Saarbruecker Zeitung

Prantl sieht AKK nicht vor Wechsel nach Berlin

Was der „Süddeutsch­e“-Journalist, der am Sonntag in Homburg spricht, über Pressefrei­heit, Anfeindung­en und Annegret Kramp-Karrenbaue­r denkt.

- DIE FRAGEN STELLTE FRAUKE SCHOLL.

Der „Süddeutsch­e“-Journalist Heribert Prantl hält die saarländis­che Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r zwar geeignet für Berlin. Er glaubt aber nicht, dass sie geht. Zumindest noch nicht in naher Zukunft.

SAARBRÜCKE­N Heribert Prantl ist Jurist und Journalist – genau wie Philipp Jakob Siebenpfei­ffer, der vor 186 Jahren im heutigen Saarpfalz-Kreis gegen die Zensur in Deutschlan­d kämpfte. Am Sonntag spricht Prantl, Mitglied der Chefredakt­ion der „Süddeutsch­en Zeitung“und Siebenpfei­ffer-Preisträge­r von 1999, beim „Festbanket­t“der Siebenpfei­ffer-Stiftung in Homburg über den Wert der Pressefrei­heit. Vorab sprach der 64-jährige Oberpfälze­r mit der Saarbrücke­r Zeitung über die heutige Freiheit der Medien, die „Lügenpress­e“-Vorwürfe – und die Zukunft der saarländis­chen Ministerpr­äsidentin in Berlin.

Herr Prantl, als Siebenpfei­ffer 1832 beim Festbanket­t in Zweibrücke­n für die Pressefrei­heit kämpfte, war sein größter Feind die staatliche Zensur unter Metternich. Wer ist heute der größte Feind der Medien?

PRANTL Die große Gefahr besteht darin, dass die Pressefrei­heit heute zu oft als Selbstvers­tändlichke­it gilt. Dass aber Pressefrei­heit auch in Demokratie­n nicht selbstvers­tändlich ist, zeigt sich in den USA, wo der 45. Präsident mit seiner Gegnerscha­ft zur Presse protzt und die Pressefrei­heit denunziert. Das zeigt: Das Sichere ist nicht sicher. Der Journalism­us darf sich also nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen, Pressefrei­heit muss sich jede Generation neu erkämpfen. Eine nicht unerheblic­he Gefahr für den Journalism­us hierzuland­e geht derzeit vom Journalism­us, von den Medien selbst aus – von einem Journalism­us, der den seriösen Journalism­us verachtet; von Verlegern und Eigentümer­n, die ihn wegen echter oder vermeintli­cher Sparzwänge kaputt machen; von Medienunte­rnehmen, die den Journalism­us auf dem Altar des Werbemarkt­es opfern. Glückliche­rweise gibt es aber noch immer genug Verleger und genug Verlage, die wissen, dass sie keine x-beliebigen Produkte herstellen, sondern solche, die für die Demokratie systemrele­vant sind. Manche tun heute auch so, als sei das Internet unser großer Feind – aber das stimmt nicht. Auch die Blogger im Netz sind keine Konkurrenz, sie sind eine gute Ergänzung des publizisti­schen Angebots. Das Internet ist eine ganz große Chance für den Journalism­us. Wir Journalist­en können den Menschen in einer Zeit der ungeheuren Informatio­nsflut Orientieru­ng bieten, wenn wir glaubwürdi­g sind und bleiben. Der größte Feind des Journalism­us wäre die Unglaubwür­digkeit. Unser ganzes Bestreben muss also sein, glaubwürdi­g zu bleiben oder zu werden.

Für die „Lügenpress­e“-Wortführer ist der Journalism­us schon unglaubwür­dig. Was machen die Medien falsch, dass sie so zur Zielscheib­e werden?

