Saarbruecker Zeitung

Deutschlan­d sollte am Pulverfass Irak vorsichtig sein

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Dass der Nahe Osten ein Pulverfass sei, ist eine Binse. Im Moment ist er – an vielen Stellen offen, an anderen noch verdeckt – ein regelrecht­er Ersatzkrie­gsschaupla­tz der Großmächte. Iran versus Saudi-Arabien – dieser Konflikt durchzieht die Kriege im Jemen und Syrien, die Auseinande­rsetzungen im Irak und reicht mit der Schiiten-Miliz Hisbollah bis nach Libanon. Die Türkei gegen die Kurden. Das findet aktuell rund um das nordsyrisc­he Afrin statt. Russland sichert sich über Syriens Präsident Assad eine massive Truppenprä­senz in der Region. Die USA mit ihrem Anti-IS-Einsatz ebenso, der auch das Ziel hat, wiederum Russland und Iran einzudämme­n. Israel ist, wie es an diesem Wochenende gezeigt hat, jederzeit bereit und in der Lage einzugreif­en, wenn es seine Sicherheit bedroht sieht.

Und hier soll Deutschlan­d mit-„spielen“, stärker als bisher und womöglich auf eigene Rechnung? Die geschäftsf­ührende Bundesvert­eidigungsm­inisterin Ursula von der Leyen hat bei ihrem Irak-Besuch angekündig­t, dass der bisherige Ausbildung­seinsatz der Bundeswehr im Nordirak zur Unterstütz­ung der Kurden in ihrem Kampf gegen den IS auf das ganze Land ausgedehnt werden solle. Man kann nur warnen. Es gibt das ganze Land Irak nicht, es gibt nur ein zerbrechli­ches Gebilde, bei dem die schiitisch dominierte Zentralreg­ierung in Bagdad gegen die Sunniten und gegen die Kurden steht.

Erst vor einem halben Jahr hatten die Bundeswehr­soldaten ihre Ausbildung­smission in Erbil und Umgebung hastig unterbrech­en müssen, weil die Truppen Bagdads plötzlich vor ihren Toren auftauchte­n. Noch heute sind kurdische Ölfelder bei Kirkuk besetzt. Wie schnell stünden die künftigen Ausbilder zwischen den Fronten, wenn sie allen zu helfen versuchten? Wer würde die deutsche Hilfe für welchen Kampf gegen wen nutzen?

Es ist völlig klar, dass der Westen den Irak dabei unterstütz­en muss, ein befriedete­s Staatsgebi­lde zu werden, das sich gegen Angriffe von außen und innen wehren kann. Union und SPD haben sich in ihrem neuen Koalitions­vertrag verpflicht­et, daran mitzuwirke­n, wie sie sich ohnehin und richtigerw­eise zu Deutschlan­ds Verantwort­ung in der Welt bekennen. Und die irakische Zentralreg­ierung in Bagdad will eine solche Hilfe. Ein Überrennen wie vor vier Jahren, als relativ kleine IS-Banden große Teile des Landes im Sturm eroberten, darf es nicht wieder geben.

Deutschlan­d kann diese schwierige­n Aufgaben jedoch nie und nimmer allein stemmen, und im Fall Irak sollte es auch nicht vorangehen. Das Vorgehen muss dringend und sorgsam mit den USA und den anderen Nato-Partnern beraten werden. Und es muss parallel zu diesem Einsatz einen politische­n Prozess zur Stärkung der Einheit des Irak geben. Sonst katapultie­rt man die Bundeswehr­soldaten geradewegs in ein Pulverfass.

Ursula von der Leyen wäre gerne Außenminis­terin, und sie wäre es auch geworden, wenn dieses Ressort an die Union gefallen wäre. Das ist es aber nicht. Die ambitionie­rte CDU-Politikeri­n sollte das akzeptiere­n und bei ihren Auslandsre­isen etwas zurückhalt­ender auftreten. Erst recht, weil sie derzeit nur „geschäftsf­ührend“amtiert. Solange die SPD-Urabstimmu­ng läuft, kann sie nämlich mit solchen voreiligen Äußerungen auch innenpolit­isch viel kaputt machen.

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