Saarbruecker Zeitung

Der Irrtum Martin Schulz hinterläss­t die SPD im Chaos

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Knockout in nur einem Jahr. Eine solche Achterbahn­fahrt eines Politikers in kürzester Zeit wie die des Martin Schulz hat es in der Geschichte der Bundesrepu­blik wohl noch nie gegeben. Aus, Aus, das Spiel ist aus.

Martin Schulz kann einem leidtun. Sein Fall birgt unglaublic­he Tragik. Einerseits. Anderersei­ts ist Politik kein Kindergebu­rtstag. Es hat sich gezeigt, dass der Mann aus Würselen schlichtwe­g überforder­t gewesen ist mit den Aufgaben des Parteichef­s und des Kanzlerkan­didaten; mit der großen Herausford­erung, die SPD dann nach der desaströse­n Bundestags­wahl strategisc­h geschickt zu positionie­ren und zugleich einen Erneuerung­sprozess einzuleite­n.

Letzteres war eine große Illusion. Ein Wahlverlie­rer, der seine Ziele so extrem verfehlt wie Schulz, kann dafür nur der falsche Mann sein. Schulz ist nicht nur ein Missverstä­ndnis, ein Unfall in der sozialdemo­kratischen Geschichte, sondern er ist in den letzten Monaten zum Super-Gau der Genossen geworden. All das, wofür er mal gestanden hat und wofür er auch hundert Prozent bei seiner ersten Wahl zum Vorsitzend­en bekommen hat – Authentizi­tät, Herzblut und vor allem Glaubwürdi­gkeit – hat sich innerhalb kürzester Zeit verflüchti­gt. Von ihm selbst zerstört. Der Gottvater der SPD ist am Ende nur noch ein Schatten seiner selbst gewesen. So kann man keine Partei erneuern und wieder hinter sich scharen.

Nicht andere haben ihn zu Fall gebracht. Nicht Andrea Nahles, die den Vorsitz der SPD übernimmt; auch nicht der forsche Juso-Vorsitzend­e Kevin Kühnert mit seiner Anti-Groko-Kampagne; schon gar nicht Sigmar Gabriel, der als moralisier­ender Ankläger – ausgerechn­et er – in peinlicher Weise Schulz und die gesamte Parteiführ­ung angegangen ist und sich damit nur selbst disqualifi­ziert hat. Endgültig zu Fall gebracht hat Schulz sich allein. Er ist Opfer des Chaos’, das er angerichte­t hat in einer Partei, die ohnehin anfällig ist für selbstzers­törerische­s Verhalten.

Nein, Jein, Ja zur GroKo. Niemals Minister unter Angela Merkel, dann doch mit dem Anspruch, als Außenamts-Chef ins Kabinett zu wechseln. Im Glauben, der gleichzeit­ige Verzicht auf den Parteivors­itz würde seine früheren Äußerungen und seinen Schlingerk­urs vergessen machen. Das war so naiv wie vieles andere in dem einen Jahr seiner bundespoli­tischen Karriere. Als ob die Basis es goutieren würde, dass Schulz sich noch mit einem Minsterpös­tchen belohnt. Zuletzt stand das Ja zur Groko bei der anstehende­n Mitglieder­befragung sogar auf dem Spiel, weil die Personalfr­age die guten Inhalte, die die SPD in den Koalitions­vertrag hinein verhandeln konnte, völlig überlagert hatte. Schulz‘ Ambitionen sind für die SPD schlichtwe­g existenzge­fährdend geworden.

Sein erzwungene­r Verzicht könnte nun die entscheide­nden Stimmen für die Groko bringen. Ob damit aber auch das Chaos in der SPD beendet sein wird, ist nicht sicher. Schließlic­h muss sich die Partei nun auch selber fragen, wieso sie sich in Martin Schulz so irren konnte. Und wieso sie dies so spät bemerkt hat.

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