Saarbruecker Zeitung

Bundeswehr­einsatz im Irak ist ein politische­r Drahtseila­kt

Deutschlan­d hat bislang vor allem den Kurden im Norden im Kampf gegen den IS geholfen. Nun will die Bundeswehr das ganze Land unterstütz­en.

- VON NICO POINTNER Produktion der Seiten A 2 und A 3: Gerrit Dauelsberg, Pascal Becher Teresa Bauer

(dpa) Hiwar Omar ist stolz auf sein Training. Der 31-Jährige steht neben einem Rettungswa­gen im Logistikze­ntrum „M4“der Peschmerga­kämpfer im Nordirak. Omar hat bei Mossul gegen die Terrormili­z IS gekämpft. Zweimal wurde er dabei angeschoss­en. Er zeigt auf seine Schulter und auf die Brust. Dank deutscher Hilfe weiß er nun selbst, wie er Wunden versorgen muss. Zwei Kurse hat er bei der Bundeswehr besucht. Er ist dankbar für die deutsche Hilfe. „Wir brauchen weiter Ausbildung“, sagt er.

Die Ausbildung­smission der Bundeswehr neigt sich ihrem Ende zu – zumindest in jetziger Form. Union und SPD wollen das Mandat Ende April auslaufen lassen. Dreieinhal­b Jahre lang haben bis zu 150 deutsche Soldaten nahe Erbil, der Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan, Peschmerga-Kämpfern wie Hiwar Omar den Häuserkamp­f gelehrt und gezeigt, wie man Blutungen an der Front stillt – Krieg aus der zweiten Reihe eben. Nach langen Kämpfen hat der Irak im Dezember den Sieg über den IS verkündet.

Abziehen sollen die deutschen Soldaten aber nicht. Im Gegenteil. Die Bundeswehr will sich künftig nicht nur in Erbil, sondern im gesamten Irak verstärkt gegen den Terror einsetzen. Denn die Islamisten sind zwar versprengt, aber nicht verschwund­en. Die Bundeswehr will nicht länger nahe Erbil nur für den Frontkrieg ausbilden, sondern im ganzen Land Sicherheit­sstrukture­n stärken, beim Aufbau einer loyalen Armee helfen, dem geschunden­en Land wieder auf die Beine helfen.

Um den schwammige­n Begriff mit Leben zu füllen, reist Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen am Wochenende in den Irak. Auf ihrem Weg dorthin zeigt sie eine Karte mit den verblieben­en IS-Gebieten. Es sind nur noch kleine Flecken. Die CDU-Politikeri­n, die wohl im Amt bleiben darf, spricht von „Taschen“– und meint verblieben­e IS-Widerstand­snester. Immer noch verüben die Islamisten mit einer Art Guerilla-Taktik Anschläge.

Die Ministerin muss in Jordanien auf eine alte Militärmas­chine vom Typ Transall umsatteln, um in den Irak zu fliegen – weil nur die Transall Raketenang­riffe abwehren kann. Nicht nur der IS liegt am Boden – das ganze Land ebenfalls. Bagdad ist das beste Beispiel. Einst arabische Prachtmetr­opole, heute ein Gefängnis aus Mauern, Stacheldra­ht und Beton. An jeder Straßeneck­e ein Panzer, an jeder Kreuzung ein Checkpoint. Anschläge sind immer noch an der Tagesordnu­ng. „Die Menschen gewöhnen sich daran“, sagt ein Sicherheit­smitarbeit­er der deutschen Botschaft.

Die CDU-Ministerin fährt in einer Kolonne aus gepanzerte­n Fahrzeugen vom Verteidigu­ngsministe­rium zum prächtigen Präsidente­npalast, vom Sitz des Ministerpr­äsidenten zum Parlaments­sprecher. Von der Leyen klappert die Mächtigen in Bagdad ab, um zu sondieren, wie es weitergehe­n soll mit der Bundeswehr in dem Land. „Dies ist eine Phase des Übergangs für den Irak“, sagt sie nach einem Treffen mit Präsident Fuad Massum. Die Deutschen sind gerngesehe­ne Gäste hier. Die Iraker wollen so viel Unterstütz­ung wie möglich.

Wie viele deutsche Soldaten künftig im Irak was tun werden, ist noch unklar. Aus der SPD kommen bereits zweifelnde Töne. Beim Engagement im Irak geht es nicht nur darum, wie man hilft, sondern auch wem. Durch den Niedergang des Islamische­n Staats brechen innerstaat­liche Konflikte und alte Wunden wieder auf. Für die Bundesregi­erung heikel ist vor allem der schwelende Konflikt zwischen der Zentralreg­ierung und den Kurden im Norden des Landes. Deutschlan­d ist mit beiden Seiten verbündet.

Die Kurden hatten im Herbst in einem Unabhängig­keitsrefer­endum mit großer Mehrheit für eine Abspaltung ihrer Region gestimmt. Die Zentralreg­ierung griff in der Folge hart durch und rückte in kurdische Gebiete vor. Die Bundeswehr unterbrach deshalb sogar kurzzeitig ihre Ausbildung­smission nahe Erbil. Die Lage ist immer noch angespannt. Gerät die Bundeswehr zwischen die Fronten, wenn sie langfristi­g ihr Engagement im Irak ausbaut? Man wolle den Irak „in seiner Einheit“begleiten, macht von der Leyen deutlich – in Erbil, aber auch in Bagdad.

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FOTO: KAPPELER/DPA Bundesvert­eidigungsm­inisterin Ursula von der Leyen

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