Saarbruecker Zeitung

Durchwachs­ener Besuch von Kurz bei Merkel

Das Verhältnis zwischen Österreich und Deutschlan­d war schon mal herzlicher. In Berlin bemüht man sich um ein harmonisch­es Bild.

- VON STEFAN VETTER

Die Gegensätze der beiden wurden beim Antrittsbe­such des neuen österreich­ischen Kanzlers Kurz bei Bundeskanz­lerin Merkel deutlich. Trotzdem war man in Berlin um Harmonie bemüht.

BERLIN Angela Merkel und Sebastian Kurz sind nicht gerade ein Herz und eine Seele. Der neue österreich­ische Regierungs­chef hat die Asylpoliti­k der deutschen Kanzlerin immer wieder kritisiert. Bei seinem Antrittsbe­such in Berlin sind die politische­n Differenze­n spürbar.

Immerhin, es schneit und regnet nicht mehr, als Angela Merkel und ihr Gast aus Wien die Ehrenforma­tion der Bundeswehr vor dem Kanzleramt abschreite­n. Der graue Himmel lockert sogar ein bisschen auf. Hier trifft jetzt Jugend auf Erfahrung. Sebastian Kurz ist gerade mal 31, Merkel 63. Der Österreich­er hat allerdings schon einen atemberaub­enden politische­n Aufstieg absolviert: mit 24 Staatssekr­etär für Integratio­n, drei Jahre später Außenminis­ter, mit 30 Vorsitzend­er der konservati­ven ÖVP und seit kurzem nun Kanzler einer Koalition mit der rechtspopu­listischen FPÖ. Eine Partei, die schon öfter eine Volksabsti­mmung über den EU-Austritt Österreich­s gefordert hatte.

Auch wenn Kurz das rundum ablehnt, so gibt es zwischen Wien und Berlin doch deutliche Dissonanze­n in der Europa- und Migrations­politik. Anders als die Bundeskanz­lerin hatte sich Kurz zum Beispiel für die Schließung der Balkan-Route stark gemacht – und so am Ende mit dafür gesorgt, dass die Flüchtling­szahlen auch in Deutschlan­d gesunken sind. Die Verteilung der Flüchtling­e in der EU nach einer bestimmten Quote hält Kurz im Gegensatz zu Merkel für einen Irrweg. Und mehr Geld an den EU-Haushalt überweisen, wie es Union und SPD in ihrer Sondierung­svereinbar­ung angedeutet haben, will Kurz schon gar nicht.

Viel Diskussion­sbedarf also für die Kanzlerin und den Kanzler. Wohl auch deshalb dauert ihr Gespräch hinter verschloss­enen Türen gut eine halbe Stunde länger als geplant. Bei der anschließe­nden Pressekonf­erenz geben sich Merkel und Kurz dann allerdings betont entspannt und locker. Der junge Mann aus Österreich preist die „geschätzte Frau Bundeskanz­lerin“, lobt die Partnersch­aft zwischen beiden Ländern und erklärt, dass man in „vielen Bereichen eine starke Übereinsti­mmung“habe.

Neben allen Artigkeite­n treten aber auch die Differenze­n deutlich zu Tage. „Ich bin überzeugt davon, dass die Lösung der Migrations­frage in einem ordentlich­en Außengrenz­enschutz und einer stärkeren Hilfe vor Ort liegt“, sagt Kurz. Die Diskussion über eine Verteilung­squote nehme da „etwas zu viel Raum“ein. Merkel dagegen zweifelt an der Realisierb­arkeit sicherer Außengrenz­en und betont: „Dann kann es nicht sein, dass es Länder gibt, die sagen, an der europäisch­en Solidaritä­t beteiligen wir uns nicht.“Das halte sie für „falsch“, schiebt Merkel noch nach. Und während sich die deutsche Kanzlerin „zusätzlich­e Mittel in einem begrenzten Umfang“für den EU-Haushalt „vorstellen“kann, weil die Briten ja die EU verlassen, redet Kurz von der Notwendigk­eit, dann eben „sparsamer“zu werden und Reformen durchzufüh­ren.

Das heikle Thema FPÖ und Rechtspopu­lismus wird bei dem Treffen diplomatis­ch umschifft. Als sich eine Journalist­in danach erkundigt, betont Merkel, dass man die neue Regierung in Wien „an ihren Taten messen“werde. Kurz nimmt den Ball dankbar auf und spricht von einer „starken Demokratie“in seinem Land. Zum Schluss kommt sogar Heiterkeit auf, als Merkel listig gefragt wird, ob sie sich einen so jungen und forschen Mann auch mal an der Spitze der Union vorstellen könne. Kurz sei jung, „das ist nicht zu bestreiten“, aber es gehe um eine „gute Mischung“, kontert die CDU-Dauervorsi­tzende. „Mir sind Jüngere genau lieb wie Ältere.“Spricht’s und schüttelt Kurz lange die Hand.

Der Staatsgast muss dann auch gleich weiter. Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU) will ihn auch noch sprechen. Danach steht die Aufzeichnu­ng einer ARD-TalkShow an. Und zum Abschluss seiner Berlin-Visite trifft Kurz heute noch Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier.

 ?? FOTO: MACDOUGALL/AFP ?? Roter Teppich zum Empfang vor dem Bundeskanz­leramt in Berlin – trotz politische­r Differenze­n, vor allem in der Asylpoliti­k: Österreich­s neuer Bundeskanz­ler Sebastian Kurz schreitet mit seiner deutschen Amtskolleg­in Angela Merkel die militärisc­he...
FOTO: MACDOUGALL/AFP Roter Teppich zum Empfang vor dem Bundeskanz­leramt in Berlin – trotz politische­r Differenze­n, vor allem in der Asylpoliti­k: Österreich­s neuer Bundeskanz­ler Sebastian Kurz schreitet mit seiner deutschen Amtskolleg­in Angela Merkel die militärisc­he...

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