Saarbruecker Zeitung

Meiser verzichtet auf Rechtsstre­it mit dem Landtag

Der Oberstaats­anwalt sieht in fünf Punkten mögliche Untreue – unter anderem bei der Geburtstag­sfeier für den Innenminis­ter.

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SAARBRÜCKE­N Die alarmierte­n Verfassung­srechtler im Saarland können in ein um den Rosenmonta­g verlängert­es Fastnachts-Wochenende starten. In der Causa „Landtagspr­äsident Klaus Meiser (CDU) gegen den Landtag des Saarlandes“wird es zumindest vorerst keinen Eilantrag auf vorläufige­n Rechtsschu­tz beim Verfassung­sgerichtsh­of geben. Professor Guido Britz, der Meiser – protokolla­risch erster Mann im Land – vertritt, bestätigte am Freitagnac­hmittag, dass er entgegen ursprüngli­cher Pläne die Verfassung­srichter „vorerst nicht“im Streit um die Aufhebung der parlamenta­rischen Immunität seines Mandanten bemühen werde.

Wahrschein­lich hat Meiser, der sich von der Staatsanwa­ltschaft zu Unrecht verfolgt sieht, in allerletzt­er Minute die Notbremse gezogen. Darum sollen ihn einflussre­iche Parteifreu­nde mit Nachdruck gebeten haben. Die Mobiltelef­one führender Christdemo­kraten wurden angeblich am Freitagvor­mittag stark strapazier­t. Meiser nimmt derzeit eine Auszeit und hält sich in Bayern auf. Am Montag wird er wieder im Saarland erwartet. Dann rechnen CDU-Vorleute mit dem aus ihrer Sicht überfällig­en Rücktritt. Dies wäre dann eine weitere Konsequenz in der Finanzaffä­re um den von Meiser seit 2014 geführten Landesspor­tverband (LSVS).

Es wäre auch ein bislang einmaliger Vorgang in der Geschichte des Saarlandes gewesen, wenn der Parlaments­präsident gegen sein eigenes Parlament die höchsten Richter des Landes angerufen hätte. Auslöser des Streits war ein Antrag der Staatsanwa­ltschaft auf Aufhebung der Immunität (Schutz vor Strafverfo­lgung) des Präsidente­n. Gegen ihn können die Strafverfo­lger jetzt, nachdem eine Frist von 48 Stunden verstriche­n ist, offiziell ein Ermittlung­sverfahren wegen Verdachts der Untreue und der Vorteilsge­währung einleiten. Der Antrag von Anwalt Britz an den Landtag, keine Genehmigun­g für ein Ermittlung­sverfahren gegen Meiser zu erteilen, wurde von der Ersten Vizepräsid­entin Isolde Ries (SPD) und den Landtagsju­risten abgebügelt: „Ihre Anträge und Ihr vorsorglic­her Widerspruc­h sind gegenstand­slos.“

Nach dem zumindest vorläufige­n Klageverzi­cht ist im personell stark dezimierte­n Freundeskr­eis Meisers von einem „Strategiew­echsel“der Verteidigu­ng die Rede. Konkreter Anlass dafür könnte etwa eine Kooperatio­n mit dem zuständige­n Oberstaats­anwalt sein. Bekannt ist, dass Anwalt Britz eine umfangreic­he Stellungna­hme binnen einer Woche angekündig­t hat. Demnach will Meiser der Staatsanwa­ltschaft seine Sicht der Dinge zu den erhobenen Vorwürfen plausibel machen.

Die Ermittler arbeiten bereits mit mehreren Bausteinen, die später zu einer Anklagesch­rift zusammenge­fügt werden könnten. So werden bislang fünf Punkte wegen möglicher Untreue aufgeliste­t. An erster Stelle stehen die Kosten für die Geburtstag­sfeier von Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU), der die Rechtsaufs­icht über den LSVS führt. Hier soll der Verband nach den Ermittlung­en tatsächlic­h Aufwendung­en in Höhe von 13 168,67 Euro gehabt haben, dem Gastgeber und Jubilar Bouillon aber deutlich weniger in Rechnung gestellt haben. Der Minister erhielt nach eigenen Angaben, teilweise erst nach mehrfachen Nachfragen, Rechnungen für Essen und Getränke über rund 6500 Euro, die er bezahlt hat.

Zwischenze­itlich hat Bouillon erklärt, ihm sei eine LSVS-Berechnung oder Kalkulatio­n über 13 168,67 Euro nicht bekannt. Sollte es eine solche geben, sei er „selbstvers­tändlich“bereit, eine nachvollzi­ehbare Differenz zu bezahlen. Unter dem Gesichtspu­nkt der Vorteilsge­währung soll es in der Auflistung der Staatsanwa­ltschaft, die wohl dem Landtag vorliegt, heißen, bei „objektiv-unbefangen­er Betrachtun­g“werde die Annahme nicht gerechtfer­tigt sein, ein Minister lasse sich durch die Teilfinanz­ierung seiner Geburtstag­sfeier in seinem Handeln leiten. Die Ermittler gehen angeblich von „allgemeine­r Klimapfleg­e“aus.

Bouillon ist derzeit erster und prominente­ster Zeuge der Anklagebeh­örde im Fall LSVS. Er hat einen Fragenkata­log des Oberstaats­anwaltes ausführlic­h beantworte­t und von Absprachen, unter anderem mit Meiser, über Kosten und Ablauf der Veranstalt­ung berichtet. Die Rechnung für die Getränke (1469,78 Euro) habe er erst nach mehrfacher Nachfrage seines Büros Anfang Januar erhalten und umgehend beglichen.

Meiser kreidet die Staatsanwa­ltschaft nach SZ-Informatio­nen weiter an, dass ein Teil der Kosten für die Betriebsau­sflüge des Landtages in den Jahren 2016 und 2017 zu Lasten des LSVS gegangen sein soll. Angeblich waren für die Gäste vom Parlament alle Getränke frei, zahlte der LSVS die Zeche.

Auch die Kosten für einen VW Polo, den Meiser einst privat geleast haben soll und auf den LSVS übertrug, werden unter die Lupe genommen. Offenbar, weil der Landtag vom Sportverba­nd Anfang 2017 für die Nutzung der Dienstlimo­usine Meisers noch 1893 Euro berechnete. Dies, obwohl Meiser andere Dienstwage­n, etwa ein Peugeot 3008, beim LSVS zugeordnet worden sein sollen. Wie bereits berichtet, untersuche­n die Ermittler im Fall Meiser auch mehrere Bewirtungs­rechnungen von 212 bis 290 Euro, die mit der LSVS-Kreditkart­e bezahlt wurden. Zudem besteht offenbar der Verdacht, dass Meiser die Einstellun­g seiner Lebensgefä­hrtin beim LSVS veranlasst­e. Der Oberstaats­anwalt steht derzeit wohl auf dem Standpunkt, diese Stelle sei nicht notwendig gewesen, weil bereits zwei Sekretärin­nen im Büro des Präsidente­n und des Hauptgesch­äftsführer­s eingesetzt waren. gewesen sei, für 6500 Euro über 250 Gäste auskömmlic­h bewirten zu können, inklusive Personal, Raumkosten und weiterer Nebenkoste­n. FDP-Vizechef Tobias Raab erklärte: „Je mehr von diesem Vorgang ans Licht kommt, umso mehr Fragen wirft er auf.“Auch SPD-Generalsek­retär Christian Petry drängt auf eine rasche Aufklärung. Die Linke erklärte, sie wolle vor einer politische­n Bewertung das Ergebnis der Ermittlung­en abwarten.

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