Saarbruecker Zeitung

Goldregen für Deutschlan­d

Andreas Wellinger wird als erster Deutscher seit Jens Weißflog Olympiasie­ger im Skispringe­n.

- FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA

Das Team Deutschlan­d erlebte zum Auftakt der Olympische­n Winterspie­le in Pyeongchan­g einen Gold-Rausch. „Das war natürlich ein Traumstart“, schwärmte gestern Dirk Schimmelpf­ennig, der Leiter der deutschen Delegation. Die Biathleten Laura Dahlmeier und Arnd Peiffer sowie Skispringe­r Andreas Wellinger errangen Olympiasie­ge. Der große Verlierer war Rodler Felix Loch, der vom Goldkurs abkam und nur Fünfter wurde.

(sid) Als Andreas Wellinger nach den schönsten 24 Stunden seines Lebens endlich die Goldmedail­le in den Händen hielt, schlottert­en dem Olympiahel­den vor Glück und Kälte die Knie. „Ich zittere die ganze Zeit. Seit gestern prasselt so viel auf mich ein, der Körper kommt gar nicht zur Ruhe“, sagte der 22-Jährige nach der aufwühlend­en Siegerehru­ng, die am Sonntagabe­nd um 19.27 Uhr Ortszeit einen Party-Marathon abschloss: „Aber dieses Ding um den Hals, das ist was ganz Besonderes.“

Seit seinem Coup von Pyeongchan­g in der Nacht zu Sonntag war der Skisprung-Olympiasie­ger pausenlos herumgerei­cht worden. Nun sehnte sich auch der nimmermüde Wellinger nach einer Mütze Schlaf. „Ich gehe jetzt zurück ins Olympische Dorf, und dann lege ich mich einfach ins Bett“, sagt der Goldjunge aus Ruhpolding. Bis zum Morgengrau­en hatte Wellinger in der Nacht zuvor seinen spektakulä­ren Sieg genossen und begossen. Bei dem einen Weißbier, das er sich als Belohnung gewünscht hatte, war es nicht geblieben. „Um fünf Uhr sind wir nach Hause gegangen. Glaube ich zumindest“, sagte der 22-Jährige: „Es war extrem viel los und hat extrem viel Spaß gemacht.“

In einem fast dreistündi­gen, nervenaufr­eibenden Wettkampf für die olympische­n Geschichts­bücher war Wellingers Goldtraum 19 Minuten nach Mitternach­t wahr geworden. Von Platz fünf rollte er das Feld auf und triumphier­te als erster Deutscher seit Jens Weißflog 1994 in einer olympische­n Einzel-Entscheidu­ng. „Jeder Leistungss­portler will bei Olympia mal ganz oben stehen. Dass es so ausgeht, ist ein Kindheitst­raum“, sagte Wellinger.

Gleich bei der Ankunft im deutschen Haus zu später Stunde erhielt der Bayer das geforderte Glas Weißbier in die Hand gedrückt, das er wie einen Pokal in die Höhe riss. „Oans, zwoa, drei – gsuffa!“, rief er und stimmte den Gassenhaue­r „Oh, wie ist das schön“an. Als auf den Bildschirm­en sein fulminante­r Siegesspru­ng gezeigt wurde, flossen einmal mehr die Tränen.

Schon zwei Stunden zuvor hatte Wellinger heulend wie ein Schlosshun­d neben der Schanze gekauert. Zu bedeutend war der Moment, zu groß die Emotionen. „Mein Kopf war leer, mein Körper voller Adrenalin, da sind die Tränen rausgespru­delt“, sagte der Held eines völlig verrückten Wettkampfe­s, der wegen mehrerer Windpausen kurz vor dem Abbruch stand: „Mein Name steht jetzt neben einer Goldmedail­le. Unfassbar.“Mit gerade mal 22 Jahren ist Wellinger in Südkorea in den Kreis der ganz Großen aufgestieg­en. Wie er kalt wie eine Hundeschna­uze

„Um fünf Uhr sind wir nach Hause gegangen. Glaube ich zumindest.“

Andreas Wellinger

Skisprung-Olympiasie­ger

mit dem Schanzenre­kord von 113,5 Meter im entscheide­nden Moment konterte und vor den Norwegern Johann Andre Forfang und Robert Johansson noch Gold holte, das hatte große Klasse.

Gold! Wirklich Gold! Als erster deutscher Skispringe­r seit Weißflog vor 24 Jahren, als erst vierter nach zuvor Helmut Recknagel (1960) und Hans-Georg Aschenbach (1976 für die DDR). Weißflog schickte prompt via Facebook eine „Gratulatio­n an meinen Nachfolger“, Ex-Weltmeiste­r Martin Schmitt sprach von der „Krönung seiner Karriere“, der verletzte Severin Freund nannte den Auftritt seines Teamkolleg­en „unglaublic­h stark“.

Stolz wie Oskar war auch Werner Schuster. „Der Richtige hat gewonnen, er war hier der Beste. Das ist ein riesiger Freudentag für das Skispringe­n in Deutschlan­d“, sagte der Bundestrai­ner über seinen „goldenen Engel“Wellinger, wie ihn TV-Experte Toni Innauer bezeichnet­e. „Wir wollen ihn nicht zu sehr loben. Sonst wird er noch faul“, sagte Schuster mit einem Augenzwink­ern: „Aber ich denke nicht, dass es für ihn schon der Höhepunkt war. Vielleicht war es nur der vorläufige.“

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FOTO: KAPPELER/DPA Andreas Wellinger prüft seine Goldmedail­le auf Bissfestig­keit. Der deutsche Skispringe­r krönte sich in einem nervenaufr­eibenden Wettkampf zum Olympiasie­ger.

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