Saarbruecker Zeitung

„Wir haben in den letzten Tagen kein gutes Bild abgegeben“

Der SPD-Vize hofft auf ein Ja zum Groko-Vertrag und keine Urwahl-Debatte um Andrea Nahles als neue Parteichef­in. Es gebe zentralere Probleme.

-

BERLIN Das SPD-Präsidium trifft sich morgen in Berlin, um das Chaos nach dem Rückzug von Martin Schulz zu sortieren. Möglicherw­eise übernimmt dann schon Andrea Nahles kommissari­sch den Parteivors­itz. Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel (48) erklärt die schwierige Lage der Sozialdemo­kraten – auch für den Erneuerung­sprozess der Partei.

Ist Chaosverei­n eine zutreffend­e Bezeichnun­g für die SPD?

SCHÄFER-GÜMBEL Nein, sonst hätten wir im Koalitions­vertrag nicht so viel durchgeset­zt. Wir hatten uns nach der Wahl für die Opposition entschiede­n, aber durch das Scheitern von Jamaika hatte sich die Lage geändert. Wir sind dann in schwierige Debatten geraten, auch innerparte­ilich. Dass Martin Schulz seine eigenen Ambitionen zurückstel­lt, hat den Blick auf die sozialdemo­kratischen Inhalte des Koalitions­vertrages wieder möglich gemacht. Diese Entscheidu­ng verdient großen Respekt.

Vielleicht ist Intrigenha­ufen zutreffend­er?

SCHÄFER-GÜMBEL Wir haben in den letzten Tagen kein gutes Bild abgegeben. Manche Äußerung hätte ich lieber nicht gelesen.

Mit welchen drei Sätzen überzeugen Sie ein noch schwankend­es Parteimitg­lied, beim Entscheid über die Groko mit Ja zu stimmen?

SCHÄFER-GÜMBEL Ein Nein bedeutet ein Nein zum Ende von Kettenvert­rägen im Arbeitsrec­ht. Ein Nein bedeutet ein Nein zur Entlastung von Arbeitnehm­ern durch die Parität in der Krankenver­sicherung. Ein Nein bedeutet ein Nein zu Milliarden­investitio­nen in Kitas und Schulen. Wir haben viel erreicht. Jeder, der Nein sagt, muss erklären, dass er diesen Fortschrit­t nicht will und für was er dann bei Neuwahlen Wahlkampf machen will.

Er wird antworten: Ein Ja bedeutet den Untergang der SPD in der großen Koalition.

SCHÄFER-GÜMBEL Das teile ich nicht. Schon vor der Bundestags­wahl habe ich gesagt, dass die SPD Erneuerung braucht – unabhängig davon, ob sie regiert oder nicht. Unser Problem ist nicht die große Koalition. Die Erneuerung der SPD können wir nur selber tun.

Sollte zur Erneuerung nicht auch gehören, dass die neue Vorsitzend­e Andrea Nahles ebenfalls per Urwahl bestimmt wird, wie jetzt viele fordern?

SCHÄFER-GÜMBEL Wir haben darüber auf dem Bundespart­eitag schon intensiv diskutiert. Eine Urwahl bringt Probleme mit sich, etwa mit dem Parteienge­setz und verschiede­nen Legitimati­onen in der SPD-Führung. Entweder man wählt alle per Urwahl oder alle auf dem Parteitag. Aber wir müssen im Erneuerung­sprozess auch diskutiere­n, wie wir die Mitglieder mehr und transparen­t beteiligen können, da gehört die Debatte hin. Wie es jetzt weitergeht, darüber sprechen wir in den Führungsgr­emien in den nächsten Tagen. Ich plädiere dafür, sich jetzt nicht an formalen Fragen festzubeiß­en, sondern an den Fragen, um die es wirklich geht: Welche Aufgabe hat die Sozialdemo­kratie? Wie können wir das wieder deutlicher machen? Wie sehen Arbeitswel­t und Teilhabe in einer digitalisi­erten Welt aus? Da sind wir gefordert.

Das Gespräch führte Werner Kolhoff.

 ?? FOTO: ARIFOTO UG/DPA ?? SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel
FOTO: ARIFOTO UG/DPA SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel

Newspapers in German

Newspapers from Germany