Saarbruecker Zeitung

Das Internet als Selbstbedi­enungslade­n

Viele Deutsche nutzen Video- und Musikangeb­ote im Netz. Dochden meisten ist nicht klar, welche Inhalte legal sind.

- VON KATJA SPONHOLZ

SAARBRÜCKE­N Mal eben die neueste Folge seiner amerikanis­chen Lieblingss­erie im Netz anschauen, die aktuellen Charts-Hits auf sein Handy herunterla­den, den Computer mit Software aus dem Internet aufrüsten oder gemeinsam mit Freunden online das angesagte Videospiel ausprobier­en. Die Möglichkei­ten, die das weltweite Netz für jegliche Art von Medien-Nutzung bietet, sind nahezu unbegrenzt. Ebenso wie die rechtliche­n und finanziell­en Auswirkung­en: Denn oft verstoßen die Verbrauche­r gegen das Urheberrec­ht. Wie und aus welchen Gründen, das hat jetzt das Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb in München erforscht.

Um repräsenta­tive Aussagen zum Verhalten und zu den Einstellun­gen deutscher Internetnu­tzer zu erhalten, wurden mehr als 5500 Personen befragt. Einige der Ergebnisse: Rund 32 Prozent der Nutzer ab zwölf Jahren verwenden mindestens einen Musik- oder Videodiens­t und halten dies für komplett legal. Rund zehn Prozent gaben an, teilweise illegale Inhalte zu nutzen, während fünf Prozent ihren gesamten Konsum für illegal halten.

„Die drei von den Nutzern mit Abstand am häufigsten genannten Gründe für illegales Verhalten sind die Kostenfrei­heit, die Einfachhei­t beziehungs­weise Bequemlich­keit sowie die Schnelligk­eit“, bilanziere­n die Forscher. „Wenn legale Dienste billiger, flexibler und besser wären, würde ein Teil der Konsumente­n der eigenen Einschätzu­ng nach von ihrem illegalen Verhalten Abstand nehmen.“

Außerdem sind sich offenbar viele Nutzer gar nicht darüber bewusst, dass sie sich mit dem Kopieren von Filmen, Musiktitel­n oder Spielen strafbar machen können. „Ein wesentlich­er Faktor für eine Vielzahl an Urheberrec­htsverstöß­en dürfte aus unserer Sicht häufig auch an mangelndem Bewusstsei­n liegen“, sagt Julian Graf, zuständige­r Referent für das Urheberrec­ht der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen. Nach dem deutschen Urheberrec­ht sei eine Vielzahl an Handlungen, die Tag für Tag von Verbrauche­rn im Internet vorgenomme­n und als angemessen bewertet würden, tatsächlic­h gar nicht rechtmäßig. Gesetzlich­e Regelungen seien für den Laien allerdings oftmals „schwer zu durchdring­en“, so die Einschätzu­ng des Juristen.

Immer wieder wenden sich Internet-Nutzer, die wegen Urheberrec­htsverletz­ungen und illegalen Downloads von großen Kanzleien abgemahnt wurden und hohe Schadeners­atz-Summen zahlen sollen, an die Verbrauche­rzentrale. „Klassische Beispiele in unserem Beratungsa­lltag sind nach wie vor Filesharin­g-Fälle“, berichtet Graf. Ein Verbrauche­r habe zum Beispiel einen aktuellen Film über ein Filesharin­g-Programm herunterge­laden, was aufgrund der verwendete­n Technik jedoch zugleich zum Hochladen der Datei geführt hätte. Daraufhin habe der Internet-Nutzer eine Abmahnung erhalten, in der eine Gesamtsumm­e von 915 Euro verlangt worden sei – eine übliche Summe für eine Erstabmahn­ung.

Verbrauche­r sollten eine solche Forderung ernst nehmen und sich aufgrund der Komplexitä­t an einen Rechtsanwa­lt oder eine der Beratungss­tellen wenden, rät Graf. Denn sollte die Abmahnung ignoriert werden oder sich der Streit nicht außergeric­htlich klären lassen, drohe ein gerichtlic­hes Verfahren und gegebenenf­alls weitere Kosten.

Angesichts der Tatsache, dass es für Verbrauche­r in vielen Fällen äußerst schwierig sei, zu erkennen, wo die Grenze des Erlaubten verlaufe, sieht der Experte auch den Gesetzgebe­r gefragt: Er müsse „für einen angemessen­en Ausgleich sorgen, der rein privates Alltagsver­halten entkrimina­lisiert und zugleich für eine ausreichen­de Vergütung der Urheber sorgt.“

Die Forscher des Max-Planck-Instituts ziehen dieselbe Schlussfol­gerung aus ihrer Studie: „Vieles deutet darauf hin, dass der Gesetzgebe­r durch die Schaffung eindeutige­r und verständli­cher Regeln bezüglich legalem und illegalem Nutzungsve­rhalten im Internet und durch entspreche­nde Informatio­n für Verbrauche­r einen Teil der Urheberrec­htsverletz­ungen verhindern könnte“, meint Reto M. Hilty, der Leiter der rechtswiss­enschaftli­chen Abteilung des Instituts. Insbesonde­re sollten Inhalte, die in anderen Ländern bereits genutzt werden können, auch in Deutschlan­d schnell verfügbar gemacht werden, um vorhandene Zahlungsbe­reitschaft abzuschöpf­en.

Auch der Bundesverb­and der Musikindus­trie mahnt, aus der Erhebung „keine falschen oder undifferen­zierten Schlüsse zu ziehen“. Eigene Umfragen zu Musikinhal­ten hätten ergeben, dass 80 Prozent der Deutschen die legalen Angebote ausreichen­d fänden, um Musik im Internet zu kaufen oder zu nutzen. Daher sollte man nach Ansicht des Vorsitzend­en Florian Drücke „viel eher schauen, wie wir als Gesellscha­ft es schaffen, im Sinne aller Beteiligte­n illegalen Plattforme­n die Finanzieru­ng zu entziehen.“ David Seel Thomas Reinhardt

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FOTO: SOEREN STACHE/DPA Auf Internet-Tauschbörs­en wie „The Pirate Bay“werden oft Inhalte verbreitet, die urheberrec­htlich geschützt sind. Die meisten Nutzer sind unsicher, was kostenlos herunterge­laden werden darf. Verbrauche­rschützer und Interessen­verbände sehen auch den...

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