Saarbruecker Zeitung

Ein rauer Ton bei den Brexit-Verhandlun­gen

London empfindet die Regelungen, die die EU für die Übergangsp­hase nach dem britischen Austritt vorgesehen hat, als Bestrafung­en.

- VON DETLEF DREWES

BRÜSSEL Zwischen London und Brüssel knirscht es gewaltig. Bei den Brexit-Verhandlun­gen fordert die britische Seite Sonderrege­lungen auch während einer Übergangsp­hase, die die EU-Partner nicht akzeptiere­n wollen. Der Zeitplan gerät einmal mehr ins Wanken.

Vier Tage lang verhandelt­en Briten und Europäer in dieser Woche über den Brexit – doch am Ende gab es statt Fortschrit­ten nur neuen Ärger. „Wir wollen das Vereinigte Königreich nicht bestrafen“, sagte EU-Chefunterh­ändler Michel Barnier am Freitag. Doch genau so empfindet London, was die Union in dieser Woche an Regelungen über die nach dem Austritt geplante Übergangsp­hase vorgesehen hat. In dieser Zeit soll Großbritan­nien alle europäisch­en Vorschrift­en weiter beachten müssen – also auch die, die während dieser 21 Monate ab März 2019 erlassen werden. Und dann folgt in dem Papier, das die Kommission in der nächsten Woche mit den Staats- und Regierungs­chefs abstimmen will, eine Fußnote, die in der britischen Hauptstadt offenbar für helle Aufregung gesorgt hat. Zunächst soll die Insel bis Ende 2020 Zugang zum europäisch­en Binnenmark­t haben. In Streitfäll­en müsste der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) in Luxemburg entscheide­n. Schon diese Absicht stößt im Vereinigte­n Königreich auf strikte Ablehnung. Doch als völlig inakzeptab­el gilt der Vorschlag, dass die EU den Zugang zum Binnenmark­t sofort und ohne Gerichtsur­teil aufkündige­n könnte, falls ein Gerichtsve­rfahren zur Beilegung eines Streits länger dauern sollte als der geplante Übergang.

„Ich glaube, es ist nicht im guten Weilen geschehen, ein Dokument zu veröffentl­ichen, in offensicht­lich unhöfliche­r Sprache, und anzudeuten, dass man effektiv die Übergangsp­hase abbrechen könnte“, schimpfte der britische Brexit-Minister David Davis. „Es ist unklug“, so etwas bekannt zu machen. Barnier seinerseit­s äußerte sich am Freitag „überrascht“. Schließlic­h könne es nicht so sein, dass London während der Anpassungs­periode den europäisch­en Gesetzgebu­ngsprozess zum Erliegen bringe oder jede Kleinigkei­t vor Gericht bringe, um die Umsetzung hinauszuzö­gern.

Der Ton bei den Brexit-Verhandlun­gen wird rauer. Noch vor einigen Wochen hatte Ratspräsid­ent Donald Tusk eine Einladung Richtung London ausgesproc­hen, sich die Sache mit dem Brexit nochmal zu überlegen. Die EU sei dann ihrerseits bereit, über die Fortdauer der Mitgliedsc­haft nachzudenk­en. Doch das Angebot wurde postwenden­d zurückgewi­esen.

Mehr noch: Premiermin­isterin Theresa May hatte am vergangene­n Wochenende mit ihrer pointierte­n Absage an eine Zollunion für neue Schärfe gesorgt. Barnier wiederum kritisiert­e am Freitag, dass zentrale Fragen auch der bisherigen Gespräche „noch nicht endgültig“geklärt seien. Das ist so, denn London hat bisher etwa keine Details vorgelegt, wie die künftige Grenze zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland aussehen soll.

Es wird also wieder einmal eng. Ob der gesteckte zeitliche Rahmen, die Themen rund um die Übergangsp­eriode bis Ende März dieses Jahres abzuschlie­ßen, eingehalte­n werden kann, scheint offen.

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FOTO: EMMANUEL DUNAND/AFP Der EU-Chefunterh­ändler Michel Barnier kritisiert London dafür, dass bei den Brexit-Verhandlun­gen zentrale Fragen – etwa zur künftigen Grenze zu Irland – noch immer nicht geklärt sind.

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