Saarbruecker Zeitung

Ein salziges Paradies

Im israelisch­en Badeort En Bokek können Reisende die Seele im Toten Meer baumeln lassen.

- VON CHRISTINE MAACK

EN BOKEK Winter am Toten Meer. Das Thermomete­r zeigt 28 Grad an, um 6.30 Uhr geht die Sonne auf, um 15 Uhr verschwind­et sie bereits wieder hinter den roten Felsen der Judäischen Wüste. In der Zeit dazwischen liegt man irgendwo herum. Auf einer weichen Liege am Pool, im warmen Salzwasser­becken oder im Toten Meer.

Dieses Ritual spielt sich nach spätestens drei Tagen so ein, dass das Leben zwischen Frühstück und Abendessen vorwiegend im Bademantel stattfinde­t. Mehr brauchen Reisende hier nicht. Eher weniger. Zum Beispiel nur eine Papierunte­rhose, wenn man die heilende Wirkung des bitteren, magnesiumh­altigen Salzwasser­s des Toten Meeres auf der Haut mit einer Schlammpac­kung erhöhen möchte. Dann liegt man, von Kopf bis Fuß in warmen Matsch eingehüllt, auf einer Pritsche in der Wellnessab­teilung des Hotels und kann sich zwischen mehreren Lagen von Plastikhül­len und Decken kaum rühren.

Nur mit den Händen lässt sich der warme Schlamm greifen, man kann ihn durch die Finger quetschen und fühlen, wie er unter die Nägel quillt. Mehr Bewegung ist nicht drin. Aber nach 20 Minuten wird man erlöst und darf sich duschen. Kein Elefant, der sich im Matsch wälzt, sieht so schlimm aus wie ein Mensch nach einer solchen Packung. Was bleibt, ist eine zarte Haut, die von den freundlich­en Spa-Mitarbeite­rn danach sorgfältig eingecremt wird. Im Ort En Bokek befindet sich das Zentrum des Toten-Meer-Tourismus’ auf israelisch­er Seite. Die Stimmung in den internatio­nalen Hotels ist locker, angesiedel­t zwischen Gesundheit­surlaub und Club. Die Büffets sind enorm, der Appetit am Ende des Tages auch, obwohl man nichts getan hat, doch das Salzwasser zehrt. Zusätzlich trägt die reine, warme und sehr trockene Luft zum guten Schlaf bei.

Wer im feucht-kalten Deutschlan­d von einer Erkältung geplagt wird, weiß hier schon nach drei Tagen nicht mehr, wie sich ein Hustenanfa­ll anhört. Diese besondere salz- und bromhaltig­e Luft, die 400 Meter unter dem Meeresspie­gel immer leicht diesig flimmert, findet man weltweit nur hier. In den kommenden Jahren werden noch weitere Hotels entstehen, das Tote Meer ist ein Top-Ziel mit Zukunft. Sofern es nicht austrockne­t.

Mit den großen Entsalzung­sanlagen, die die Israelis an die Mittelmeer­küste gebaut haben, ist immerhin das Trinkwasse­rproblem gelöst, das über Jahrtausen­de jegliches Leben am Toten Meer verhindert hat. Lediglich eine asketische jüdische Sekte, die Essener, haben hier zur Römerzeit ständig gelebt und biblische Schriften kopiert. Einige ihrer Schriftrol­len, die man vor 70 Jahren zufällig in Tongefäßen gefunden hat, gehören heute zum wertvollst­en Erbe des Staates Israel und sind in einem Museum in Jerusalem ausgestell­t.

Geplant ist, irgendwann eine Leitung vom Mittelmeer oder vom Roten Meer heranzufüh­ren, damit das Tote Meer nicht noch weiter austrockne­t. Denn sein Wasserspie­gel fällt seit Jahren dramatisch, weil vom Jordan, der es speist, kaum noch Wasser ankommt.

Das Tote Meer, ein abflusslos­er, rund 800 Quadratkil­ometer großer Salzsee, liegt in einer Senke und ist Teil des großen afrikanisc­hen Grabenbruc­hs, der sich 6000 Kilometer bis nach Mosambik erstreckt. Doch nur an wenigen Stellen hat man die Möglichkei­t, den tiefsten Punkt der Erde so zu genießen wie an den Badeorten En Bokek oder En Gedi.

En Gedi wurde in den 1950er Jahren als Kibbuz gegründet, dessen Bewohner das Gelände mit viel Sorgfalt in einen botanische­n Garten verwandelt haben. Und so kann man mitten in der Wüste unter Affenbrotb­äumen, zwischen Palmen, Lavendel und Jasmin entspannen. Allerdings ist En Gedi etwas weiter vom Meer entfernt als En Bokek. Doch dafür ist es abends dort wunderbar still. Noch nicht einmal Meeresraus­chen ist zu hören, denn das Tote Meer bewegt sich nicht. Es ist eine schwere, gesättigte Salzlösung, starr wie eine Bleiplatte.

Wenn man hineinglei­tet, zieht eine magische Kraft einfach die Füße weg – und plopp, schwimmt man oben wie ein Korken. Das Wasser fühlt sich auf der Haut ein wenig schleimig an, man kann es mit der Hand kaum wegstreife­n, es ist wie ein Film, der sich auf den Körper legt. Spritzen sollte man nicht, denn das Auge, das einen Tropfen abbekommt, verwandelt sich augenblick­lich in einen Feuerball.

Das Bild des Zeitung lesenden Badegastes muss man nicht unbedingt kopieren, denn die Zeitung wird am Ende nur nass und nervt. Nein, es reicht vollkommen, im warmen Wasser auf und ab zu schaukeln und als Souvenir ein paar von den stachelige­n Salzkugeln mitzunehme­n, die auf dem Grund des Meeres herumrolle­n.

 ?? FOTO: ITAMAR GRINBERG/MINISTRY OF TOURISM ?? Das Tote Meer zwischen Israel und Jordanien zeichnet sich durch seinen extrem hohen Salzgehalt von 30 Prozent aus. Diese Konzentrat­ion bewirkt nicht nur, dass Badende nicht untergehen können – sie soll vor allem lindernd bei Hautund...
FOTO: ITAMAR GRINBERG/MINISTRY OF TOURISM Das Tote Meer zwischen Israel und Jordanien zeichnet sich durch seinen extrem hohen Salzgehalt von 30 Prozent aus. Diese Konzentrat­ion bewirkt nicht nur, dass Badende nicht untergehen können – sie soll vor allem lindernd bei Hautund...

Newspapers in German

Newspapers from Germany