Saarbruecker Zeitung

Eine neue Ausstellun­g im Jüdischen Museum in Berlin zeigt die vielen Gesichter Jerusalems.

Eine Ausstellun­g im Jüdischen Museum in Berlin zeigt die verschlung­ene Stadtgesch­ichte aus Alltag, Religion und Politik.

-

BERLIN (kna) „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“, singt eine Gruppe christlich­er Pilger. Die deutsche Touristeng­ruppe sitzt in einem Bus, der sich durch Jerusalem schlängelt. Dann wechselt die Filmszene – Hebräisch und Arabisch tönen aus dem Lautsprech­er. „Welcome to Jerusalem“heißt die aktuelle Ausstellun­g im Jüdischen Museum Berlin. Kurz nachdem US-Präsident Donald Trump mit seiner umstritten­en Anerkennun­g Jerusalems als Hauptstadt Israels die Welt in Aufruhr gebracht hat, begann die Schau, einen Blick auf die verschlung­ene Stadtgesch­ichte aus Alltag, Religion und Politik zu werfen. „Wir haben den amerikanis­chen Präsidente­n nicht gebeten, das so zu tun, aber so ist es nun mal“, sagt Museumsdir­ektor Peter Schäfer nüchtern. Die Ausstellun­g rücke weder Judentum, Christentu­m noch Islam in den Mittelpunk­t. Vielmehr präsentier­e die Schau Jerusalem in all seinen Facetten und mit seinen Herausford­erungen, darunter auch als Brennpunkt religiöser Konflikte.

Die Ausstellun­gskuratori­n Cilly Kugelmann hat diese Herausford­erungen in den vergangene­n Monaten zu spüren bekommen. „Jerusalem ist ein strittiges Thema, emotional hochbelade­n, und es gibt zahlreiche Fettnäpfen“, sagt Kugelmann. Das fange bereits damit an, welche Religion man als erste nenne. Sie habe die Erkenntnis am meisten überrascht, dass Jerusalem seit jeher vom Tourismus lebe. Zudem sei die Stadt eigentlich erst durch die Geschichte Jesu so richtig bekannt geworden. „Sonst hätten wohl vorrangig Juden Jerusalem gekannt“, sagt Kugelmann.

Der Besucher kann beinahe wie ein Tourist durch die Ausstellun­g schlendern. Er tritt die Reise von der Gegenwart der singenden Pilger in die Vergangenh­eit des Tempelberg­s an, um wieder in der Gegenwart – bei einem Dokumentat­ionsfilm über 90 Jerusaleme­r in Echtzeit und zeitsynchr­on – anzukommen. Atmosphäri­sche Ausstellun­gsräume mit Video- und Tonaufnahm­en aus Jerusalem wechseln sich mit historisch­en Manuskript­en und Bildnissen ab. Ein Raum ist zum Beispiel der Kartierung Jerusalems gewidmet und zeigt dutzende Stadtansic­hten aus den verschiede­nen Jahrhunder­ten.

Es ist eine opulente Ausstellun­g mit rund 170 Exponaten auf 1000 Quadratmet­ern, die bis 2019 zu sehen sein wird. In dieser Zeit wird die Dauerausst­ellung des Museums neu konzipiert. Aufgrund der zeitlichen Länge sei es teils schwierig gewesen, passende Leihgaben zu finden, erzählt Kugelmann. Die Kreuzzüge würden etwa mangels Exponaten kaum behandelt. An anderer Stelle hat das Museum sich selbst beholfen. So wurde ein Korkmodell der Klagemauer im Originalma­ßstab eigens für das Jüdische Museum angefertig­t. Es sei weltweit einzigarti­g.

Sehenswert ist auch das detailgetr­eue Modell des islamische­n Heiligen Bezirks Haram asch-Scharif mit dem Felsendom und der Al Aksa-Moschee aus dem 19. Jahrhunder­t. Es ist eine Leihgabe aus dem Amsterdame­r Bibelmuseu­m. Weltweit existieren drei dieser Modelle. Auch die Tate Modern, das Victoria & Albert Museum oder die Uffizien haben sich mit Leihgaben an der Ausstellun­g beteiligt.

Der Tempelberg und das Konzept des Tempels spielen eine maßgeblich­e Rolle in der Ausstellun­g. Museumsdir­ektor Schäfer erklärt das zum einen mit der historisch­en Bedeutung des Tempels als Ursprung der Stadt, aber auch mit den verschiede­nen Heiligkeit­svorstellu­ngen der drei monotheist­ischen Religionen. „Das Judentum erwartet am Ende der Zeiten den dritten Tempel in Jerusalem“, erzählt Schäfer. In der Ausstellun­g kann der Besucher daher mittels eines Films die Feierlichk­eiten am Herodianis­chen Tempel der Antike nachempfin­den.

Damit der Gegenwarts­bezug nicht nur in der Haltung von US-Präsident Trump besteht, zeigen junge israelisch­e und palästinen­sische Künstler ihre Arbeiten. So geht die palästinen­sisch-britische Künstlerin Mona Hatoum in ihrer Arbeit „Present Tense“auf die Neuvermess­ung Palästinas nach dem Oslo-Abkommen ein. Wie die ganze Geschichte Jerusalems ist auch dies umstritten, hoch emotional und voller Fettnäpfch­en.

Läuft bis 30. April 2019.

 ?? FOTO: THOMAS COEX/AFP ?? Heilige Orte für Juden, Muslime und Christen: Klagemauer und Felsendom in der Altstadt Jerusalems.
FOTO: THOMAS COEX/AFP Heilige Orte für Juden, Muslime und Christen: Klagemauer und Felsendom in der Altstadt Jerusalems.

Newspapers in German

Newspapers from Germany