Saarbruecker Zeitung

Warum der saarländis­che Konsens an Grenzen stößt

Das Hauen und Stechen um eine Kommunalre­form hat begonnen. Die Fronten zwischen Bürgermeis­tern und Landräten sind verhärtet wie lange nicht.

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SAARBRÜCKE­N Wann hat es das zuletzt gegeben, dass der oberste Landrat des Saarlandes die Bürgermeis­ter ermahnt, nicht nur an ihre eigenen Pfründe zu denken, sondern an das große Ganze? Die Wortmeldun­gen der vergangene­n Tage zeigen, wie blank die Nerven schon zu Beginn der Gespräche über eine Kommunalre­form liegen.

Auslöser ist ein Positionsp­apier der Landräte. Sie schlagen unter anderem vor, zahlreiche Aufgaben der Städte und Gemeinden bei den Landkreise­n zu bündeln – unter anderem die Trägerscha­ft der landesweit Grundschul­en, die Personalko­stenabrech­nung, die Standesämt­er, die Tourismus-Förderung, die Volkshochs­chulen und die Unteren Bauaufsich­ten.

Viele Ideen aus dem Papier sind vernünftig. Bisher hat noch niemand nachvollzi­ehbar erklären können, warum das Saarland zwölf Untere Bauaufsich­ten und 16 Volkshochs­chulen braucht. Die Landräte haben schon recht: Warum sollten Gemeinden Zweckverbä­nde gründen, wenn es diese in der Form von Landkreise­n längst gibt?

Der Widerstand ist massiv. Der Sulzbacher Bürgermeis­ter Michael Adam (CDU) schimpft, Städte und Gemeinden würden „zu Geldeintre­ibern für die Kreise degradiert“, sein Tholeyer Amtskolleg­e Hermann Josef Schmidt (CDU) sieht die Kommunen zu bloßen „Filialen der Kreise“schrumpfen. Natürlich darf auch das Argument nicht fehlen, dass Bürgernähe verloren gehe. Es ist mittlerwei­le zum Totschlag-Argument geworden. Bürgernah ist es im Jahr 2018 nicht mehr, ein Rathaus um die Ecke zu haben, sondern seine Anliegen und Anträge mit dem Amt digital klären zu können.

„Verwunderl­ich und entlarvend zugleich“sei die Kritik der Bürgermeis­ter, keilt nun der Vorsitzend­e des Landkreist­ags und St. Wendeler Landrat Udo Recktenwal­d (CDU) zurück. Wenn die Bürgermeis­ter beklagten, sie fühlten sich durch die Vorschläge zu „Grüß-Onkeln“(O-Ton Schmidt) degradiert, dann entlarve dies „persönlich­e Befindlich­keiten, die nicht zielführen­d sind“. Es müsse einzig und allein darum gehen, wie und auf welcher Ebene die vielschich­tigen Aufgaben bestmöglic­h erfüllt werden könnten. Aber waren es bei der letzten Verwaltung­sreform 2007/08 nicht die Landräte, die genauso argumentie­rten wie jetzt die Bürgermeis­ter, als die Kreise damals Aufgaben ans Land abgeben sollten? Ging es damals vielleicht auch um „Pfründe“?

Ein Einwand der Bürgermeis­ter ist diskussion­swürdig: Die Landkreise müssten „weniger auf strenge Sparsamkei­t“achten, erläuterte Städtetags-Präsident Jürgen Fried (SPD), weil sie sich ihr Geld per Umlage von den Städten und Gemeinden holen. Wenn das wirklich das größte Problem der Bürgermeis­ter ist – hier ist eine Lösung: Man müsste den Bürgermeis­tern nur erlauben, für den Kreistag zu kandidiere­n. Wenn in einem Kreistag acht oder zehn Bürgermeis­ter säßen, würde kein Kreishaush­alt mehr gegen ihren Willen entschiede­n. Es wäre so einfach.

Die Diskussion offenbart aber noch ein ganz anderes Problem: Der typisch saarländis­che Weg, es allen und jedem recht zu machen, stößt an seine Grenzen. Eine Lösung, die alle gut finden, wird es nicht geben. Wer die kommunalen Strukturen wirksam reformiere­n will, der muss Landräten, Bürgermeis­tern und Ratsmitgli­edern auch mal auf die Füße treten, der muss Pfründe von Parteien und Amtsinhabe­rn infrage stellen. Mit dem Kramp-Karrenbaue­r’schen Konsens-Stil wird das nicht zu machen sein.

Wir befinden uns mittlerwei­le im fünften Jahr der Diskussion um eine Kommunalre­form. Bisher entschiede­n ist: nichts. Wir wissen jetzt langsam, was angeblich alles nicht geht. Es gibt einen Innen- und Kommunalmi­nister, der sich als „Macher“versteht und bereit ist, auch mal Konflikte einzugehen. Nun denn, Herr Bouillon, „machen“Sie mal!

Wer die Strukturen wirklich verändern will, muss anderen auch mal

auf die Füße treten.

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