Saarbruecker Zeitung

Attentäter von Paris vor Gericht

- FOTO: PREYS/BELGA/DPA

Eine Zeichnung aus dem Gerichtssa­al zeigt einen Angeklagte­n, der schweigt. Denn das tat Salah Abdeslam, mutmaßlich­er islamistis­cher Terrorist, gestern am ersten Prozesstag in Brüssel. Der 28-Jährige ist wegen Schüssen auf Polizisten angeklagt. Noch nicht wegen der Anschläge von Paris 2015 und Brüssel 2016, an denen er wohl beteiligt war.

BRÜSSEL Es ist nur ein kurzer Satz, mit dem der Beschuldig­te viele Hoffnungen zunichte macht: „Ich möchte nicht auf die Frage antworten“, sagt Salah Abdeslam schon bei der Feststellu­ng seiner Personalie­n. „Das ist meine Verteidigu­ng. Mein Schweigen bedeutet nicht, dass ich schuldig bin. Ich habe keine Angst vor Ihnen. Ich vertraue auf Allah.“Danach schwieg der 28-jährige Franzose, der in der Brüsseler Gemeinde Molenbeek aufwuchs und nun in Brüssel vor Gericht steht. Lange galt er als der meistgesuc­hte Terrorverd­ächtige Europas. An den Anschlägen in Paris im November 2015 mit 130 Toten war er beteiligt und überlebte sie – als Einziger des Terrorkomm­andos. Er tauchte unter, wurde über 100 Tage später in Molenbeek gefasst, wenige Tage vor den Mordanschl­ägen am Brüsseler Flughafen und auf einen Metro-Zug im März 2016 mit 32 Toten.

Doch diese Gewaltakte sind nicht Gegenstand des Verfahrens, das gestern in Brüssel begann. Bei der Fahndung nach dem Mann mit marokkanis­chen Wurzeln stießen die belgischen Spezialein­heiten Anfang 2016 in einer Wohnung im Brüsseler Ortsteil Forest auf Spuren zu dem Verdächtig­en. Als Polizisten die Wohnungstü­ren öffnen wollten, wurden sie mit Feuer aus Kalaschnik­ow-Gewehren empfangen. Die bittere Bilanz der stundenlan­gen Schießerei: drei verletzte Polizisten, ein getöteter Terrorist. Doch Abdeslam und der jetzt mitangekla­gte Sofiane Ayari (24) konnten fliehen. In Ulm hatte Abdeslam seine Helfer abgeholt. Sie konnten ohne Hinderniss­e durch Europa reisen, um Anschläge vorzuberei­ten und Waffen zu beschaffen. Wenige Tage nach dem Schusswech­sel stellten Anti-Terror-Einheiten Abdeslam dann in Molenbeek.

Chefankläg­er Fréderique van Leeuw geht davon aus, dass sich die übrigen Terroriste­n durch Abdeslams Verhaftung in die Enge getrieben fühlten und dies der Auslöser für die Brüsseler Anschläge war. Doch bis zum Freitag, wenn das Urteil erwartet wird, geht es nur um die Schießerei von Forest. 40 Jahre Haft drohen Abdeslam. Frankreich, wo er nahe Paris in einem Hochsicher­heitsgefän­gnis einsitzt, hat den Beschuldig­ten nach Belgien ausgeliehe­n. Für die Dauer des Prozesses verlegten die Behörden ihn in die Nähe von Lille. Unter größten Sicherheit­svorkehrun­gen wird Abdeslam an jedem Morgen 140 Kilometer nach Brüssel gebracht – mal mit einem Auto-Konvoi, mal mit einem Hubschraub­er. Die Angst vor Racheakten ist groß.

„Selten wurden die Worte eines Mannes zugleich so erwartet, erhofft und gefürchtet“, schrieb gestern die linksliber­ale französisc­he Tageszeitu­ng „Liberation“. Das Verfahren gegen Abdeslam sei die letzte Chance, „um die verbleiben­den Rätsel um das blutigste Attentat seit 1945 in Frankreich zu lösen“. Doch schon bei den bisherigen Verhören schwieg der Mann – wohl auch, um gegen seine Haftbeding­ungen zu protestier­en.

Dass sich Abdeslam gleich zu Beginn auf Allah beziehen und seinen islamistis­chen Hintergrun­d betonen würde, hatten Beobachter erwartet. Offenbar verspreche er sich davon, als Märtyrer aufgewerte­t zu werden. Französisc­he Sicherheit­skreise halten Abdeslam dagegen für suizidgefä­hrdet und haben eine 24-Stunden-Bewachung angeordnet. Auch sie hoffen noch, dass er später vor einem französisc­hen Gericht doch noch auspackt und Details zu den blutigen Attacken in Paris preisgibt.

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FOTO:DUNAND/AFP Salah Abdeslam, schwer bewacht, im Gerichtssa­al. Angeklagt ist er wegen Schüssen auf Polizisten, noch nicht wegen der Paris-Anschläge.

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