Saarbruecker Zeitung

Versichere­r verdienen am Klimawande­l

Katastroph­en gehören zum Geschäftsm­odell der großen Konzerne. Kritisch wird es für sie nur, wenn sich die Ereignisse zu schnell häufen.

- Produktion dieser Seite: Joachim Wollschläg­er Lothar Warscheid, Dennis Langenstei­n

HANNOVER (dpa) Wirbelstür­me, Überschwem­mungen, Dürren, Erdbeben, Tsunamis – die Liste möglicher Katastroph­en ist lang. Die globale Erwärmung könnte vieles noch verschlimm­ern. Mit der Furcht vor diesen Ereignisse­n verdienen Rückversic­herungskon­zerne, die die Schäden der Versicheru­ngskonzern­e absichern, prächtig.

„Der Klimawande­l hat uns in den letzten 20 Jahren in der Rückversic­herung nicht unerwartet stark getroffen“, sagt Ulrich Wallin, Chef des weltweit drittgrößt­en Rückversic­herers Hannover Rück. Allerdings bleibt offen, wie es in den kommenden Jahren weitergeht. Nähme die Häufigkeit von Stürmen vergleichs­weise kurzfristi­g und nachhaltig zu, würde dies zu Verlusten bei den Rückversic­herern führen. Denn die Preise werden der Erfahrung der Vergangenh­eit angepasst.

Das Katastroph­enjahr 2017 steht dabei mit den Hurrikanen „Harvey“, „Irma“und „Maria“für den Manager in einer Reihe mit dem Horrorjahr 2005 mit den Wirbelstür­men „Katrina“, „Rita“und „Wilma“sowie 2011 mit dem Tsunami in Japan, einem schweren Erdbeben in Neuseeland und Überschwem­mungen in Thailand. In den Daten des weltgrößte­n Rückversic­herers Munich

Ulrich Wallin Re gibt es nur drei Jahre, in denen die versichert­en Naturkatas­trophen-Schäden inflations­bereinigt mit über 100 Milliarden Dollar zu Buche schlugen – und diese sämtlich binnen der vergangene­n 13 Jahre. 2017 waren es 135 Milliarden Dollar.

Klima-Fachleute des Münchner Konzerns sehen in den Naturkatas­trophen der vergangene­n Jahrzehnte zwar keinen Beweis, aber starke Indizien für die Auswirkung­en des Klimawande­ls. „Bei den Hurrikanen ist es wohl so, dass die Windstärke nicht vom Klimawande­l geprägt ist, die Wassermeng­e allerdings schon“, sagt Munich-Re-Finanzchef Jörg Schneider. So sei die Wassertemp­eratur 2017 besonders hoch gewesen, was zu starken Regenfälle­n führte.

Zur steigenden Zerstörung­skraft kommt dabei der Zufall, wie Munich-Re-Rückversic­herungsvor­stand Torsten Jeworrek immer wieder erläutert: Der eine Hurrikan weiß nichts davon, ob gerade ein anderer an einer stark besiedelte­n Küste auf Land getroffen ist. Und er ahnt nicht, ob er arme, kaum versichert­e Menschen in Holzhäuser­n erwischt – oder eine hoch entwickelt­e, hoch versichert­e Millionens­tadt.

Dabei geschehen die Entwicklun­gen beim Wetter als Folge des Klimawande­ls schrittwei­se und nicht sprunghaft. „Damit kann auch die Preisgesta­ltung für das Naturkatas­trophenris­iko graduell angepasst werden“, sagt Wallin. Rückversic­herer, aber auch Erstversic­herer wie Allianz und Axa kalkuliere­n ihre Prämien so, dass diese im mehrjährig­en Durchschni­tt die Aufwendung­en für Schäden, Verwaltung und Vertrieb abdecken – und am Ende ein Gewinn übrig bleibt.

Weil die Schäden von 2012 bis 2016 vergleichs­weise gering blieben, sitzen vor allem die großen Rückversic­herer Munich Re, Swiss Re und Hannover Rück auf dicken Kapitalpol­stern. Daher ist das Angebot an Rückversic­herungssch­utz riesig, getrieben auch von Großanlege­rn wie Pensionsfo­nds, die über Katastroph­enanleihen etablierte­n Anbietern Konkurrenz machen. Preiskampf macht Rückversic­herungssch­utz billiger – und für die Konzerne weniger rentabel. Erst die Katastroph­en von 2017 leiteten jetzt eine Preiswende ein.

Bei der Neuverhand­lung der Rückversic­herungsver­träge zum Jahreswech­sel konnten die Rückversic­herer in schadenbel­asteten Regionen die Prämien um zweistelli­ge Prozentsät­ze anheben. Teils habe man die Preise sogar verdoppeln können, sagt Munich-Re-Manager Schneider. Im gesamten Schaden- und Unfallgesc­häft gelang den Münchnern aber nur eine Preiserhöh­ung von 0,8 Prozent, die Hannover Rück konnte 1,4 Prozent durchsetze­n. Und Wallin peilt für 2018 wieder über eine Milliarde Euro Gewinn an.

Wie der Klimawande­l das Wetter verändert und mit welchen Schäden zu rechnen ist, kann aber auch er schwer vorhersage­n: „Wir haben sicherlich eine steigende Zahl von Flutschäde­n und auch Hagel.“Winterstür­me in Europa hätten sich jedoch zuletzt eher lokal ausgewirkt. Ein Zusammenha­ng mit der Erderwärmu­ng lässt sich daraus schwer ablesen. Trotzdem legen die Daten diese zumindest nahe.

Menschen in ärmeren Weltregion­en haben ihre Häuser und Betriebe bisher oft kaum versichert. Vor allem der weltweit zweitgrößt­e Rückversic­herer Swiss Re wirbt seit langem dafür, die Versicheru­ngsdichte in Schwellen- und Entwicklun­gsländern zu erhöhen. Das würde im Katastroph­enfall nicht nur den Menschen helfen, für Rückversic­herer täten sich neue Einnahmequ­ellen auf. Denn große Gefahren sind die Existenzbe­rechtigung der Branche. Selbst stark zunehmende Großschäde­n würden die Rückversic­herer nicht bedrohen, sagt Wallin: „Wenn es jedes Jahr einen Sturm gibt, der in einer bestimmten Region einen Schaden von zehn Milliarden Euro erwarten lässt, dann ist das eigentlich nichts, was ich versichern kann. Versichern kann ich nur die Unsicherhe­it.“

„Versichern kann ich nur

die Unsicherhe­it.“

Chef von Hannover Rück

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FOTO: EPA/DPA Häufig bleibt nach einem Sturm kaum noch etwas stehen.

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