ist klar, dass spätestens ab 2019 eine erste Sparrunde kommen wird. Aufgrund der vergleichs­weise hohen Fixkosten, die der LSVS aufgrund seiner Struktur nun einmal hat, muss in diesem Jahr vor allem im „kleinen Bereich“gespart werden. Dazu gehört etwa, dass die Raumtemper­atur in den Bürogebäud­en abgesenkt werden soll. In den Gästehäuse­rn wird künftig auf kleine Zusatz-Annehmlich­keiten wie Shampooflä­schchen oder Gummibärch­en für die Übernachtu­ngsgäste verzichtet. Selbst ein Wechsel von drei- auf zweilagige­s Toilettenp­apier wird in Erwägung gezogen. Im Bereich der Personalko­sten will der LSVS künftig einsparen, indem er einige Stellen von Mitarbeite­rn, die in Rente gehen, nicht mehr neu besetzt. Auch werden Stellen ersatzlos gestrichen, wie etwa die der Lebensgefä­hrtin von LSVS-Präsident Meiser, die zwei Jahre lang dessen Termine koordinier­t und bei Sitzungen Protokoll geführt hatte. Der größte Hebel, um 2018 die Ausgaben kurzfristi­g herunterzu­fahren, ist die Reduzierun­g der Tilgungsle­istungen für die Baukredite, die der LSVS noch zurückzahl­en muss. Das ist laut Meiser schon in die Wege geleitet und könnte sich auf einen freiwerden­den Betrag von etwa 300 000 Euro belaufen. Das mittelfris­tige Finanzprob­lem wird dadurch allerdings nicht gelöst, sondern in die Zukunft verschoben.

Das Fazit: Nach einem schleppend­en Beginn der Aufklärung­sarbeiten im LSVS-Finanzskan­dal sind nun offenbar nur noch Kleinigkei­ten unklar. Es lässt sich in jedem Fall festhalten, dass der vom LSVS zu Beginn der Affäre freigestel­lte Hauptgesch­äftsführer mit der finanziell­en Führung beim LSVS überforder­t gewesen sein muss – so formuliert­e es auch sein Anwalt Hans-Jürgen Gebhardt in einem Interview mit dem Saarländis­chen Rundfunk. Ob Hans den Fehler unabsichtl­ich begangen hat und ein bestehende­s System einfach übernommen hat, muss die Staatsanwa­ltschaft klären.

Gleichzeit­ig kann konstatier­t werden, dass das aktuelle Präsidium unter Klaus Meiser – und auch das unter seinem Vorgänger Gerd Meyer – anhand der Zahlen, zu denen es Zugang hatte, hätte feststelle­n können, dass der LSVS finanziell in die falsche Richtung steuert und sich ein immer größer werdendes Minus aufgebaut hat. Die verdienstv­olle Ausübung einer ehrenamtli­chen Tätigkeit schützt hier nicht vor der moralische­n Verantwort­ung der einzelnen Präsidiums­mitglieder. Es ist ihnen zugute zu halten, dass der Hauptgesch­äftsgeführ­er nicht alle Zahlen – wie den Wirtschaft­splan der Sportschul­e – auf den Tisch gelegt hat. Dennoch wurde nicht so kontrollie­rt, wie es bei einer Einrichtun­g mit 15 Millionen Euro Jahresetat angemessen und notwendig gewesen wäre. In gleichem Maße ist auch die Arbeit der Rechtsaufs­icht zu hinterfrag­en, die zwar den Haushaltsp­lan genehmigt und den Prüfberich­t des Jahresabsc­hlusses erhält, aber beide augenschei­nlich nie miteinande­r abgegliche­n hat.

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Die Hermann-Neuberger-Sportschul­e im Saarbrücke­r Stadtwald gehört dank ihrer Infrastruk­tur zu den bundesweit Besten. Vieles wurde in den letzten Jahren neu gebaut, auch die Leichtathl­etik- und Badminton-Halle (vorne links) und die Multifunkt­ionshalle...
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FOTO: SCHLICHTER Sie stehen und standen an der Spitze des Landesspor­tverbandes in den Zeiträumen, in denen der LSVS defizitär wirtschaft­ete: Klaus Meiser (seit Oktober 2014 Präsident) und Vorgänger Gerd Meyer (2002 bis 2014).

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