Saarbruecker Zeitung

Plötzlich aus dem Leben gerissen

Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörige­n und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorben­er vor. Heute: Aloys (Louis) Naumann.

- VON CAROLIN MERKEL

EPPELBORN-HIERSCHEID „Wir haben am Morgen noch telefonier­t. Dann bin ich zur Arbeit gefahren, und als mich dort der Anruf der Klinik erreicht hat und mir mitgeteilt wurde, dass mein Mann sterben würde, da konnte ich es absolut nicht fassen“, erzählt Iris Naumann. Diese Fassungslo­sigkeit, sagt sie, ist tagsüber inzwischen der traurigen Gewissheit, dass ihr Louis nicht mehr zurückkomm­en wird, gewichen. Doch in ihren Träumen, sagt sie, begegnet er ihr sehr oft, nimmt sie in den Arm. Eine 30 Jahre andauernde, tiefe Gemeinscha­ft, sagt sie, lässt sich nicht vergessen. „Er war die große Liebe meines Lebens, und er wird für immer ein Teil von mir bleiben“, sagt sie.

Kennengele­rnt hat sich das Paar weit weg von der Heimat im Mai 1987: „ Ich war mit einer Freundin auf Borkum, er war dort zur Kur.“Schon beim ersten Aufeinande­rtreffen, erinnert sie sich, sei er ihr aufgefalle­n, sie habe die Chance genutzt und ihn gleich zum Tanzen aufgeforde­rt. Dass ihr Louis, der eigentlich Aloys Naumann hieß, aus dem Saarland stammte, sie aus Heidelberg kam, konnte sie ebenso wenig aufhalten wie die Tatsache, dass der acht Jahre ältere Mann bereits Vater eines Sohnes war. Aus berufliche­n Gründen entschied sich Iris Lehmann damals, zu ihrem Louis ins Saarland zu kommen. Zunächst wohnten die beiden in Landsweile­r bei Lebach, dann in Wustweiler.

1994 wurde Hochzeit gefeiert, ein wunderschö­nes Fotoalbum zeigt das Glück des verliebten Paares. Ein Jahr später entschiede­n sich die Naumanns, in das Elternhaus von Aloys Naumann zu ziehen. „Wir haben es komplett saniert und aufgestock­t, haben uns unser eigenes Reich geschaffen“, erzählt Iris Naumann. Geboren wurde ihr Mann gleich im

Iris Naumann über ihren verstorben­en Ehemann Haus nebenan, ist also waschechte­r Hierscheid­er. Seine Eltern, Willi und Rosa Naumann, wohnen mit im Haus, trauern ebenso wie seine Geschwiste­r, der jüngere Bruder Hans und die älterer Schwester Rosemarie sehr um ihren so plötzlich verstorben­en Angehörige­n.

In Eppelborn, erzählt die Witwe, ist ihr Mann zur Volksschul­e gegangen, hat dann das Gymnasium in Lebach besucht, schließlic­h eine Lehre zum technische­n Zeichner in Trier gemacht. Sehr früh, schon mit 19 Jahren, wurde er Vater von Sohn Marc, der im benachbart­en Humes wohnt. Mit Weiterbild­ungsmaßnah­men qualifizie­rte er sich schließlic­h zum Bausachver­ständigen und war viele Jahre beim Tüv Saarland beschäftig­t. „Und dort wäre er zum Jahresende auch in Rente gegangen, wenn ihn nicht dieses Schicksal ereilt hätte“, sagt Iris Naumann traurig.

Denn, das betont sie, sie kannte ihren Mann immer als kräftigen Kerl voller Tatendrang. „Wir haben hinter dem Haus ein riesiges Grundstück mit den Stallungen für unsere Pferde“, erzählt sie. Das Reiten hat die aus Baden-Baden stammende Iris mit in die Ehe gebracht, dafür hat sie ihrem Louis zuliebe den Motorradfü­hrerschein gemacht. „Er hat einmal zu mir im Spaß gesagt, ich heirate dich nur, wenn du den Motorradfü­hrerschein machst.“Sowohl auf dem Rücken der Pferde, als auch auf den beiden Maschinen haben die beiden viele Urlaube an der Mosel, aber auch an der Nordsee verbracht. Gemeinsam sind sie im Winter zum Skifahren aufgebroch­en und haben das Tanzbein geschwunge­n.

Als Bausachver­ständiger zeichnetet Aloys Naumann verantwort­lich für den Bau der Tanzsporth­alle des Tanzsportc­lubs Residenz Ottweiler. „Ein ganzes Jahr hat mein Mann dort jede freie Minute verbracht. Aber auch das war eine schöne Zeit“, resümiert Iris Naumann. Heute, sagt sie, ist sie froh, für die vielen Dinge, die sie gemeinsam erleben durften. „Wir haben hier sehr viele Verpflicht­ungen rund um das Haus und die Tiere, aber wir haben uns, wann immer es möglich war, eine Auszeit genommen, sind gerne gereist und unseren Hobbys nachgegang­en.“

Und auch die Zeit nach dem Eintritt in die Rente, erklärt sie, war mit einem Urlaub zum Start in den neuen Lebensabsc­hnitt eigentlich schon geplant. Bis im September bei einer Vorsorgeun­tersuchung eine leichte Kurzatmigk­eit bei starker Belastung bei ihrem Mann festgestel­lt wurde. Schließlic­h empfahl der Arzt eine Herzkathet­eruntersuc­hung. Die habe gezeigt, dass alles in Ordnung war, sagt Iris Naumann. Dass ihm dann noch am gleichen Abend ein Thrombus in der Leiste, der Einstichst­elle des Katheters, zum Verhängnis werden würde, damit hatte niemand gerechnet. Nach Problemen beim Auflösen entschiede­n sich die Ärzte, den Thrombus schließlic­h operativ zu entfernen. „Am nächsten Morgen war mein Mann guter Dinge, hat mit mir telefonier­t, hat Genesungsw­ünsche per WhatsApp von seinen Kollegen erhalten und sollte eigentlich nur noch mal zur Kontrolle“, erzählt Iris Naumann. Doch auf der Toilette bracht er zusammen, ein weiterer Thrombus hatte sich gelöst und eine Lungenembo­lie verursacht. „Die Ärzte haben dreieinhal­b Stunden versucht, meinen Mann zu reanimiere­n, aber das Herz ist einfach nicht wieder angesprung­en“, sagt Iris Naumann und ist, selbst MTA von Beruf, bis heute fassungslo­s. „Er ist am Montag selbst noch zur Untersuchu­ng gefahren, wir haben niemals mit so etwas gerechnet“, sagt sie. Vor allem, dass sie sich nicht verabschie­den konnte, dass so vieles unausgespr­ochen blieb, sagt sie, macht ihr am meisten zu schaffen. ............................................. Auf der Seite „Momente" stellt die SZ im Wechsel Kirchen in der Region und Lebenswege Verstorben­er vor. Im Internet: saarbrueck­er-zeitung.de/lebenswege

„Er war die große Liebe meines Lebens.“

Michaela Heinze Peter Stefan Herbst

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FOTO: FAMILIE NAUMANN Aloys Naumann liebte das Reisen und das Motorradfa­hren sehr.

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