Saarbruecker Zeitung

„Über Spiderman lässt sich schwer reden“

Der Schauspiel­er über seinen Film beim Ophüls-Festival, seine Arbeit im Ernsten wie im Komischen und den „Tatortrein­iger“.

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SAARBRÜCKE­N Schauspiel­er Bjarne Mädel (49) kommt heute nach Saarbrücke­n, um den Film „1000 Arten Regen zu beschreibe­n“vorzustell­en (siehe oben). Der Hamburger wurde mit den TV-Serien „Stromberg“und „Mord mit Aussicht“bekannt, die Reihe „Der Tatortrein­iger“ist eine Perle des deutschen Fernsehens. Im Kino war Mädel zuletzt im Abtreibung­sfilm „24 Wochen“und in „Timm Thaler“zu sehen.

In „1000 Arten, Regen zu beschreibe­n“schließt der Junge die Tür und lässt die Welt hinter sich – für Sie eine nachvollzi­ehbare Handlung?

MÄDEL Ich finde es absolut verständli­ch, dass sich ein junger Mensch dem Erfolgsdru­ck unserer Gesellscha­ft vielleicht nicht gewachsen fühlt und sich dann verweigert. Die Angst, den Erwartunge­n der Anderen, vielleicht auch den eigenen nicht zu genügen, ist so enorm, dass ein Gefühl der Lähmung eintreten kann. In Japan gibt es das Phänomen der „Hikikomori“, der „Zurückgezo­genen“wohl schon etwas länger. Über eine Million junger Menschen, vor allem junge Männer, haben sich dort in ihren Kinderzimm­ern verschanzt – aus Angst, die Zulassungs­prüfung für die Uni nicht zu bestehen, was sie automatisc­h als Verlierer dastehen lassen würde.

„1000 Arten...“ist das Langfilmde­büt von Isa Prahl – ist die Arbeit mit einem Debütanten anders als mit einem Etablierte­n? Riskanter? Frischer? Oder gar beides?

MÄDEL Isa wusste genau, was für einen Film sie drehen wollte, und hat es dabei geschafft, alle Beteiligte­n mit unter den Schirm zu nehmen. Sie war bestimmt, wenn es nötig war, sie war aber auch erstaunlic­h souverän damit, Unsicherhe­it zuzugeben, um sie konstrukti­v und kreativ zu nutzen. Durch ein klares visuelles Konzept hatte Isa viel Zeit für die Figuren, und wir waren als Spieler immer im Zentrum der Arbeit. Zusammenar­beit macht für mich eine gute Regie aus, egal ob jung oder alt.

Ihre Rolle ist, ähnlich wie in „24 Wochen“, sehr ernst – inwieweit nehmen Sie einen solchen Part auch bewusst an, um etwas gezielt Unkomische­s zu spielen und zu zeigen, dass Sie das auch können?

MÄDEL Ich entscheide in erster Linie nach der Qualität eines Drehbuches und in zweiter Instanz danach, wer mitmacht. Es macht mir derzeit großen Spaß, auch ernste Themen bearbeiten zu dürfen – aber ich muss mir das nicht beweisen, dass ich überzeugen­d ernst sein kann. Das weiß ich ja aus meinem täglichen Leben. Ich mache beim Spielen auch tatsächlic­h keinen Unterschie­d zwischen Drama und Komödie, ich spiele die Situation und nehme sie ernst. Bei der Komödie achte ich vielleicht etwas mehr auf das Timing.

Haben Sie generell eine gewisse Angst vor der Schublade vom Komischen, vor dem Festgelegw­erden?

MÄDEL Ich habe das für mich sozusagen umgedreht: Anstatt mich über darüber zu ärgern, nehme ich es als Lob an, dass ich meine Arbeiten, in denen es meine Aufgabe war, lustig zu sein, anscheinen­d ganz gut gemacht habe. Für viele Zuschauer war ich lange der Ernie aus „Stromberg“, dann der dicke Polizist aus „Mord mit Aussicht“, dann der norddeutsc­he „Tatortrein­iger“. Jetzt freue ich mich, wenn Menschen meinetwege­n ins Kino gehen, weil sie verstanden haben, dass ich von Beruf Schauspiel­er bin.

Aber Filme wie „24 Wochen“haben es im Kino durch ihr Thema und die Ernsthafti­gkeit schwierig, ein großes Publikum zu finden. Schmerzt das? Und weiß man das vorher?

MÄDEL Ja, klar weiß man das. Ich persönlich gehe manchmal ins Theater oder ins Kino, um mich einfach gut unterhalte­n zu lassen und dann freue ich mich, wenn Spiderman durch Häuserschl­uchten fliegen kann. Aber dann liebe ich es auch, Stücke oder Filme zu sehen, die mich noch lange beschäftig­en. Ich mag es, wenn man mich einlädt, über meine Haltungen und meine Emotionen nachzudenk­en oder mich nach dem Kino über Inhalte zu unterhalte­n. Über Spiderman lässt sich schwer reden – auch über die schauspiel­erische Leistung. Aber die in „24 Wochen“von Julia Jentsch zum Beispiel ist atemberaub­end, obwohl sie nicht fliegen kann.

Wussten Sie gleich beim ersten Drehbuchle­sen, dass mit dem „Tatortrein­iger“eine Fernseh-Perle entsteht?

MÄDEL Ich wusste von Anfang an, dass die Idee eines Tatortrein­igers eine Menge Stoff bietet für Komik mit ernsthafte­m Boden, und ich war mir sicher, dass es ein Riesenspaß sein würde, Texte, die Ingrid Lausund für mich schreiben würde, zu spielen. Wie das dann rezipiert wird, daran denke ich eigentlich nie im Vorfeld einer Arbeit, da ich das in etwa so wenig beeinfluss­en kann wie das Wetter. Aber ich kann mich mit Sonnencrem­e und Regenschir­m bewaffnen – bei der Konstellat­ion beim „Tatortrein­iger“hatte ich das Gefühl, beides zur Genüge dabei zu haben.

Ab April drehen Sie neue Folgen. Können Sie etwas zu den Figuren und Schauspiel­kollegen sagen?

MÄDEL Natürlich nicht – aber ich kann sagen, dass es wieder um Alles gehen wird, was wesentlich und wichtig ist im Leben: Kunst, Liebe, Geld, Wahrheit und Currywurst.

Das Gespräch führt Tobias Keßler.

Eine längere Fassung des Interviews gibt es unter www.saarbrueck­er-zeitung.de/ kultur. „1000 Arten Regen zu beschreibe­n“startet am 29. März im Kino.

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FOTO: FILM KINO TEXT Bjarne Mädel in „1000 Arten Regen zu beschreibe­n“.

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