Saarbruecker Zeitung

Dem Polen Kamil Stoch fehlt in seiner beeindruck­enden Karriere nur noch ein großer Titel.

Eine erfolgreic­he Flug-WM fehlt Kamil Stoch zur Vollkommen­heit als Skispringe­r. Die Titelkämpf­e in Oberstdorf beginnen heute.

- VON PATRICK REICHARDT Produktion dieser Seite: Kai Klankert Stefan Regel

(dpa) Vier Flüge trennen Kamil Stoch vom zweiten großen Eintrag ins Skisprung-Geschichts­buch im Jahr 2018. Nur zwei Wochen nach dem historisch­en Vierfachsi­eg bei der Vierschanz­entournee, der zuvor in 66 Jahren nur Sven Hannawald gelungen war, jagt der polnische Olympiasie­ger bei der Skiflug-WM in Oberstdorf nach seinem letzten fehlenden großen Titel – und könnte sich damit als zweiter Skispringe­r nach dem Finnen Matti Nykänen als Weltmeiste­r, Olympiasie­ger, Skiflug-Weltmeiste­r, Gesamtwelt­cup-Sieger und Gewinner der Vierschanz­entournee krönen.

„Jetzt brauche ich Ruhe und muss mich auf mich konzentrie­ren. Ich will nicht an Ergebnisse denken, denn das macht die Situation nicht einfacher“, sagt Stoch. Vier Springen in neun Tagen, der mediale Druck und der historisch­e Triumph von Bischofsho­fen sind an die Substanz des 30-Jährigen gegangen. „Ich hoffe, dass ich bis zum Wochenende etwas mehr erreichen kann. Aber ich kann nichts verspreche­n“, sagt Stoch, der bei der Generalpro­be am Kulm in Österreich nur 21. wurde und seine dominanten Tournee-Leistungen überrasche­nderweise nicht bestätigen konnte.

Bei der WM im Allgäu, die heute (16 Uhr/ARD) mit der Quali beginnt und am Freitag und Samstag den neuen Skiflug-Titelträge­r im Einzel sucht, ist Stoch daher nur einer von vielen Kandidaten auf Gold. Die Deutschen um Rückkehrer Richard Freitag und den Tournee-Zweiten Andreas Wellinger können dem Polen ebenso gefährlich werden wie die Norweger, die angeführt von Kulm-Sieger Andreas Stjernen und Daniel Andre Tande zuletzt eine hervorrage­nde Flugform zeigten.

„Kamil kann auch fliegen, er war vielleicht ein bisschen müde. Er ist auch nur ein Mensch“, sagt Bundestrai­ner Werner Schuster. Das auch vom Wind beeinfluss­te Fliegen am Kulm sollte nicht überbewert­et werden, findet Schuster.

Tatsächlic­h gibt es gleich zwei Faktoren, die im Allgäu gegen Stoch sprechen: Der Pole hat Kräfte gelassen und wurde in der Heimat dermaßen gefeiert, dass er auch nach der Tournee kaum zur Ruhe kam. „Ich bin erschöpft und werde niemandem vormachen, dass es nicht so ist, aber ich versuche, nach vorne zu schauen. Mir ist bewusst, dass noch nicht einmal Saisonhalb­zeit ist“, sagt Stoch. Und: „König Kamil“, wie er in Polen genannt wurde, hat in seiner Karriere erst zwei Mal ein Skifliegen gewonnen: 2011 in Planica und 2017 in Vikersund.

Bei der Tournee betonte Stoch immer wieder, dass er von Sprung zu Sprung schaue. So wenig wie ihn Hannawalds Kunststück bis zum Erfolg in Bischofsho­fen interessie­rte, so wenig beschäftig­t ihn nun auch die nächste historisch­e Leistung, die er in Oberstdorf vollenden könnte. „Ich will Erster sein, denn dafür trainieren wir, aber ich fahre mit diesem Gedanken nicht zu jedem Wettkampf“, sagt Stoch. In Polen hat der Nachfolger des heutigen Teammanage­rs Adam Malysz damit den nationalen Skisprung-Hype wieder befördert. Polnische Fans pilgern zu den Schanzen quer durch Europa und feiern ihre Helden. So wird es auch in Oberstdorf sein. Neben Mitfavorit Stoch dürfen sie auch beim Mannschaft­swettbewer­b am Sonntag auf eine Medaille hoffen.

„Er ist auch nur ein Mensch.“Bundestrai­ner Werner Schuster über den Polen Kamil Stoch

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FOTO: SCHRADER/AP/DPA Der Pole Kamil Stoch war bei der Vierschanz­entournee der alles überstrahl­ende Sieger. Jetzt fehlt ihm in seiner Karriere nur noch ein großer Titel – nämlich bei der WM im Skifliegen.

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