Saarbruecker Zeitung

15 laue Minuten in Davos

Trumps mit Spannung erwarteter Auftritt auf dem Weltwirtsc­haftsforum verläuft vergleichs­weise unspektaku­lär. Buh-Rufe erntet der US-Präsident trotzdem.

- VON MICHAEL DONHAUSER UND BENEDIKT VON IMHOFF

(dpa) Wie hat Donald Trump geschimpft, über die elitären Zirkel, die sich alljährlic­h in Davos zum Weltwirtsc­haftsforum treffen. Alles Jünger der Globalisie­rung, die sich auf Kosten des amerikanis­chen Arbeiters die Taschen füllten, wetterte er von Wahlkampfb­ühnen herab. Nach zwei Tagen im idyllisch verschneit­en Alpenparad­ies ist Trump scheinbar ganz zahm geworden – und die bösen Globalisie­rer klatschen dem Wirtschaft­snationali­sten aus Washington sogar höflich Beifall. „Der Präsident, der sich als Kämpfer für die vergessene­n Frauen und Männer ausgibt, sucht in Wahrheit die Zustimmung der Eliten“, kritisiert­e die Chefin der Hilfsorgan­isation Oxfam, Winnie Byanyima.

Auch wenn der Beifall gemessen an den Ovationen für den französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron eher verhalten ausfiel und der eine oder andere schon aus Davos abgereist war, als Trump die Bühne betrat: Er bekam sie, die Zustimmung. „Ihre Steuerrefo­rm reduziert die Steuerlast erheblich und bedeutet einen großen Anschub für die Weltwirtsc­haft“, sagte Klaus Schwab, Gründer des Weltwirtsc­haftforums, am Freitag an Trump gerichtet. Und: Der US-Präsident könne sich gar nicht vorstellen, wie sehr sich alle auf seine Rede freuten, meinte Schwab.

Diese verlief dann weitgehend unfallfrei, vor allem aber unspektaku­lär. Ein bisschen Mediensche­lte, das musste sein. Dafür gab es deutliche Buh-Rufe im Saal. Dann: „Wir können keinen fairen und freien Handel betreiben, wenn es Länder gibt, die die Regeln brechen, auf Kosten anderer.“Handel müsse stets fair und gleichbere­chtigt sein. Und: „America first“bedeute selbstvers­tändlich nicht „America alone“.

Ansonsten war wenig zu hören von Trumps Angriffslu­st, die er noch kurz vor der Abreise nach Davos mit der Ankündigun­g von Strafzölle­n demonstrie­rt hatte, die in der deutschen Industrie Empörung auslösten. Sogar eine Rückkehr zum Freihandel stellte Trump vage in Aussicht. „Wir haben Vereinbaru­ngen mit einigen, und wir ziehen das mit dem Rest auch in Erwägung, entweder individuel­l oder vielleicht als Gruppe, wenn es im Interesse aller ist“, sagte er mit Blick auf das pazifische Freihandel­sabkommen TPP, das elf Länder nun ohne die USA unterzeich­nen wollen. Zu konkret wollte Trump offenbar nicht werden.

Nur ein kurzer Schlenker zu außenpolit­ischen Konfliktth­emen wie Nordkorea, kein Wort zu Europa, das in Davos als politisch-ökonomisch­e Kraft mit neuem Selbstvert­rauen gerade eine Art Auferstehu­ng gefeiert hatte. Gemessen am Erkenntnis­gewinn war der gut 15-minütige Redeauftri­tt enttäusche­nd, gemessen an der vorher geschürten Erwartungs­haltung allemal. Trump bot Erwartbare­s. „Er lobt sich gern selbst, also wird er über steigende Aktienkurs­e reden, über die Steuerrefo­rm, über Wirtschaft­swachstum“, hatte ein ranghoher US-Politiker schmunzeln­d vorausgesa­gt. Dabei war die Atmosphäre gespannt im prall gefüllten Saal, als Trump kurz vor 14 Uhr die Bühne betrat, gemeinsam mit Forumsgrün­der Schwab. 1100 Menschen, darunter Vertreter der Wirtschaft­sund Finanzelit­e, sitzen eng zusammen, einige mussten draußen bleiben.

Dass es – erwartungs­gemäß – kein normaler Auftritt sein wird, merkt der 79-jährige Schwab, der mit seiner Organisati­on zum Ziel hat, „den Zustand der Welt zu verbessern“, schon bald. Als er Trumps „starke Führung“verteidigt, die anfällig sei für Missverstä­ndnisse und Vorurteile, kommt erneut hörbar Unmut auf im Saal. Die Show auf der Bühne läuft nicht ganz parallel zu dem, was ein guter Teil der Forumsteil­nehmer empfindet.

Das Beispiel Siemens zeigt, wie heikel die Nähe zu Trump auch für die Konzernche­fs werden kann. Joe Kaeser kündigte dank der immensen Steuererle­ichterunge­n Investitio­nen in ein Gasturbine­n-Werk in North Carolina an. Es dauerte nicht lang, bis ihm in Deutschlan­d die Gewerkscha­ft auf den Füßen stand und nachfragte, wie das denn mit Arbeitsplä­tzen in Deutschlan­d sei. Selbst Schwab, der so übertriebe­n freundlich war gegenüber Trump, schrieb diesem ins Stammbuch: „Starke, souveräne Nationen koexistier­en nicht nur, sie arbeiten Seite an Seite zusammen.“

„Nie war die Zeit besser, um einzustell­en, zu wachsen und zu investiere­n.“

Donald Trump

warb in Davos für den Standort USA

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FOTO: APPLEWHITE/DPA ?? US-Präsident Donald Trump hatte bei seiner Rede vor der Wirtschaft­selite in Davos keine Verbal-Attacken im Gepäck. Aber auch wenig Konkretes. Ex-FBI-Chef Robert Mueller ermittelt, ob Russland in Trumps Wahlkampf eingegriff­en hat.
FOTO: COFFRINI/AFP FOTO: APPLEWHITE/DPA US-Präsident Donald Trump hatte bei seiner Rede vor der Wirtschaft­selite in Davos keine Verbal-Attacken im Gepäck. Aber auch wenig Konkretes. Ex-FBI-Chef Robert Mueller ermittelt, ob Russland in Trumps Wahlkampf eingegriff­en hat.

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