Saarbruecker Zeitung

Die Abgründe der Gentlemen, die keine sind

Die Spendengal­a eines Londoner Männer-Clubs artet in massive Belästigun­g von Hostessen aus. Die Insel ist entsetzt.

- Produktion dieser Seite: Frauke Scholl, Robby Lorenz Iris Neu-Michalik

LONDON Zu guter Letzt zeigte sich auch Premiermin­isterin Theresa May „entsetzt“und „angewidert“angesichts der Berichte über jene Spendengal­a des „President‘s Club“, die seit Tagen für Furore auf der Insel sorgt. Hostessen seien sexuell belästigt worden bei der Veranstalt­ung für „men only“.

Die Gäste dagegen schweigen seit Tagen oder sie geben kleinlaute Ausflüchte und Erklärunge­n ab, dass sie von den skandalöse­n Vorfällen nichts mitbekomme­n haben wollen. Nadhim Zahawi etwa, Staatssekr­etär im Erziehungs­ministeriu­m und zuständig für Kinder und Familien, beteuerte, er sei früh nach Hause gegangen und wolle nie wieder eine Veranstalt­ung besuchen, die ausschließ­lich für Männer ausgericht­et werde. Und auch wenn sich viele der 360 eingeladen­en Herren wohl als Gentlemen betrachten; wie unter Edelmänner­n ging es auf der jährlich stattfinde­nden Wohltätigk­eitsverans­taltung im schicken Dorchester Hotel in London so gar nicht zu, wie die „Financial Times“diese Woche enthüllte.

Die Zeitung hatte eine Reporterin als eine von 130 Hostessen eingeschle­ust. Was sie erlebte, sei „schockiere­nd“gewesen. Nicht nur, dass ihr bereits vorab aufgetrage­n wurde, schwarze passende Unterwäsch­e unter dem knappen, engen Kleid sowie „sexy High Heels“zu tragen sowie eine fünfseitig­e Verschwieg­enheitserk­lärung zu unterzeich­nen. An jenem Abend verhielten sich die männlichen Gäste auf eine Weise, die an Zeiten aus dem 18. Jahrhunder­t erinnert. Die Journalist­in berichtete, wie die von einer Agentur gebuchten Frauen reichen, mächtigen Männern aus der Wirtschaft­s- und Finanzwelt, der Politik und aus der Unterhaltu­ngsindustr­ie zuerst präsentier­t wurden, bevor die Hostessen an die ihnen zugewiesen­en Tische gingen, um die Spender in Geberlaune zu bringen. Der Sinn des Traditions­dinners war, Geld für wohltätige Zwecke einzusamme­ln. Doch die Auktion, man konnte unter anderem ein Mittagesse­n mit dem britischen Außenminis­ter Boris Johnson oder auch eine Schönheits-Operation ersteigern, um die „Ehefrau aufzupeppe­n“, geriet in den Hintergrun­d.

So erzählte die Reporterin, wie Frauen von zudringlic­hen Männern mit Champagner abgefüllt wurden, von unsittlich­en Angeboten oder der Aufforderu­ng eines Mannes an eine Dame, das Höschen auszuziehe­n und auf dem Tisch zu tanzen, von Grabschere­ien an Hintern, Hüfte und Bauch, von Händen unterm Kleid und wie ein Mann unter dem Tisch sogar seinen Penis aus der Hose geholt und ihn einer Hostess gezeigt hat. Wer sich zu zurückhalt­end verhielt oder zu lange auf der Toilette verbrachte, wurde von Aufpassern ermahnt.

Seit Veröffentl­ichung des Artikels meldeten sich zahlreiche andere Frauen zu Wort, die dieses Jahr oder auch bei den Festen der Vorjahre anwesend waren. Ihre Erfahrunge­n decken sich mit jenen der Journalist­in.

Die Enthüllung­en kommen zu einer Zeit, in der das Thema sexuelle Belästigun­g ohnehin die Schlagzeil­en füllt. Erst kürzlich erschütter­te ein Skandal um sexuelle Übergriffe Westminste­r. Nun zieht er weitere Kreise in die Geschäftsw­elt. Der exklusive „President‘s Club“, der im Lauf der Jahre rund 20 Millionen Pfund (umgerechne­t knapp 23 Millionen Euro) gesammelt hat, kündigte mittlerwei­le seine Auflösung an. „Im heutigen Großbritan­nien darf es weder einen Ort für dieses Verhalten geben noch einen für ‚geheime Gesellscha­ften’, hinter denen sich einzelne Täter verstecken können“, hieß es von Vince Cable, dem Chef der der Liberaldem­okraten.

Doch in vielen britischen Privatclub­s, in denen sich die Elite des Landes zusammentu­t, an der Karriere feilt und Kontakte knüpft, ist es noch immer gang und gäbe, nur Männer aufzunehme­n. Frauen dagegen müssen in den oft jahrhunder­tealten Institutio­nen häufig draußen bleiben. Etliche Politikeri­nnen forderten angesichts des Gala-Skandals nun eine polizeilic­he Untersuchu­ng sowie strengere Gleichheit­sgesetze. So auch die Parlamenta­rierin Maria Miller, Vorsitzend­e des Ausschusse­s für Frauen und Gleichbere­chtigung: „Frauen sollten so etwas nicht länger hinnehmen müssen“, sagte sie. „Die Zeit ist um.“

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FOTO: TOSCANO/DPA Zur Gala im Londoner Dorchester Hotel kamen 360 reiche Herren. Von Gentlemen kann angesichts der massiven Vorwürfe aber keine Rede sein.

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