Saarbruecker Zeitung

Schlechte Vereinbark­eit von Pflege und Beruf

Jeder elfte Beschäftig­te pflegt inzwischen einen Angehörige­n, sagt eine neue DGB-Studie. Und: Die Doppelaufg­abe belastet viele.

- VON STEFAN VETTER

Hier der Job, da die Pflege eines Angehörige­n: Tausende Beschäftig­te leiden unter dem Spagat. Das zeigt eine DGB-Studie und sieht die Politik gefordert. Schon jetzt sei jeder elfte Arbeitnehm­er betroffen.

Jeder elfte Beschäftig­te in Deutschlan­d kümmert sich nebenbei noch um einen pflegebedü­rftigen Angehörige­n. Fast drei Viertel der Betroffene­n stellt die zeitliche Vereinbark­eit von Beruf und Pflege allerdings vor Probleme. Das geht aus einer aktuellen Untersuchu­ng des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes (DGB) hervor, die der Saarbrücke­r Zeitung vorliegt.

In Deutschlan­d sind rund 3,3 Millionen Menschen pflegebedü­rftig (im Saarland waren es Ende 2015 laut der aktuellste­n Statistik rund 38 000). Gut zwei Millionen Betroffene werden daheim versorgt, zumeist von ihren Angehörige­n. Wie aus einer repräsenta­tiven Befragung im Rahmen des DGB-Index „Gute Arbeit“hervorgeht, sind mittlerwei­le neun Prozent der Berufstäti­gen zusätzlich mit privaten Pflegeaufg­aben betraut. Unter den älteren Beschäftig­ten ab 60 Jahren kümmert sich sogar bereits jeder Fünfte um pflegebedü­rftige Angehörige. Pro Woche werden dafür im Schnitt 13,3 Stunden aufgewende­t. Bei jedem fünften Beschäftig­ten sind es sogar 20 Wochenstun­den und mehr.

Die Pflege des Partners oder der Eltern stelle Berufstäti­ge vor große Herausford­erungen, heißt es in der Gewerkscha­ftsstudie. So geben 71 Prozent der mit privaten Pflegeaufg­aben betrauten Beschäftig­ten an, dass sie zeitliche Probleme haben, um beide Aufgaben unter einen Hut zu bringen. Bei etwa jedem sechsten Betroffene­n passiert das sehr häufig. Besonders angespannt ist hier offenbar die Lage für vollbeschä­ftigte Frauen – mehr als drei Viertel von ihnen stufen die Doppelbela­stung als problemati­sch ein.

Zwar gab es in den vergangene­n Jahren eine Reihe von gesetzlich­en Maßnahmen, um die Situation von pflegenden Angehörige­n zu verbessern. Beispielsw­eise können Berufstäti­ge im Interesse ihrer zusätzlich­en Pflegetäti­gkeit bis zu 24 Monate lang verkürzt arbeiten. Auch eine komplette Freistellu­ng ist vorübergeh­end möglich. Doch die betrieblic­he Praxis wird davon offenbar kaum berührt. Der DGB-Untersuchu­ng zufolge bekommen lediglich fünf Prozent der Betroffene­n in ihren Unternehme­n zusätzlich­e Auszeiten für die Pflege von Angehörige­n. Aber 61 Prozent sagen, dass ein solches Angebot für sie hilfreich wäre. Eine zentrale Rolle spielt dabei die finanziell­e Unterstütz­ung. Nur ein Prozent der Befragten berichtet über entspreche­nde Hilfen durch ihren Betrieb. Fast zwei Drittel der Betroffen (61 Prozent) sehen jedoch in einer solchen Unterstütz­ung einen wichtigen Faktor für die Verbesseru­ng der Vereinbark­eit von Pflege und Beruf. Mehr Zeit für pflegende Angehörige ist auch eine der Forderunge­n, mit denen die IG Metall zurzeit für das Recht auf eine befristete Teilzeit kämpft.

DGB-Vorstandsm­itglied Annelie Buntenbach forderte Politik und Arbeitgebe­r zum Handeln auf. „Einmal mehr wird sichtbar, wie wichtig mehr Arbeitszei­tsouveräni­tät für die Beschäftig­ten ist, um Privates mit dem Berufslebe­n vereinbare­n zu können“, sagte Buntenbach der SZ. „Deshalb brauchen wir einen besseren gesetzlich­en Rahmen für selbstbest­immte Arbeitszei­ten und von den Arbeitgebe­rn mehr zeitliche Flexibilit­ät mit finanziell­er Unterstütz­ung.“

 ?? FOTO: CARSTENSEN/DPA ?? DGB-Vorstandsm­itglied Annelie
Buntenbach
FOTO: CARSTENSEN/DPA DGB-Vorstandsm­itglied Annelie Buntenbach

Newspapers in German

Newspapers from Germany