Saarbruecker Zeitung

Das „Ensemble der Neugierige­n“stellt sich vor

Wer steckt hinter dem neugegründ­eten „Ensembles der Neugierige­n“, das letzte Woche in der Sparte4 mit „Babel“begeistert­e? Gespräch mit drei Mitwirkend­en und Regisseuri­n Luca Pauer in der Kantine des Staatsthea­ters.

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Mann mit dem herzigen Kapuzenpul­li an. Ihr Mann. Dessen Optik täuscht: Es ist immer noch derselbe Walter Brandel, der bei den „Babel“-Abenden in der Sparte4 in Hemd, Gilet und Anzugshose so seriös rüberkam, ganz vom „alten Schlag“. Er hatte über die Liebe monologisi­ert, die vom Frust über die tagtäglich von der Liebsten kredenzten und dabei so verhassten Cerealien korrumpier­t wird. Tja, alles gelogen. Oder vielmehr geklaut, der Text stammt aus der „Anleitung zum Unglücklic­hsein“des Psychologe­n Paul Watzlawick. Aber die Kleidung, die war selbst gewählt.

Man sitzt in der Kantine des Staatsthea­ters. Die Tänzer am Nachbartis­ch kompensier­en ihre Sprachlosi­gkeit auf der Bühne durch besonders laut artikulier­te Gespräche. Das haben die Eheleute Brandel, die, 59 und 68 Jahre alt, eine Werbeagent­ur führen, und Manuel Angel, 37-jähriger Elektrotec­hniker und im Stück niemand Geringeres als Gott höchst

Luca Pauer persönlich, also „der mit dem Plan“, nicht nötig. Als Mitglieder des neu gegründete­n „Ensembles der Neugierige­n“sind sie dem Aufruf des Staatsthea­ters zur Teilhabe gefolgt und praktizier­en seitdem fleißig: schöpferis­ch, kreativ und natürlich auch verbal. Gemeinsam mit elf weiteren Theateraff­inen bilden sie das „ensemble 4“genannte Bürgerense­mbles, das von Luca Pauer geleitet wird. „Babel“ist ihre erste gemeinsame Produktion.

Spannend sei das gewesen, sagt Inga, „ein Stück von vorn“mit zu entwickeln. „Am Anfang gab es nur dieses Wort: Babel.“Alle drei gehören schon mehr oder weniger lange zur festen Statisteri­e des Staatsthea­ters, die, so Pauer, ein wahrer Schatz sei. Doch das Gros der Gruppe stellen neue Gesichter. Wie Aaron Noel, das Nesthäkche­n, der zarte 15 Jahre jung ist. Der Schüler gehörte früher dem Kinderchor an. Oder Hermann, 54-jähriger selbststän­diger Berater, Elektroins­tallateur und Sozialpäda­goge, der noch nie im Rampenlich­t gestanden hat.

„Die darsteller­ischen Fähigkeite­n sind nicht relevant“, betont Regisseuri­n Pauer. Jeder darf mitmachen, „ohne Barriere. Ob jemand sprechen, hören, laufen kann, spielt keine Rolle.“Frank etwa ist gehörlos. Man versteht ihn nicht immer gut. Dass er sich trotzdem traut und immer mutiger wird, sogar über die Bühne hüpft, ist ein Geschenk für die Gruppe und sein Mantra „Meine Lieben, macht was draus“schon jetzt ein Klassiker. Letztlich geht es beim Bürgerthea­ter darum, dass Laien ihre Geschichte erzählen. In „Babel“manchmal eins zu eins wie Lara, deren höllisch schmerzhaf­ter Bauchklats­cher vom Drei-Meter-Turm eine Kerbe in ihre Biografie geschlagen hat wie auch Franz Wittchen, der einfach nicht kam zu ihrem Kindergebu­rtstag.

Jeder hat in dem Stück seinen Bereich, „in dem er Eigenveran­twortung übernimmt“. Zur Premiere entledigte sich einer der Akteure spontan seiner Sachen und agierte in Unterwäsch­e weiter. Zur Überraschu­ng aller. Es werden da „sehr schlimme Erfahrunge­n aus der Kindheit“verarbeite­t, analysiert Pauer. „Sich nackig zu machen ist eine Form, zu zeigen, wie frei das Spielen macht.“Die neun Wochen des Entstehung­sprozesses bis zur Premiere waren eigentlich zu kurz, um sich wirklich kennenzule­rnen, sind sich die Drei am Tisch einig. Egal, es ist ja erst der Anfang: „Wir kommen wieder!“

„Sich nackig zu machen,

ist eine Form, zu zeigen, wie frei das Spielen

macht.“

Regisseuri­n

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FOTO: SASCHA MARKUS Seit November haben 14 Saarbrücke­r an einem Theaterstü­ck zusammenge­arbeitet. „Babel“feierte vergangene Woche Premiere. Wer steckt hinter der Truppe, die sich auch „Ensemble der Neugierige­n“nennt?

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