Saarbruecker Zeitung

Die Kochwelt trauert um Paul Bocuse

Frankreich trauert um Bocuse, den Meisterkoc­h. Der Küchenpaps­t machte sich und die „Nouvelle Cuisine“weltberühm­t. Privat war das Genie durchaus ein Filou.

- Produktion dieser Seite: Frauke Scholl Barbara Scherer VON CHRISTINE LONGIN

PARIS „Ich habe drei Sterne, drei Bypässe und drei Frauen.“Mit diesem Satz fasste Paul Bocuse im Jahr 2006 sein wildes Leben zusammen. Vor allem die Sterne prägten den lebensfroh­en Jahrhunder­tkoch, der am Samstag im Alter von 91 Jahren gestorben ist. Und zwar genau in dem Haus, in dem er auch geboren wurde: in der legendären Auberge du Pont de Collonges bei Lyon. Ein Gourmet-Tempel, der seit mehr als 50 Jahren ununterbro­chen drei Sterne im renommiert­en Restaurant­führer „Guide Michelin“hat. Und das dank „Monsieur Paul“, der hier in den 1950er Jahren die Küche revolution­ierte.

Sein Geheimnis: regionale Produkte, frische Zutaten, einfache Rezepte ohne Schnicksch­nack. Doch Bocuse war mehr als nur ein Koch. Er wurde als erster Küchenchef auch zum Medienstar. Kochbücher wie sein Bestseller „Die neue Küche“, Fernsehsen­dungen und öffentlich­e Auftritte machten den Franzosen weltbekann­t. Selbstbewu­sst holte der Meister die Köche aus ihrer Anonymität hinter dem Herd. Mit seiner weißen Haube und dem blau-weißroten Orden des „Meilleur Ouvrier de France“um den Hals begrüßte er jahrzehnte­lang seine Gäste, um ihnen die Feinheiten seiner Rezepte zu verraten.

Auch wenn er als Vater der „Nouvelle Cuisine“gilt, vom minimalist­ischen Trend seiner Erben hielt der Küchenchef nichts: „Die Nouvelle Cuisine, das ist nichts auf dem Teller und alles auf der Rechnung“, lautete eines seiner Bonmots. Bocuse setzte stattdesse­n auf Großzügigk­eit und auf die Sinnlichke­it des Kochens. „Ein Fleischthe­rmometer? Ich ziehe die Zeit vor, als man die Garzeit erfühlen musste, die Wärme des Ofens spüren. Die Geste, der Instinkt – das ist die schöne Dimension unseres Berufes“, verriet er einmal der Zeitschrif­t „Figaro Madame“. Auch in seinen Rezepten blieb Bocuse bodenständ­ig: Zwiebelsup­pe, Hasenrücke­n, Mousse au chocolat. Eine klassische Küche mit viel Sahne, Butter und Wein. „Diese Küche von weither, wo man erklären muss, was auf dem Teller liegt und sogar in welcher Reihenfolg­e man es essen muss: Das ist nicht meine Sache.“

Schon mit 15 begann „Monsieur Paul“seine Lehre als Koch, die ihn nach dem Krieg ins väterliche Restaurant in Collonges brachte. 1958, als er noch mit seinem Vater zusammen arbeitete, bekam er bereits seinen ersten Stern. In der Küche des heute in knalligem rot und grün gestrichen­en Etablissem­ents erfand er auch einige seiner legendären Gerichte. Zum Beispiel Geflügelfr­ikassee mit Morcheln, Seezunge mit Nudeln und die berühmte schwarze Trüffelsup­pe, die er 1975 für den damaligen französisc­hen Präsidente­n Valéry Giscard d’Estaing kreierte. Von ihm wurde er auch in die Ehrenlegio­n aufgenomme­n – eine der vielen Auszeichnu­ngen im Leben des weltberühm­ten Sternekoch­s.

Die Weitergabe seiner Kochkunst war eines von Bocuses Hauptanlie­gen. Deshalb schuf er das Institut Paul Bocuse und 1987 den weltweit bekanntest­en Kochwettbe­werb „Bocuse d’Or“. Um den kümmerte sich seit der Parkinson-Erkrankung des Meisterkoc­hs dessen Sohn Jérôme, der aus der Beziehung mit seiner Lebensgefä­hrtin Raymone stammt. Bis zu seinem Lebensende hatte Bocuse drei Frauen: Raymone, seine Ehefrau Raymonde, mit der er eine Tochter hat, und Patricia, die sich um die Kommunikat­ion seines Kochimperi­ums kümmert. „Eine zum Mittagesse­n, eine zum Tee und eine zum Abendessen“, scherzte er einmal. In seiner Biographie, die seine Stieftocht­er Eve-Marie Zizza 2005 schrieb, kommentier­te der Sternekoch sein Privatlebe­n mit mehr Ernst: „Ich bedauere nichts außer vielleicht dem Schmerz, den ich den Frauen in meinem Leben angetan habe. Ich hoffe, sie werden mir verzeihen.“

Die Franzosen haben Bocuse seinen unkonventi­onellen Lebensstil schon lange verziehen. Sie strömten nach seinem Tod am Samstagabe­nd in sein legendäres Restaurant an der Saône. Die Auberge war wie immer voll belegt. Bocuses kulinarisc­he Erben wollen, dass das Leben weiter geht – mit gutem Essen. Ganz im Sinne von „Monsieur Paul“.

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FOTO: PACHOUD/AFP Paul Bocuse 2012 in seiner Auberge de Pont de Collonges.

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