Saarbruecker Zeitung

Der Mann, der die Riesenrake­te liebt

Der amerikanis­che Unternehme­r Elon Musk will heute mit der „Falcon Heavy“ein Tesla-Elektroaut­o ins Weltall befördern.

- VON FRANK HERRMANN Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik Teresa Bauer

Für Elon Musk steht viel auf dem Spiel, wenn heute die „Falcon Heavy“in Florida von der Startrampe abheben soll. Die Super-Rakete soll ein E-Auto der Marke Tesla ins All schießen. Mit der Aktion will Musk vergessen lassen, was zuletzt alles an seinem Image kratzte, allen voran die ernüchtern­den Zahlen, mit denen der Autobauer Tesla aufwartete. Noch im Juli hatte Musk optimistis­ch verkündet, bis Dezember rund zwanzigtau­send Model-3-Limousinen ausliefern zu wollen, jene Elektroaut­os, die Tesla den Weg in die Massenprod­uktion ebnen sollen. Tatsächlic­h waren es dann im vierten Jahresquar­tal gerade mal 2425 – ein Klacks, wenn man es mit der Lawine von Vorbestell­ungen vergleicht.

Da war sie wieder, die Kluft zwischen vollmundig­en Ankündigun­gen und den eher mageren Ergebnisse­n. Da war Musk in den Augen seiner Kritiker wieder der Sprücheklo­pfer, der seine Visionen mit maximalem PR-Effekt an die große Glocke hängt, aber nur selten hält, was er verspricht. Mal träumt er von Kolonien auf dem Mars, mal von Vakuumröhr­en, durch die Züge in weniger als dreißig Minuten von Los Angeles nach San Francisco rasen. Alles nur Hype? Oder wichtige Denkanstöß­e eines Genies?

Schon um den Vorwurf der Schaumschl­ägerei zu entkräften, hängt jetzt viel vom Erfolg seiner Rakete ab. Seit dem Apollo-Programm mit seinen Mondflügen hat Cape Canaveral keine mächtigere mehr gesehen. Zwar kann es auch die „Falcon Heavy“von der Größe her nicht mit der Saturn V aufnehmen, die einst die Mondastron­auten ins All brachte. Doch sie kann fast dreimal mehr an Ladung aufnehmen als die Falcon 9, ihre Vorgängeri­n: 70 Tonnen. „Ich liebe diese Rakete so sehr“, schrieb Musk neulich in einem Tweet.

Musk hat weder Aeronautik studiert noch hat er je die Erde in einem Raumschiff umkreist oder in einer Kommandoze­ntrale der Nasa gesessen. Dass er Autodidakt ist, gibt er ohne Umschweife zu. Allerdings, so lässt er bisweilen wissen, ein Autodidakt mit Physikdipl­om. Seit er als Kind im südafrikan­ischen Pretoria Science-Fiction-Romane verschlang, ist er besessen von der Erforschun­g des Universums.

Mit 17 wanderte er aus in die kanadische Heimat seiner Mutter, von wo es ihn bald in die USA zog. An der prestigetr­ächtigen Universitä­t Stanford brach er seine Promotion ab, weil die Dotcom-Revolution rief. 1995 gründete er ein Unternehme­n namens Zip 2, spezialisi­ert auf eine Mischung aus digitalen Landkarten und Gelben Seiten. Als er es verkaufte, steckte er den Millionene­rlös in sein nächstes Startup, einen Online-Bezahldien­st. Als dann Paypal für 1,5 Milliarden Dollar an das Auktionsha­us EBay ging, hatte Musk, finanziell gesehen, den Sprung in die Spitzenlig­a des Silicon Valley geschafft. Den plötzliche­n Reichtum nutzte er, um seiner eigentlich­en Leidenscha­ft zu frönen, dem Bau von Weltraumra­keten. 100 Millionen Dollar zweigte er als Startkapit­al ab, um die Space Exploratio­n Technologi­es Corporatio­n zu gründen, kurz Space X.

Mit welchem Eifer er sich dem Kapitel widmete, bevor seine Ideen Gestalt annahmen, hat Kevin Hartz, einer der ersten Investoren bei Paypal, einmal anhand einer Episode aus einem Hard Rock Café geschilder­t. „Wir lungern ein bisschen herum, und da ist Elon, vertieft in ein obskures sowjetisch­es Raketenhan­dbuch, dessen Seiten nach Schimmel rochen und das aussah, als hätte er es sich bei Ebay besorgt.“Musk, so schreibt dessen Biograf Ashlee Vance, habe mit kühlem Kalkül eine Marktlücke erkannt. Die Etablierte­n hätten zu teure Produkte angeboten, „sie bauten für jeden Start einen Ferrari, wo es auch ein Honda getan hätte“. Musk wollte das ändern. In Hawthorne, im Ballungsra­um von Los Angeles, gründet er eine Fabrik, die auf dem Prinzip beruht, selber herzustell­en, was sich selber herstellen lässt. Möglichst billig.

Anfangs geht alles schief. Beim ersten Versuch, im März 2006, versagt nach nur 34 Sekunden das Triebwerk der Falcon 1. Auch der zweite Versuch schlägt fehl. Beim dritten trennen sich die erste und zweite Stufe nicht wie geplant, so dass der Flug in einem Feuerball endet. Erst beim vierten Anlauf wird der Leidenscha­ftliche für seine Ausdauer belohnt. Wäre auch der gescheiter­t, verriet er später dem Fernsehmag­azin „60 Minutes“, hätte er aufgeben müssen. Für einen fünften Versuch hätte ihm das Geld gefehlt. Vance hat es anders beschriebe­n. In seinem Buch zitiert er Musk mit den Worten, seine Mentalität sei die eines Samurai. Er würde sich eher ins Schwert stürzen, als ein Scheitern einzugeste­hen.

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FOTO: SPACEX/DPA Teststart auf dem Weltraumba­hnhof Cape Canaveral in Florida Ende Januar: Dabei wurden alle 27 Triebwerke der „Falcon Heavy“, einer Superraket­e von Elon Musks Unternehme­n SpaceX, gezündet.
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FOTO: MACMAHON/DPA Elon Musk ist Mitbegründ­er des Unternehme­ns Tesla, das auch Elektroaut­os baut.

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