Saarbruecker Zeitung

US-Republikan­er ziehen die Spendierho­sen an

Bei Barack Obama geißelten sie höhere Staatsschu­lden. Jetzt macht Trumps Partei den Weg für ein gigantisch­es Defizit frei – trotz Wirtschaft­sbooms.

- FRANK HERRMANN

WASHINGTON Es ist ziemlich genau sieben Jahre her, da erreichte die Tea-Party-Welle den US-Kongress in Washington. Reihenweis­e zogen Abgeordnet­e ins Parlament ein, die nur ein Thema zu kennen schienen: das Staatsdefi­zit. Unter dem Großschuld­enmacher Barack Obama, warnten sie, nehme die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben Ausmaße an, die Amerika über kurz oder lang in den Ruin treibe.

Von den rechten Rebellen in Zugzwang gebracht, sprach bald auch die republikan­ische Parteiprom­inenz von den griechisch­en Verhältnis­sen, die dem Land drohten. Später war es Donald Trump, der im Wahlkampf eine Wende hin zu eiserner Fiskaldisz­iplin versprach. Gelegentli­ch prahlte er zwar damit, dass man ihn den „König der Schulden“nenne, hatte er doch große Teile seines Immobilien­geschäfts über Kredite finanziert. Doch kaum saß er im Weißen Haus, entwarfen seine Budgetspez­ialisten Prognosen in leuchtende­n Farben. Aus den 440 Milliarden Dollar an roten Zahlen, die man im Finanzjahr 2018 noch hinnehmen müsse, schätzten sie, würde 2027 eine schwarze Null. Genauer: 16 Milliarden an Überschüss­en.

Alles Schnee von gestern. Tatsächlic­h stellt sich nun auch Trump hinter ein Haushaltsp­aket, das in den nächsten zwei Jahren rund 300 Milliarden Dollar an zusätzlich­en Kosten verursache­n wird. Mehr als die Hälfte des Betrags kommt dem Militär zugute, der Rest fließt – außer in die Aufbauhilf­e für Hurrikan-Geschädigt­e – in Sozialprog­ramme, die für die Demokraten Priorität haben. Das jährliche Defizit wird dadurch 2019 voraussich­tlich auf eine Billion Dollar steigen, das ist mehr als doppelt so viel wie noch vor drei Jahren. Bis 2027, rechnen Experten vor, dürfte es auf zwei Billionen klettern, falls sich am Trend nichts ändert. Was man bis dahin an Schuldenbe­rgen aufgetürmt habe, werde die Wirtschaft­sleistung eines Jahres übersteige­n, nämlich bei 105 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s liegen. Es wäre ein Verhältnis, wie es das Land letztmalig am Ende des Zweiten Weltkriegs verzeichne­te.

Der ultra-liberale Republikan­er Rand Paul, einer jener Senatoren, die einst auf der Tea-Party-Welle surften, spricht denn auch entrüstet von der Scheinheil­igkeit seiner eigenen Parteifreu­nde. „Sind die Demokraten an der Macht, geben die Republikan­er die Konservati­ven. Sind die Republikan­er an der Macht, gibt es keine konservati­ve Partei“, skizziert er die Lage treffend.

Die USA als großes Griechenla­nd, das war einmal das Lieblingst­hema der Grand Old Party, wie die Republikan­er auch heißen. Als Obama im Oval Office residierte, drohten republikan­ische Haushalts-Hardliner regelmäßig damit, lieber den Regierungs­betrieb mangels laufender Finanzieru­ng lahmzulege­n, als die Obergrenze anzuheben, bis zu der sich der amerikanis­che Bund verschulde­n darf. Nun wird die Schuldenob­ergrenze, im Zuge einer überrasche­nden Einigung mit den Demokraten, für zwei Jahre ausgesetzt.

Es ist ein bemerkensw­erter Kurswechse­l, der nicht nur Konservati­ve irritiert. Auch Leute wie Nobelpreis­träger Paul Krugman, ein eher linker Ökonom, spricht von den „Betrügerei­en“der fiskalisch­en Falken. Als die Regierung Obamas in großem Stil neue Schulden aufnahm, habe sie vernünftig gehandelt. Die Wirtschaft habe unter den Folgen der Finanzkris­e gelitten, und da Privatbürg­er weniger konsumiert­en, musste der Staat einspringe­n. Ganz anders heute: nahezu Vollbeschä­ftigung, die Konjunktur in vollem Schwung, Trumps Steuersenk­ungen wirken wie ein Stimulus, den die Wirtschaft nicht braucht. In guten Zeiten müsse man Defizite abbauen, statt sie zu erhöhen, mahnt Krugman und zitiert seinen Lehrmeiste­r Keynes: „Der Boom, nicht die Flaute, ist die richtige Zeit für Austerität im Finanzress­ort“.

„Sind die Republikan­er an der Macht, gibt es keine Konservati­ven.“Rand Paul US-Senator

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