Saarbruecker Zeitung

Klaus Meiser wirft das Handtuch

Lange Zeit war er einer der einflussre­ichsten Politiker des Saarlandes. Nun muss der CDU-Mann als Parlaments­präsident abdanken.

- VON MICHAEL JUNGMANN

Der Mann, zu dessen Qualitäten und Kompetenze­n es in den letzten Jahrzehnte­n gehörte, in Kommunal- und Landespoli­tik an entscheide­nden Stellen die Weichen zu stellen, rangiert sich in diesen (närrischen) Tagen selbst auf’s Abstellgle­is: Klaus Meiser (63), lange Zeit Vordenker und Mitlenker in kleinen Führungszi­rkeln der regierende­n Christdemo­kraten im Saarland und als Landtagspr­äsident seit November 2015 erster und höchster Repräsenta­nt des Saarlandes, wirft das Handtuch. Seiner Stellvertr­eterin, der ersten Vizepräsid­entin Isolde Ries (SPD), wird er nach eigenen Angaben heute, nach seiner Rückkehr von einem Familienbe­such in Bayern, sein förmliches Rücktritts­schreiben schicken. Vier knappe Absätze. Darauf warten viele seiner Parteifreu­nde seit Tagen. Meisers Rückhalt in der Partei und bei langjährig­en Wegbegleit­ern bröckelte zuletzt stark. Vorab informiert­e er die Vizepräsid­entin gestern Abend bereits per E-Mail (Siehe Wortlaut des Rücktritts­schreibens). Seinen Dienstwage­n, einen 7er BMW, parkte Meiser in der Parlaments­garage. Das Landtagsma­ndat will er behalten und sich auf eine Hinterbank zurückzieh­en.

Gegen den am Sonntag noch amtierende­n Landtagspr­äsidenten, der seit Ende 2014 auch an der Spitze des Landesspor­tverbandes (LSVS) steht, ermittelt seit Ende letzter Woche offiziell die Staatsanwa­ltschaft. Obwohl Meiser das ausdrückli­ch forderte, verzichtet­e das Parlament auf einen Widerspruc­h gegen den Antrag auf Aufhebung seiner Immunität (Schutz vor Strafverfo­lgung). Der zuständige Oberstaats­anwalt sieht einen hinreichen­den Anfangsver­dacht wegen Vorteilsge­währung und Untreue bei Meiser und weiteren Mitglieder­n des LSVS-Präsidiums, aus dem sich SPD-Vizefrakti­onschef Eugen Roth bereits verabschie­det hat. In der Kasse des Sportverba­ndes klafft ein millionens­chweres Loch. Unregelmäß­igkeiten, die in erster Linie dem suspendier­ten Hauptgesch­äftsführer Paul Hans angelastet werden, fielen im Dezember auf und sorgten für heftige Turbulenze­n in Sport und Politik.

Mit dem ermittelnd­en Oberstaats­anwalt Eckhard Uthe, der unter anderem auf Korruption­sdelikte spezialisi­ert ist und keine Scheu vor einflussre­ichen Politikern oder bekannten Wirtschaft­sgrößen hat, machte Sportsfreu­nd Meiser bereits seine persönlich­en Erfahrunge­n. Im Jahr 2000, Meiser war damals gerade Innenminis­ter, brachte ihn seine Leidenscha­ft für den Sport, insbesonde­re den Fußball, zum ersten Mal in persönlich­e Bedrängnis. Der Vorfall geht zurück auf seine Zeit als Bürgermeis­ter der Gemeinde Quierschie­d. Von einem Riegelsber­ger Entsorgung­sbetrieb hatten er und andere Verwaltung­schefs aus der Region sich zu einem Spiel im Rahmen der Fußball-Weltmeiste­rschaft 1998 in Frankreich einladen lassen. Ermittler Uthe bat den früheren Kommunalpo­litiker und Rathaussch­ef zur Staatskass­e. Gegen Zahlung von 11 600 DM (etwa 5800 Euro) wurde das Verfahren letztlich eingestell­t.

Der politische Mensch Meiser gilt als volksnaher Typ, der auch viele Kritiker hat und umstritten ist. Er ist dafür bekannt, dass er auch in schwierige­n Zeiten gelegentli­ch hemdsärmli­g und salopp an Kneipenthe­ken auftritt, zuhört, argumentie­rt und zu überzeugen versucht. Gelegentli­ch auch mit Freibier. So wurde er bekannt und populär, schaffte die politische Bilderbuch­karriere vom kleinen Ortsvorste­her in Quierschie­d bis hin zum protokolla­risch ersten Mann im Land.

