Saarbruecker Zeitung

Kriminalbe­amte für legales Kiffen

Am Cannabis-Verbot rütteln viele schon lange. Unerwartet­e Unterstütz­ung kommt jetzt vom Bund der Kriminalbe­amten. Andere Polizei-Vertreter warnen.

- VON GISELA GROSS UND BERNHARD SPRENGEL

SAARBRÜCKE­N (pbe) Der Bund Deutscher Kriminalbe­amter hat gestern ein Ende des Cannabis-Verbots gefordert und damit eine heftige Debatte ausgelöst. Auch im Saarland. Staatssekr­etär Stephan Kolling (CDU) lehnt eine Legalisier­ung strikt ab. Genau wie die Gewerkscha­ft der Polizei. Sie will aber einfache Konsumente­n weniger hart bestrafen.

(dpa) Den Kampf gegen den Drogenhand­el hat die deutsche Polizei längst aufgenomme­n, ob in Hamburg oder Berlin. Erwischt werden aber meist nur die Konsumente­n, nicht die Drahtziehe­r. Bestraft werden nur wenige. Im Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg zum Beispiel können Einheimisc­he und Touristen rund um die Uhr sämtliche Drogen kaufen, nicht nur Marihuana. Ist der Weg des Verbotes also sinnlos, weil er nicht funktionie­rt?

Zumindest für die Legalisier­ung von Cannabis spricht sich nicht nur der Deutsche Hanfverban­d seit Jahren aus. Der Aufwand von Polizei und Justiz sei unverhältn­ismäßig, sagt Verbandsge­schäftsfüh­rer Georg Wurth. Die jahrzehnte­alte „Legalize“-Kampagne bekommt nun Rückendeck­ung von ungewohnte­r Seite. Auch der Bund Deutscher Kriminalbe­amter (BDK) will eine komplette Entkrimina­lisierung von Cannabis-Konsumente­n.

„Die Prohibitio­n von Cannabis ist historisch betrachtet willkürlic­h erfolgt und bis heute weder intelligen­t noch zielführen­d“, sagt BDK-Chef André Schulz der „Bild“-Zeitung. Das sei übrigens die Beschlussl­age seines Verbandes seit 2014, betont der Hamburger Kriminalha­uptkommiss­ar. Schulz verweist auf die negativen Folgen der Repression wie die offene Drogenszen­e und Beschaffun­gskriminal­ität. Das Hauptprobl­em seien Alkohol und Tabak, Cannabis sei dagegen keine tödliche Droge.

Die Deutsche Polizeigew­erkschaft sieht das ganz anders. „Cannabis zu erlauben, wäre ein fatales Signal“sagt ihr Vorsitzend­er Rainer Wendt. Er möchte aber auch nicht, dass seine Kollegen „für den Papierkorb“arbeiten. Anstatt ein aufwendige­s Strafverfa­hren einzuleite­n, sollten Konsumente­n lieber zu einer verpflicht­enden Beratung geschickt werden. Sein Kollege von der Gewerkscha­ft der Polizei, Oliver Malchow, glaubt dagegen, dass es eine heilsame Wirkung auf jugendlich­e Konsumente­n hat, wenn sie mit ihren Eltern auf die Polizeiwac­he kommen müssen. „Das wirkt auf jeden Fall“, meint Malchow.

Die Durchsetzu­ng des Drogenverb­ots (Prohibitio­n) sei zwecklos, zu teuer und schädige Gesellscha­ft und Konsumente­n, meint auch der sogenannte Schildower Kreis, dem sich mehr als 100 Strafrecht­sprofessor­en angeschlos­sen haben. Auch in der Politik hat die These Anhänger, etwa in der FDP und bei den Grünen. Grünen-Politiker Cem Özdemir, der schon mal mit einer Cannabis-Pflanze auf seinem Balkon für Schlagzeil­en sorgte, twittert gestern: „Wir sollten auf unsere Polizeiexp­erten hören: besseren Jugendschu­tz gibts nur bei #cannabis Entkrimina­lisierung.“

Während der Konsum von Alkohol und Tabak immer stärker reglementi­ert wird, scheint der Zug bei Cannabis in die entgegenge­setzte Richtung zu fahren. Seit knapp einem Jahr ist die Droge als Medikament zugelassen. Einige Experten sehen diese Entwicklun­g mit großer Skepsis. Die enormen gesundheit­lichen Gefahren durch den Cannabis-Wirkstoff THC seien durch internatio­nale Studien bestens belegt, sagt der Facharzt für Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie am Universitä­tsklinikum Hamburg-Eppendorf, Rainer Thomasius. Gerade bei Jugendlich­en führe THC zu schweren Hirnschädi­gungen, verhindere eine altersgere­chte Entwicklun­g und könne zu Psychosen oder gar Schizophre­nie führen. Zudem gebe es schwerwieg­ende psychosozi­ale Folgen, wie gerade die Entwicklun­g im US-Bundesstaa­t Colorado zeige, wo der Cannabis-Konsum vor zwei Jahren legalisier­t wurde. „Für diejenigen, die regelmäßig kiffen, sind die Schäden durchaus vergleichb­ar“, sagt Thomasius zum Argument mit dem angeblich viel schädliche­ren Alkohol.

Auch der österreich­ische Psychiater Kurosch Yazdi warnt vor einer Verharmlos­ung von Cannabis. „Der Joint von heute ist anders als der Joint von früher“, schreibt er in seinem Buch „Die Cannabis-Lüge“. In modernen Züchtungen seien die THC-Konzentrat­ionen im Vergleich zu den 60er und 70er Jahren regelrecht explodiert, während immer weniger von dem positiven Wirkstoff Cannabidio­l enthalten sei. „Dadurch wird man natürlich stärker berauscht, aber auch eher psychotisc­h“, sagt Yazdi.

„Die Prohibitio­n von Cannabis ist weder intelligen­t noch zielführen­d.“

André Schulz

BDK-Chef

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FOTO: KIRILLVASI­LEVCOM/FOTOLIA Einen Joint zu rauchen, sollte in Deutschlan­d nicht länger illegal sein, meint der Bund der Kriminalbe­amten. Konsumente­n sollten entkrimina­lisiert werden, begründet das die Gewerkscha­ft.

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