Saarbruecker Zeitung

US-Präsident legt 1,5-Billionen-Plan für Infrastruk­tur vor

Der US-Präsident plant Ausgaben in Höhe von 1,5 Billionen Dollar. Nötig wäre mehr als das Dreifache, sagt der Ingenieurs­verband.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON (dpa) US-Präsident Donald Trump hat seinen lange angekündig­ten Plan zur Sanierung der Infrastruk­tur in den Vereinigte­n Staaten vorgelegt. Das Programm umfasst Investitio­nen von 1,5 Billionen US-Dollar. Allerdings strebt die US-Regierung an, davon nur 200 Milliarden selbst beizusteue­rn. Die fehlende Summe in Höhe von 1,3 Billionen soll von Bundesstaa­ten, Kommunen und dem Privatsekt­or investiert werden. Straßen, Brücken, Flughäfen und das Schienenne­tz sind vielerorts marode.

WASHINGTON Um einen Eindruck von der Misere der amerikanis­chen Infrastruk­tur zu bekommen, braucht man nur einmal mit der Bahn von Washington nach New York zu fahren. In Höhe der Hafenstadt Baltimore geht es durch einen engen Tunnel, der 1873 eingeweiht und seither nur unwesentli­ch modernisie­rt wurde. Damit die Züge auf dem kurvenreic­hen, zweieinhal­b Kilometer langen Streckenab­schnitt nicht aus den Gleisen springen, kriechen sie mit maximal 48 Stundenkil­ometern dahin. Was den Baltimore & Potomac Tunnel zum Nadelöhr werden lässt. An Plänen, das Relikt aus dem 19. Jahrhunder­t entweder auszubauen oder durch eine neue, geradlinig­ere Röhre zu ersetzen, mangelt es nicht. Woran es bislang mangelte, ist der Wille zu einem Kraftakt.

Einen solchen Klimmzug hat Donald Trump in Aussicht gestellt, als er gestern eine Blaupause präsentier­te, die marode Straßen, Brücken, Tunnel, Bahnlinien, Stromnetze, Flughäfen, Dämme und Schleusen auf den Stand des 21. Jahrhunder­ts bringen soll. Es ist die verspätete Erfüllung eines zentralen Wahlverspr­echens, das später auf seiner Prioritäte­nliste nach unten rutschte. Vorrang hatten die – im Parlament gescheiter­te – Abschaffun­g der Gesundheit­sreform Barack Obamas sowie die – im Parlament durchgeset­zten – Steuersenk­ungen, der Rest blieb liegen. Nun aber kündigt der US-Präsident eine Offensive an, eine nationale Offensive, wie er betont. „Nachdem wir dummerweis­e sieben Billionen im Nahen Osten ausgegeben haben, ist es höchste Zeit, in unserem Land zu investiere­n“, schrieb er in einem Tweet.

Nach Trumps Skizze sollen im Laufe der nächsten Dekade rund 1,5 Billionen Dollar in Projekte zur Modernisie­rung der vielerorts maroden Infrastruk­tur fließen. Allerdings will der Bund in Washington nur knapp ein Siebtel der Summe aufbringen. Den Rest sollen Bundesstaa­ten und Kommunen selber beisteuern, oder aber der Privatsekt­or springt ein.

Dass Investitio­nen in großem Stil nötig sind, um im internatio­nalen Vergleich nicht den Anschluss zu verlieren, darin herrscht quer durch die politische­n Lager weitgehend Einigkeit. Die American Society of Civil Engineers, ein Verband von Ingenieure­n, stellt der Infrastruk­tur ein ernüchtern­des Zeugnis aus: Müsste man Zensuren verteilen, wäre es eine Vier plus. Jede elfte Brücke gilt als dringend sanierungs­bedürftig, in absoluten Zahlen handelt es sich um mehr als 54 000 Brückenbau­werke. Tobt über Florida, Louisiana oder Texas ein Hurrikan, fällt

„Nachdem wir dummerweis­e sieben Billionen im Nahen Osten ausgegeben haben, ist es höchste Zeit, in unserem Land zu investiere­n.“

Donald Trump

US -Präsident

tagelang der Strom aus, weil morsche Holzmasten umstürzen und die Leitungen reißen. Deiche werden überspült, das Trinkwasse­r ist wegen veralteter Leitungen vielerorts mit Schadstoff­en belastet. Bis 2025, hat der Ingenieurs­verband errechnet, müsste man 4,6 Billionen Dollar ausgeben, um den Investitio­nsstau aufzulösen.

So gesehen ist Trumps Paket nur ein Tropfen auf den heißen Stein, zumal sich der Fiskus große Sprünge nicht leisten kann. Eine Kombinatio­n aus geringeren Einnahmen, eine wahrschein­liche Folge der im Dezember verabschie­deten Steuergese­tze, und höheren Ausgaben, erst vor wenigen Tagen von Demokraten und Republikan­ern für die nächsten zwei Jahre vereinbart, könnte das jährliche Budgetdefi­zit bis 2019 auf eine Billion Dollar ansteigen lassen. Die Folge klammer Kassen, orakeln die Demokraten, wäre de facto eine forcierte Privatisie­rung: mehr Mautstraße­n, mehr Mautbrücke­n, deutlich höhere Gebühren. Uncle Sam, warnt der Abgeordnet­e Peter de Fazio, einer der Verkehrsex­perten der Opposition, verabschie­de sich nach und nach von seiner Verantwort­ung für die Infrastruk­tur, indem er sie weiterreic­he an Privatunte­rnehmer. Derselbe Uncle Sam, der noch in den Fünfzigerj­ahren, unter dem republikan­ischen Präsidente­n Dwight Eisenhower, ein dichtes Autobahnne­tz finanziert­e.

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FOTO: SEMANSKY/PICTURE ALLIANCE Der Baltimore & Potomac Tunnel an der US-Ostküste ist arg in die Jahre gekommen. 1873 wurde er errichtet, seitdem kaum modernisie­rt. Das macht ihn zum Nadelöhr.

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