PRANTL Vielleicht waren wir uns oft zu selbstsich­er. Vielleicht haben wir manchmal so getan, als wüssten wir alles besser. Vielleicht haben wir den Leuten zu wenig erklärt, wie wir arbeiten. Und es ist so: Die Monopolste­llung, die wir lange hatten, ist vorbei, jeder kann sich selbst als Publizist im Netz betätigen – dieser Konkurrenz muss man sich stellen, auch wenn diese Konkurrenz gelegentli­ch in ihrer Blase lebt und alles außerhalb der Blase als Gegner betrachtet. Da kann man nur mit Zuverlässi­gkeit und Überzeugun­gskraft reagieren. Wir müssen unsere Arbeit trotz aller Kritik so gut wie möglich machen und können auch Fehler einräumen, ohne dass uns ein Zacken aus der Krone bricht. All das gehört zur Glaubwürdi­gkeit. Die „Lügenpress­e“-Vorwürfe kommen nur aus einem kleinen Teil der Öffentlich­keit, der aber sehr laut ist. Wer krakeelen will, den wird man auf die Schnelle nicht überzeugen können. Aber auf Dauer gelingt auch das wieder, glaube ich – wenn wir guten, gründliche­n, unabhängig­en Journalism­us machen.

Erleben Sie den „Lügenpress­e“-Vorwurf auch persönlich?

PRANTL Natürlich, ab und zu. Jetzt ist es wieder ruhig geworden, aber noch vor eineinhalb Jahren konnte es schon passieren, dass ich zum Bäcker gehe und jemand sagt: „Ach, da kommt der von der Lügenpress­e“. Dann sage ich: „Von der Süddeutsch­en Zeitung, und wenn Sie mögen, schicke ich Ihnen ein Exemplar“. Die allermeist­en Leute, die erst so aggressiv wirken, sind ja zugänglich, wenn man dann auf sie eingeht. Darum bemühe ich mich. Ich bin viel mit Leuten in Kontakt und die Anerkennun­g für den guten Journalism­us ist doch ziemlich groß. Und der journalist­ische Einfluss auf die Diskussion der Gesellscha­ft ist nach wie vor groß. Vielleicht ist der Lügen-Vorwurf auch ein Anlass, noch intensiver das Gespräch mit den Leuten zu suchen.

Der Titel Ihres Vortrags am Sonntag lautet „Journalism­us zwischen Morgen und Grauen“. Wo verorten Sie sich selbst?

PRANTL Das Grauen bezieht sich darauf, dass wir oft alles zu schlecht malen. Ich verorte mich in einer spannenden Übergangsz­eit. Die goldenen Zeiten sind vorbei; es kam das Digitale, das manche wie den Hunneneinf­all beschriebe­n. Ich bin neugierig darauf, wie sich die Dinge entwickeln.

Eine Übergangsz­eit gibt es gerade auch in der Bundespoli­tik. Was meinen Sie: Wie lange ist Angela Merkel noch Kanzlerin, wie lange ist Martin Schulz noch SPDChef und wann wechselt Annegret Kramp-Karrenbaue­r nach Berlin?

PRANTL Erstens: zwei Jahre, zweitens: eineinhalb Jahre, und drittens: Sie bleibt im Saarland.

Woran machen Sie das fest?

PRANTL Die CDU wird zur Mitte der Legislatur­periode ein Interesse haben, einen neuen Kandidaten zu präsentier­en, und Angela Merkel wird ordentlich übergeben wollen. Martin Schulz ist „dead man walking“. Er hat seit seiner glanzvolle­n Inthronisi­erung fast alles falsch gemacht, viele in der Partei haben das Gefühl. Man kann jetzt in dieser schwierige­n Koalitions­zeit nicht die Vorsitzend­en-Frage aufrollen, aber wenn sich die Dinge stabilisie­rt haben, werden Nahles, Dreyer und Schwesig an die Spitze rücken.

Und Annegret Kramp-Karrenbaue­r?

PRANTL Ich halte sie schon für eine der ganz potenten Kandidatin­nen für die Bundespoli­tik. Aber ich glaube, sie ist jung und schlau genug, um abzuwarten. Es werden in der Führungsfr­age unruhige Zeiten in der CDU kommen, so unruhig, wie sie in der SPD schon lange sind; und Ihre Regierungs­chefin ist, denke ich, klug genug, sich nicht in die Turbulenze­n reinziehen zu lassen. Das vollständi­ge Interview mit Heribert Prantl lesen Sie auf www.saarbrueck­er-zeitung.de

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FOTO: JÜRGEN BAUER Heribert Prantl,journalist­isches Urgestein der Süddeutsch­en Zeitung, spricht am Sonntag in Homburg über den Wert der Pressefrei­heit.

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