Bundeswehreinsatz im Irak ist ein politischer Drahtseilakt
Deutschland hat bislang vor allem den Kurden im Norden im Kampf gegen den IS geholfen. Nun will die Bundeswehr das ganze Land unterstützen.
(dpa) Hiwar Omar ist stolz auf sein Training. Der 31-Jährige steht neben einem Rettungswagen im Logistikzentrum „M4“der Peschmergakämpfer im Nordirak. Omar hat bei Mossul gegen die Terrormiliz IS gekämpft. Zweimal wurde er dabei angeschossen. Er zeigt auf seine Schulter und auf die Brust. Dank deutscher Hilfe weiß er nun selbst, wie er Wunden versorgen muss. Zwei Kurse hat er bei der Bundeswehr besucht. Er ist dankbar für die deutsche Hilfe. „Wir brauchen weiter Ausbildung“, sagt er.
Die Ausbildungsmission der Bundeswehr neigt sich ihrem Ende zu – zumindest in jetziger Form. Union und SPD wollen das Mandat Ende April auslaufen lassen. Dreieinhalb Jahre lang haben bis zu 150 deutsche Soldaten nahe Erbil, der Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan, Peschmerga-Kämpfern wie Hiwar Omar den Häuserkampf gelehrt und gezeigt, wie man Blutungen an der Front stillt – Krieg aus der zweiten Reihe eben. Nach langen Kämpfen hat der Irak im Dezember den Sieg über den IS verkündet.
Abziehen sollen die deutschen Soldaten aber nicht. Im Gegenteil. Die Bundeswehr will sich künftig nicht nur in Erbil, sondern im gesamten Irak verstärkt gegen den Terror einsetzen. Denn die Islamisten sind zwar versprengt, aber nicht verschwunden. Die Bundeswehr will nicht länger nahe Erbil nur für den Frontkrieg ausbilden, sondern im ganzen Land Sicherheitsstrukturen stärken, beim Aufbau einer loyalen Armee helfen, dem geschundenen Land wieder auf die Beine helfen.
Um den schwammigen Begriff mit Leben zu füllen, reist Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am Wochenende in den Irak. Auf ihrem Weg dorthin zeigt sie eine Karte mit den verbliebenen IS-Gebieten. Es sind nur noch kleine Flecken. Die CDU-Politikerin, die wohl im Amt bleiben darf, spricht von „Taschen“– und meint verbliebene IS-Widerstandsnester. Immer noch verüben die Islamisten mit einer Art Guerilla-Taktik Anschläge.
Die Ministerin muss in Jordanien auf eine alte Militärmaschine vom Typ Transall umsatteln, um in den Irak zu fliegen – weil nur die Transall Raketenangriffe abwehren kann. Nicht nur der IS liegt am Boden – das ganze Land ebenfalls. Bagdad ist das beste Beispiel. Einst arabische Prachtmetropole, heute ein Gefängnis aus Mauern, Stacheldraht und Beton. An jeder Straßenecke ein Panzer, an jeder Kreuzung ein Checkpoint. Anschläge sind immer noch an der Tagesordnung. „Die Menschen gewöhnen sich daran“, sagt ein Sicherheitsmitarbeiter der deutschen Botschaft.
Die CDU-Ministerin fährt in einer Kolonne aus gepanzerten Fahrzeugen vom Verteidigungsministerium zum prächtigen Präsidentenpalast, vom Sitz des Ministerpräsidenten zum Parlamentssprecher. Von der Leyen klappert die Mächtigen in Bagdad ab, um zu sondieren, wie es weitergehen soll mit der Bundeswehr in dem Land. „Dies ist eine Phase des Übergangs für den Irak“, sagt sie nach einem Treffen mit Präsident Fuad Massum. Die Deutschen sind gerngesehene Gäste hier. Die Iraker wollen so viel Unterstützung wie möglich.
Wie viele deutsche Soldaten künftig im Irak was tun werden, ist noch unklar. Aus der SPD kommen bereits zweifelnde Töne. Beim Engagement im Irak geht es nicht nur darum, wie man hilft, sondern auch wem. Durch den Niedergang des Islamischen Staats brechen innerstaatliche Konflikte und alte Wunden wieder auf. Für die Bundesregierung heikel ist vor allem der schwelende Konflikt zwischen der Zentralregierung und den Kurden im Norden des Landes. Deutschland ist mit beiden Seiten verbündet.
Die Kurden hatten im Herbst in einem Unabhängigkeitsreferendum mit großer Mehrheit für eine Abspaltung ihrer Region gestimmt. Die Zentralregierung griff in der Folge hart durch und rückte in kurdische Gebiete vor. Die Bundeswehr unterbrach deshalb sogar kurzzeitig ihre Ausbildungsmission nahe Erbil. Die Lage ist immer noch angespannt. Gerät die Bundeswehr zwischen die Fronten, wenn sie langfristig ihr Engagement im Irak ausbaut? Man wolle den Irak „in seiner Einheit“begleiten, macht von der Leyen deutlich – in Erbil, aber auch in Bagdad.