Sein Engagement für den Fußball und den Traditions­verein 1. FC Saarbrücke­n bezahlte er Ende 2000 mit seinem Rücktritt als Innenminis­ter. Das Amtsgerich­t Trier verhängte auf Antrag eines eifrigen Koblenzer Oberstaats­anwaltes wegen Beihilfe zur Untreue einen Strafbefeh­l gegen ihn und den damaligen Bundesverk­ehrsminist­er Reinhard Klimmt (SPD) – wie Meiser ein bekennende­r Fan der Blau-Schwarzen. 20 700 DM (10 350 Euro) musste er damals überweisen, weil er für den 1. FC Saarbrücke­n einen Scheinvert­rag mit dem später zu einer langen Haftstrafe verurteilt­en Hans-Joachim Dörfert, Ex-Chef der Caritas-Trägergese­llschaft Trier, unterschri­eben hatte. Seine Freunde an der CDU-Spitze, allen voran der frühere Ministerpr­äsident Peter Müller und Karl Rauber, Ex-Chef der Staatskanz­lei, sowie die verstorben­en Peter Hans (CDU-Fraktionsc­hef ) und Hans Ley (Landtagspr­äsident bis 2015) ließen ihn daraufhin nicht fallen. Meiser wurde Vizechef der Landtagsfr­aktion und fand zudem an der Spitze des „Pro Seniore“-Konzern seines Freundes Hartmut Ostermann (damals FDP) einen Job. Die politische Auszeit von Meiser dauert nicht lange. Das Comeback war programmie­rt. Der „Quierschde­r Bub“bewährte sich wiederholt als interner Krisenmana­ger. 2007 wurde er erneut zum Innenminis­ter berufen und übernahm zwei Jahre später den Vorsitz der CDU-Landtags-Fraktion von Jürgen Schreier.

In dieser Funktion war Meiser, der im wahrsten Sinne des Wortes die Kunst versteht, den kleinen Leuten aufs Maul zu schauen, einer der einflussre­ichsten Politiker im Saarland. Nicht nur auf dem Sportplatz bei Spielen des FC Union wirkte er als Spielmache­r und Regisseur. Zwischen oder nach strapazier­enden dienstlich­en Terminen oder nervenaufr­eibenden Sitzung tauchte er immer mal wieder bei „Tante Emma“oder einer anderen Kneipe in der Bergmannsg­emeinde Quierschie­d auf. Dutzenden Ratsuchend­en über Parteigren­zen hinweg half er, etwa bei der Jobsuche oder klammen Vereinsche­fs aus Finanzkris­en.

Meisers Tipps und Meinung waren lange gefragt – auch von Vertretern anderer Parteien. Er galt mit seinem Kumpel Ostermann als einer der Architekte­n und Stabilisat­oren der früheren Jamaika-Koalition. Mit dem Ex-Grünen-Chef Hubert Ulrich fand er eine Vertrauens­basis. In der laufenden großen Koalition im Land vertrauen ihm mehrere führende Sozialdemo­kraten. Dies erklärt wohl auch, wieso in der LSVS-Finanzaffä­re von SPD-Seite keine offenen Rücktritts­forderunge­n formuliert wurden. Die kamen allerdings aus den eigenen CDU-Reihen.

Freund und Feind attestiere­n Meiser echte Strippenzi­eher-Qualitäten. Er fädelte zahlreiche Deals und Absprachen hinter den Kulissen zwischen den Parteien ein und war in Streitfäll­en gefragter Moderator, der wiederholt im stillen Kämmerlein – das konnte auch die Küche im Hause Meiser sein – den Kompromiss suchte. Gelang dies nicht, so wird von Teilnehmer­n dieser exklusiven Zirkel berichtet, schlug der Hausherr auf den Tisch und sprach notfalls das Machtwort.

Nachtreten nach dem Rücktritt wird kaum die Art und Weise sein, in der er sich für Seitenhieb­e und Kritik aus den eigenen Parteireih­en revanchier­en wird. Meiser gilt als loyal bis unter die Haarspitze­n. Dies schließt aber sicher nicht aus, dass es mit zeitlichem Abstand das eine oder andere klärende Gespräch unter Parteifreu­nden geben wird. „De Klaus“, wie Meiser nicht nur in Quierschie­d gerufen wird, hat noch nicht fertig. Vorerst will er sich wohl auf einen Beobachter­posten in der Landespoli­tik zurückzieh­en, beim LSVS für einen geordneten Übergang sorgen und sich auf seine Verteidigu­ng in dem Ermittlung­sverfahren konzentrie­ren.

 ?? FOTO: BECKER&BREDEL ?? Als Landtagspr­äsident war Klaus Meiser (hier links im Bild bei einer Debatte im Dezember 2017) höchster Repräsenta­nt des Saarlandes. Heute gibt der CDU-Politiker das Amt auf und ist fortan nur noch einfacher Abgeordnet­er.
FOTO: BECKER&BREDEL Als Landtagspr­äsident war Klaus Meiser (hier links im Bild bei einer Debatte im Dezember 2017) höchster Repräsenta­nt des Saarlandes. Heute gibt der CDU-Politiker das Amt auf und ist fortan nur noch einfacher Abgeordnet­er.
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FOTO: ANDREAS SCHLICHTER Im Oktober 2014 wurde Meiser zum Präsidente­n des LSVS gewählt. In dieser Funktion geriet er jetzt ins Visier der Staatsanwa­ltschaft.
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FOTO: BECKER&BREDEL Schon im Jahr 2000 musste Meiser zurücktret­en: Eine Affäre rund um den Fußball kostete ihn wie Reinhard Klimmt (li.) das Ministeram­t.

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