Plötzlich aus dem Leben gerissen
Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörigen und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorbener vor. Heute: Aloys (Louis) Naumann.
EPPELBORN-HIERSCHEID „Wir haben am Morgen noch telefoniert. Dann bin ich zur Arbeit gefahren, und als mich dort der Anruf der Klinik erreicht hat und mir mitgeteilt wurde, dass mein Mann sterben würde, da konnte ich es absolut nicht fassen“, erzählt Iris Naumann. Diese Fassungslosigkeit, sagt sie, ist tagsüber inzwischen der traurigen Gewissheit, dass ihr Louis nicht mehr zurückkommen wird, gewichen. Doch in ihren Träumen, sagt sie, begegnet er ihr sehr oft, nimmt sie in den Arm. Eine 30 Jahre andauernde, tiefe Gemeinschaft, sagt sie, lässt sich nicht vergessen. „Er war die große Liebe meines Lebens, und er wird für immer ein Teil von mir bleiben“, sagt sie.
Kennengelernt hat sich das Paar weit weg von der Heimat im Mai 1987: „ Ich war mit einer Freundin auf Borkum, er war dort zur Kur.“Schon beim ersten Aufeinandertreffen, erinnert sie sich, sei er ihr aufgefallen, sie habe die Chance genutzt und ihn gleich zum Tanzen aufgefordert. Dass ihr Louis, der eigentlich Aloys Naumann hieß, aus dem Saarland stammte, sie aus Heidelberg kam, konnte sie ebenso wenig aufhalten wie die Tatsache, dass der acht Jahre ältere Mann bereits Vater eines Sohnes war. Aus beruflichen Gründen entschied sich Iris Lehmann damals, zu ihrem Louis ins Saarland zu kommen. Zunächst wohnten die beiden in Landsweiler bei Lebach, dann in Wustweiler.
1994 wurde Hochzeit gefeiert, ein wunderschönes Fotoalbum zeigt das Glück des verliebten Paares. Ein Jahr später entschieden sich die Naumanns, in das Elternhaus von Aloys Naumann zu ziehen. „Wir haben es komplett saniert und aufgestockt, haben uns unser eigenes Reich geschaffen“, erzählt Iris Naumann. Geboren wurde ihr Mann gleich im
Iris Naumann über ihren verstorbenen Ehemann Haus nebenan, ist also waschechter Hierscheider. Seine Eltern, Willi und Rosa Naumann, wohnen mit im Haus, trauern ebenso wie seine Geschwister, der jüngere Bruder Hans und die älterer Schwester Rosemarie sehr um ihren so plötzlich verstorbenen Angehörigen.
In Eppelborn, erzählt die Witwe, ist ihr Mann zur Volksschule gegangen, hat dann das Gymnasium in Lebach besucht, schließlich eine Lehre zum technischen Zeichner in Trier gemacht. Sehr früh, schon mit 19 Jahren, wurde er Vater von Sohn Marc, der im benachbarten Humes wohnt. Mit Weiterbildungsmaßnahmen qualifizierte er sich schließlich zum Bausachverständigen und war viele Jahre beim Tüv Saarland beschäftigt. „Und dort wäre er zum Jahresende auch in Rente gegangen, wenn ihn nicht dieses Schicksal ereilt hätte“, sagt Iris Naumann traurig.
Denn, das betont sie, sie kannte ihren Mann immer als kräftigen Kerl voller Tatendrang. „Wir haben hinter dem Haus ein riesiges Grundstück mit den Stallungen für unsere Pferde“, erzählt sie. Das Reiten hat die aus Baden-Baden stammende Iris mit in die Ehe gebracht, dafür hat sie ihrem Louis zuliebe den Motorradführerschein gemacht. „Er hat einmal zu mir im Spaß gesagt, ich heirate dich nur, wenn du den Motorradführerschein machst.“Sowohl auf dem Rücken der Pferde, als auch auf den beiden Maschinen haben die beiden viele Urlaube an der Mosel, aber auch an der Nordsee verbracht. Gemeinsam sind sie im Winter zum Skifahren aufgebrochen und haben das Tanzbein geschwungen.
Als Bausachverständiger zeichnetet Aloys Naumann verantwortlich für den Bau der Tanzsporthalle des Tanzsportclubs Residenz Ottweiler. „Ein ganzes Jahr hat mein Mann dort jede freie Minute verbracht. Aber auch das war eine schöne Zeit“, resümiert Iris Naumann. Heute, sagt sie, ist sie froh, für die vielen Dinge, die sie gemeinsam erleben durften. „Wir haben hier sehr viele Verpflichtungen rund um das Haus und die Tiere, aber wir haben uns, wann immer es möglich war, eine Auszeit genommen, sind gerne gereist und unseren Hobbys nachgegangen.“
Und auch die Zeit nach dem Eintritt in die Rente, erklärt sie, war mit einem Urlaub zum Start in den neuen Lebensabschnitt eigentlich schon geplant. Bis im September bei einer Vorsorgeuntersuchung eine leichte Kurzatmigkeit bei starker Belastung bei ihrem Mann festgestellt wurde. Schließlich empfahl der Arzt eine Herzkatheteruntersuchung. Die habe gezeigt, dass alles in Ordnung war, sagt Iris Naumann. Dass ihm dann noch am gleichen Abend ein Thrombus in der Leiste, der Einstichstelle des Katheters, zum Verhängnis werden würde, damit hatte niemand gerechnet. Nach Problemen beim Auflösen entschieden sich die Ärzte, den Thrombus schließlich operativ zu entfernen. „Am nächsten Morgen war mein Mann guter Dinge, hat mit mir telefoniert, hat Genesungswünsche per WhatsApp von seinen Kollegen erhalten und sollte eigentlich nur noch mal zur Kontrolle“, erzählt Iris Naumann. Doch auf der Toilette bracht er zusammen, ein weiterer Thrombus hatte sich gelöst und eine Lungenembolie verursacht. „Die Ärzte haben dreieinhalb Stunden versucht, meinen Mann zu reanimieren, aber das Herz ist einfach nicht wieder angesprungen“, sagt Iris Naumann und ist, selbst MTA von Beruf, bis heute fassungslos. „Er ist am Montag selbst noch zur Untersuchung gefahren, wir haben niemals mit so etwas gerechnet“, sagt sie. Vor allem, dass sie sich nicht verabschieden konnte, dass so vieles unausgesprochen blieb, sagt sie, macht ihr am meisten zu schaffen. ............................................. Auf der Seite „Momente" stellt die SZ im Wechsel Kirchen in der Region und Lebenswege Verstorbener vor. Im Internet: saarbruecker-zeitung.de/lebenswege
„Er war die große Liebe meines Lebens.“
Michaela Heinze Peter Stefan Herbst