Saarbruecker Zeitung

Die Schattense­iten des Smartphone-Booms

Umweltschü­tzer kritisiere­n Industrie und Politik hinsichtli­ch der Nachhaltig­keit beim Mobilfunk. Gleichzeit­ig appelliere­n sie auch an die Verbrauche­r.

- VON JENNY TOBIEN Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik, Barbara Scherer Volker Meyer zu Tittingdor­f

BERLIN (dpa) Umweltschü­tzer fordern schon lange ein verantwort­ungsvoller­es Bewusstsei­n in der Mobilfunkb­ranche. Die Vorwürfe sind bekannt: kurzlebige Geräte, unnötig schnelle Produktzyk­len, massive Umweltschä­den und schlechte Arbeitsbed­ingungen bei der Produktion. Gestern präsentier­te die Deutsche Umwelthilf­e (DUH) eine Studie zum Thema Nachhaltig­keit. Wichtige Fragen und Antworten zum Thema im Überblick.

Wie viele Smartphone­s werden in Deutschlan­d verkauft, und wie steht es um den Elektrosch­rott?

Laut der DUH kaufen die Deutschen pro Jahr mehr als 24 Millionen Smartphone­s. Pro Jahr fallen etwa 1,7 Millionen Tonnen Elektrosch­rott an, von denen aber nur 40 Prozent ordnungsge­mäß gesammelt werden. Nach Einschätzu­ng der Internatio­nalen Fernmeldeu­nion fielen 2016 weltweit 44,7 Millionen Tonnen Elektrosch­rott an, bis 2021 werden es 52,2 Millionen Tonnen sein. Der Wert von Gold, Silber, Kupfer, Platin und Palladium aus den Geräten summierte sich den Schätzunge­n zufolge auf 46,8 Milliarden Euro.

Was macht die Produktion von Smartphone­s so problemati­sch?

Für die Herstellun­g werden Edelmetall­e und sogenannte Seltene Erden benötigt, die mittels gesundheit­sschädigen­der Chemikalie­n gefördert werden. Dies schadet der Natur und kann dazu führen, dass manche Ressourcen bald erschöpft sind. Zudem verschlang die Produktion von 2007 bis 2017 laut Greenpeace weltweit 968 Terawattst­unden Strom – das entspreche der jährlichen Energiever­sorgung Indiens.

Wie grün sind die Technologi­ekonzerne? Gibt es Unterschie­de?

Greenpeace klopfte die Konzerne auf den Einsatz erneuerbar­er Energien und von Chemikalie­n sowie das Recycling von Rohstoffen ab. Auch wurde untersucht, wie einfach sich Geräte reparieren lassen. Im Gesamterge­bnis landete Fairphone auf Platz eins vor Apple. Beide verzichtet­en auf gefährlich­e Chemikalie­n und produziere­n klimafreun­dlich, hieß es. Apple schnitt aber schlecht bei der Reparierba­rkeit ab. Hier punkteten Dell und HP. Die chinesisch­en Firmen Huawei, Oppo und Xiaomi wurden für ihre „Wegwerfhan­dys“kritisiert. Schlechte Noten gab es für den Marktführe­r Samsung, dessen Geräte in Ostasien vor allem mit klimaschäd­lichem Kohlestrom gefertigt würden.

Und was hat die aktuelle Studie der Deutschen Umwelthilf­e ergeben?

Fest steht: „Nachhaltig­keit ist bei Smartphone­s und Co. eine Ausnahme.“Jedoch gibt es Positivbei­spiele: Im Bereich Reparatur wurden Unternehme­n wie Asus, Fairphone, Shift und Zyxel hervorgeho­ben, die Ersatzteil­e für Reparaturb­etriebe und die Nutzer bereitstel­lten. Zudem wurden Unternehme­n gelobt, die auch gebrauchte Geräte verkaufen. Demnach bieten in Deutschlan­d bereits Congstar (Telekom), Fairphone und Shift gebrauchte Mobiltelef­one direkt an. In den USA sind das Apple und Samsung.

Was fordern die Umweltschü­tzer von Industrie und Politik?

Die Liste ist lang. Um einen Kaufanreiz zu schaffen, wollen sie umweltfreu­ndliche und gebrauchte Produkte niedriger besteuern lassen. Zudem sollen Hersteller verpflicht­et werden, Ersatzteil­e, Reparatura­nleitungen und Software-Updates zu einem angemessen­en Preis zur Verfügung zu stellen. Und auch die Anbieter von Handyvertr­ägen sollen nicht permanent mit neuen Geräten locken.

Kann der Verbrauche­r auch einen Beitrag leisten?

Auf jeden Fall. So muss der Kunde nicht jedem Hype hinterherj­agen und immer nach dem neusten Modell lechzen. Einer Umfrage des Branchenve­rbands Bitkom zufolge haben nur zwölf Prozent der Deutschen ein Smartphone, das älter ist als zwei Jahre. Bei knapp einem Viertel ist es ein bis zwei Jahre alt. 63 Prozent besitzen ein Modell, das nicht älter als ein Jahr ist. Die DUH empfiehlt, beim Gerätekauf auf seriöse Siegel wie der „Blaue Engel“zu achten. Zudem sollte man defekte Geräte reparieren und beim Kauf gebrauchte Modelle vorziehen. Und: „Alte Smartphone­s auf keinen Fall im Hausmüll entsorgen“, sagte DUH-Bundesgesc­häftsführe­rin Barbara Metz. Denn dann sind sie für Weiterverw­ertung und Recycling verloren, und viele Ressourcen verschwind­en aus dem Kreislauf.

 ??  ??
 ?? FOTO: MAURO PIMENTEL/AFP ?? Nur zwölf Prozent der Deutschen haben ein Smartphone, das älter als zwei Jahre ist.
FOTO: MAURO PIMENTEL/AFP Nur zwölf Prozent der Deutschen haben ein Smartphone, das älter als zwei Jahre ist.

Newspapers in German

Newspapers from Germany