Vorwärts in die Vergangenheit
R etro und kein Ende: Unaufhörlich machen M otorradhersteller in Nostalgie. Klassisches Design vereint sich mit modernster T echnik.
SAARBRÜCKEN Immer weiter türmt sich bei den Motorrädern die Retro-Welle auf. An ihrer Spitze surft das Bestseller-Modell BMW R nineT in schwindelerregenden Höhen. Inzwischen bescheren fünf Varianten dem Trendsetter eine immer größere Fangemeinde. Kein Wunder, dass immer mehr RetroMotorräder auf den Markt drängen.
Laut der Fachzeitschrift Motorrad ist der Markanteil seit 2010 von rund zehn auf satte 26,54 Prozent hochgeschossen. Noch besser verkaufen sich derzeit nur sportliche Allrounder mit 30,26 Prozent Marktanteil. Hier eine subjektive Auswahl interessanter Retro-Bikes des Jahrgangs 2018 nach aufsteigendem Preis.
F.B Mondial HPS 125i (3395 Euro): Auch immer mehr Jugendliche stehen auf „Heritage“. Ihr Erbe lässt auch die legendäre italienische Motorradmarke Mondial wieder aufleben. Mondials Historie hat’s in sich: Fünf Fahrer- und fünf Markentitel zwischen 1949 und 1957. 2014 hat ein Nachfahre der Gründerfamilie Boselli den klangvollen Namen Mondial wiederbelebt. Heute entsteht in China mit Piaggio-Motoren unter anderem der 125er Retro-Café Racer F.B Mondial HPS 125i. Markante Merkmale wie die Lackierung zitieren klassisches Mondial-Design. Ein gelungenes Beispiel für die Wiederbelebung einer Legende: 125er-Fahrspaß mit Retro-Flair, und das auch noch recht erschwinglich.
Suzuki SV 650 X (circa 7000 Euro): Suzukis Café Racer-Variante seiner beliebten und günstigen SV 650 ist aus Preis-Leistungs-Gründen sehr interessant. SV 650 X nennen die Japaner schlicht ihren dezent auf Klassik getrimmten MittelklasseBestseller. Wie die zivile Modellschwester SV 650 hält auch die X geschmeidig abrufbare 76 PS Leistung sowie die ausreichende Schubkraft von 64 Nm Drehmoment bereit.
Stummellenker, eine neue Gabelbrücke und davor eine halbrunde Verkleidung erzeugen das Flair eines Café Racer, also der sportlichen 60er Jahre-Bikes, ergänzt durch schwarze Fußrasten und eine spezielle Sitzbank. Diese Suzuki ist kein Nostalgie-Extrem, aber der Handel hält Zubehör bereit. Für das hat man nach dem Kauf der günstigen SV 650 X noch reichlich Kleingeld übrig.
Yamaha XSR 700 (7495 Euro): Zur Retro-Sparte von Yamaha gehört die ebenfalls preislich attraktive, 75 PS starke XSR 700. Seit 2015 bietet sie sehr viel Motorrad fürs Geld. Die XSR der Neuzeit zitiert mit moderner Technik und Funktionalität Yamahas Klassiker XS 650. Technisch ist die in Frankreich montierte XSR fast identisch mit dem beliebten Mittelklasse-Allrounder MT-07. Das Ergebnis ist ein Nostalgie-Bike mit verziertem Alutank und OldSchool-Beleuchtung. Zwar gehört die XSR 700 zu den gemäßigt nostalgischen „Neo-Retro“-Bikes. Viele Käufer fahren aber auf den dezenten Stilmix ab und genießen auf der Echtleder-Sitzbank der XSR unbeschwerteren Fahrspaß als mit einem echten, technisch betagten Klassiker.
Royal Enfield Interceptor und Continental GT 650 Twin (circa 8000 Euro): Die Inder mit britischen Wurzeln bieten ab Frühjahr einen neuen Zweizylinder an. Jahrzehntelang diente nur ein 500-ccm-Single als Antrieb. Mit dem 48 PS starken neuen Twin mit 648 ccm sollen die Retro-Modelle neue Fans zur Marke locken: die Interceptor im Stile eines 60er Jahre Naked Bikes und die Continental GT 650 Twin als sportlicher Café Racer.
Der Nostalgie-Charme des Designs vermischt sich mit neuzeitlichen Errungenschaften wie Benzin-Direkteinspritzung, Anti-Hopping-Kupplung, ABS und neuem Sechsgang-Getriebe. Royal Enfield ist immer besonders günstig, sozusagen der Dacia der Zweiradbranche. Die mit Führerscheinklasse A2 fahrbaren Retro-Twins sind für unter 8000 Euro zu haben.
BMW R nineT Urban G/S (13 150 Euro): Mit der Urban G/S bereichert BMW seine Heritage-Baureihe und setzt gleichzeitig seinem Lebensretter von 1980 ein Denkmal. Die damals neuartige Reise-Enduro R 80 G/S bewahrte BMW-Motorrad vor der Pleite. Heute spricht das charakteristische Weiß-Blau-Orange-Dekor der Ur-G/S nicht nur Nostalgiker an, sondern die neuzeitliche Retro-Version Urban G/S kommt damit und samt knallig bunter Sitzbank auch bei jüngeren Fans an.
Die müssen allerdings recht solvent sein, denn für den Retro-Boxer ruft BMW 13 150 Euro auf. Wie bei allen Heritage-Modellen schiebt der bewährte, luft-öl-gekühlte 1,2Liter-Zweizylinder kräftig an – mit sattem Boxersound und bulliger Schubkraft. Wer’s weniger bunt mag, ist mit der gleich teuren R nineT Scrambler optisch dezenter unterwegs.
Honda CB 1100 RS (12 905 Euro): Dass Honda seine reichhaltige Historie pflegt, überrascht kaum. Seit einem Jahr im Programm sind die Nostalgie-Maschinen Honda CB 1100 EX und RS. Schon länger war das Vierzylinder-Bike mit klassischer Kühlrippen-Optik eine Augenweide. Und noch im Stand ein Ohrenschmaus, wenn nach schneller Kurvenjagd die Kühlrippen knistern. Grundsätzlich hat der sympathische Feuerstuhl seit 2017 einen neuen Tank, mehr Chrom und Alu sowie LED-Licht und eine Anti-Hopping-Kupplung.
Die CB 1100 RS hebt sich davon durch kleinere 17-Zoll-Aluminiumräder, ein optimiertes Fahrwerk und eine hochwertige UpsideDown-Vorderradgabel ab. In beiden CB 1100-Versionen drückt der hübsche DoppelnockenwellenMotor 90 PS auf die Kette. Das ist mehr als genug zum entspannten Retro-Cruisen.