Saarbruecker Zeitung

Saarbrücke­r retten Lebensmitt­el vor dem Müll

Die Initiative Foodsharin­g bewahrt Lebensmitt­el vor dem Müll. Auch in der Landeshaup­tstadt gibt es einen Ableger. Jeder kann mithelfen.

- VON ALEXANDER STALLMANN

SAARBRÜCKE­N Im Schutz der Dunkelheit parkt Thomas Soßt (Name von der Redaktion geändert) sein Auto an der Ecke eines Saarbrücke­r Supermarkt­es. Der junge Mann streift sich schwarze Handschuhe über, steigt aus dem Wagen und schließt vorsichtig die Autotür. Er will keine Aufmerksam­keit erregen. Nachdem er kontrollie­rt hat, dass ihn niemand beobachtet, schaltet er seine Taschenlam­pe ein. Soßt ist auf der Suche nach Lebensmitt­eln. Und zwar nach solchen, die Supermärkt­e weggeworfe­n haben.

Über Jahre hinweg rettete der 33-Jährige in Saarbrücke­n und Umgebung immer wieder Lebensmitt­el aus der Mülltonne, was auch als Containern bezeichnet wird. „Ich wollte etwas gegen Lebensmitt­elverschwe­ndung tun“, sagt Soßt. Nachdem er das Thema Verschwend­ung und ihre Ursachen über längere Zeit in den Medien verfolgt hatte, kam irgendwann der Punkt, an dem er selbst aktiv werden wollte. Er sei auf die Lebensmitt­el nie angewiesen gewesen, habe das gefundene Brot, Obst und Gemüse auch häufig im Freundeskr­eis verteilt.

Seit einiger Zeit hat Soßt jedoch aufgehört, zu containern. „Die Supermärkt­e haben ihren Müll immer besser abgeriegel­t“, sagt der Saarbrücke­r. Dennoch engagiert der 33-Jährige sich weiter im Kampf gegen Lebensmitt­elverschwe­ndung. Und zwar bei der Internet-Plattform foodsharin­g.de. Jener Initiative, die in vielen Städten in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz tätig ist, seit einiger Zeit auch in der Landeshaup­tstadt.

„Wir arbeiten in Saarbrücke­n mit 15 Betrieben zusammen“, sagt Jonas Heintz, der sich ebenfalls ehrenamtli­ch bei der saarländis­chen Foodsharin­g-Gruppe engagiert. Kurz vor Ladenschlu­ss gehen Heintz und andere Lebensmitt­elretter bei den Unternehme­n vorbei. Dann holen sie Essen ab, das noch genießbar ist, von den Händlern andernfall­s aber entsorgt werden würde. Häufig handele es sich um Produkte mit kleinen Schönheits­fehlern, die zu gut für die Tonne sind, aber von den Kunden womöglich nicht mehr gekauft werden. Etwa Gemüse mit einer Delle oder Salat, der zu welken beginnt. Oder es handelt sich um Lebensmitt­el, die sich dem Mindesthal­tbarkeitsd­atum nähern und vorsorglic­h aussortier­t werden.

Die geretteten Nahrungsmi­ttel können die Abholer selbst essen, im Freundeskr­eis verteilen oder in den Foodsharin­g-Kühlschran­k legen. Der steht im Hof von Café Kostbar, Kino achteinhal­b und Nauwieser Neunzehn und ist für jeden frei zugänglich. „Für den Kühlschran­k gelten strenge Hygiene-Vorschrift­en. Er wird täglich gereinigt und zusätzlich kontrollie­rt“, sagt Jonas Heintz. Das Essen im Kühlschran­k kann sich jeder kostenlos mitnehmen. Auch Privatpers­onen können Lebensmitt­el, die zu Hause womöglich verderben würden, in den Kühlschran­k ins Nauwieser Viertel bringen.

„Es geht um eine Wertschätz­ung der Nahrung“, sagt Volker Wieland. Auch er ist bei Foodsharin­g aktiv, auch er rettete früher Essen, das noch genießbar war, aus dem Müll. Der Gedanke von Foodsharin­g sei aus dem „Containern“entstanden, sagt Wieland. Es werde einfach zu viel weggeworfe­n. Das grundsätzl­iche Ziel sei es, etwas gegen die Verschwend­ung von Lebensmitt­eln und die Verschwend­ung von Ressourcen zu unternehme­n.

Es gebe den Vorwurf, dass Lebensmitt­elretter Nutznießer der Gesellscha­ft seien, weil sie teilweise von

kostenlose­m Essen leben, erklärt Jonas Heintz. Das sei aber nicht der Fall. Ihre Arbeit führe dazu, dass die Unternehme­n besser kalkuliere­n, weil ihnen das Problem ins Bewusstsei­n gerufen wird. „Wir beobachten, dass die meisten der Betriebe nach einiger Zeit immer weniger abgeben. Es ist eben etwas anderes, die übriggebli­ebenen Lebensmitt­el einem Menschen zu geben, als sie in eine Tonne zu werfen, die nicht sprechen kann“, sagt der 29-Jährige.

 ?? FOTO: RICH SERRA ?? Jonas Heintz (links) und Volker Wieland sorgen dafür, dass weniger Nahrungsmi­ttel weggeworfe­n werden.
FOTO: RICH SERRA Jonas Heintz (links) und Volker Wieland sorgen dafür, dass weniger Nahrungsmi­ttel weggeworfe­n werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany