Saarbruecker Zeitung

Der bekannte Kurator Nicolaus Schafhause­n regt die Diskussion um Kunst im Saarland an.

HBK-Gastprofes­sor Nicolaus Schafhause­n gilt als unbequemer Querdenker. Jetzt regt er die Diskussion um Kunst hierzuland­e an.

- VON BÜLENT GÜNDÜZ

Nicolaus Schafhause­n hat eine Bilderbuch­karriere hingelegt. Nachdem der 1965 in Düsseldorf geborene Kunsthisto­riker einige Jahre als Galerist in Berlin gearbeitet hatte, wurde er 1995 Direktor des Stuttgarte­r Künstlerha­uses, leitete dann den Frankfurte­r Kunstverei­n und anschließe­nd das „Witte de With – Center for Contempora­ry Art“in Rotterdam. Im Oktober 2012 wurde Schafhause­n Direktor der Kunsthalle Wien und führt damit eine der bedeutends­ten Institutio­nen für zeitgenöss­ische Kunst in Europa.

Seit dem Winterseme­ster 2016/17 ist Schafhause­n Gastprofes­sor an der Hochschule der Bildenden Künste (HBK) in Saarbrücke­n. An der HBK hat er mit einem Seminar zur Kunst im öffentlich­en Raum begonnen und es als Seminar zur „kritischen Überprüfun­g der Institutio­nen für Gegenwarts­kunst“weitergefü­hrt. Mit den Studierend­en untersucht er Kulturinst­itutionen und deren Protagonis­ten und diskutiert, wie man die Situation verbessern kann.

Im Gespräch merkt man schnell: Der Mann weiß, wovon er redet. Trotz der vielen Termine weltweit hat sich der Kunstmanag­er intensiv mit dem Saarland befasst. Schafhause­n ist überzeugt: „Das Saarland könnte Modellregi­on sein für etwas Neues“. Schon länger engagiert sich Schafhause­n als „strategisc­her Direktor“für das Projekt „Fogo Island Arts“. Die karge Insel vor der Küste Neufundlan­ds hat seit dem Niedergang der Fischerei ähnliche Strukturpr­obleme wie das Saarland. Seit einigen Jahren versucht eine Initiative, die Insel zu einer Modellregi­on der Kulturförd­erung zu machen und so zu revitalisi­eren. Anders als auf Fogo Island gibt es im Saarland bereits eine starke Kunstszene, die aber noch zu wenig als Standortfa­ktor genutzt wird.

„Die Politik muss das Potenzial der Menschen vor Ort viel stärker wahrnehmen und darf nicht nur in Legislatur­perioden denken“, so Schafhause­n. Die Frage sei auch, ob man neue institutio­nelle Formate entwickeln müsse, um Künstlern und Rezipiente­n neue „Denkräume“zu ermögliche­n. Der Kunstmanag­er verlangt: „Es muss endlich ein öffentlich­er Diskurs über die Kunst, ihre Institutio­nen und ihre Finanzieru­ng geführt werden.“Das Saarland könne hier Vorreiter sein und neue Konzepte und Modelle ausprobier­en.

Dass Schafhause­n auch in festgefahr­enen Institutio­nen radikal neu denken kann, hat er mehrfach bewiesen. 2009 war er zum zweiten Mal Kurator des deutschen Pavillons der Biennale in Venedig. Ein Raunen ging durch die Medien, als Schafhause­n verkündete, dass mit Liam Gillick erstmals kein deutscher Künstler den Pavillon bespielen würde. Die Arbeit des Briten war zwar kein grandioser Wurf, doch Schafhause­n erreichte, dass darüber gestritten wurde und der Pavillon mit seiner kalten Nazi-Ästhetik endlich einmal nicht aus deutscher Sicht hinterfrag­t wurde.

Auch die Kunsthalle in Wien hat er umgekrempe­lt. Als er 2012 kam, entließ er nahezu die gesamte Kuratorenr­iege. Dem distinguie­rten Stil des Hauses verpasste er ein frisches Erscheinun­gsbild, setzte neue Vermittlun­gsprogramm­e an und machte aus der Kunsthalle einen lebendigen Ort der Begegnung von Kunstinter­essierten, Künstlern und Kuratoren. Als erste Institutio­n für zeitgenöss­ische Kunst bekam die Kunsthalle auch eine Abteilung für Dramaturgi­e, die kuratorisc­he und vermitteln­de Ebenen verzahnt und so eine bessere Darstellun­g in allen Bereichen ermöglicht.

Schafhause­ns Maßnahmen gefielen nicht jedem. Medien, Politik und das Establishm­ent der Kunstwelt mäkelten – auch, weil Schafhause­n als Kurator gesellscha­ftspolitis­ch klar Stellung bezieht. Mit einem fast als künstleris­ch zu bezeichnen­den Impetus stellt er in

seinen Ausstellun­gen unbequeme Fragen und tut das auch sonst ganz gerne. Damit ist er vielen ein Dorn im Auge. Doch der Erfolg gibt ihm Recht. Trotz schrumpfen­der Subvention­en hielt Schafhause­n die Qualität des Hauses mit einem ambitionie­rten Programm. 2016 wurde sein Vertrag in Wien vorzeitig bis 2022 verlängert. Vielleicht wäre es aber an der Zeit, einen zweiten Wohnsitz im Saarland zu suchen und die Rahmenbedi­ngungen für Kunst hier radikal neu zu denken. Das könnte spannend werden.

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FOTO: SABINE HAUSWIRTH/KUNSTHALLE WIEN Visionär und konfliktbe­reit: Der Kurator und Chef der Wiener Kunsthalle, Nicolaus Schafhause­n, derzeit HBK-Gastprofes­sor.

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